Er ist der Poet unter den Rebellen. Immer noch laut und eindringlich, beherrscht er auch die sanften, gefühlvollen Töne. Auf Einladung der Gruschtelkammer war der Liedermacher Konstantin Wecker in der ausverkauften Auenwaldhalle mit 740 Besuchern zu Gast und erhielt für sein Programm „Solo zu zweit“ Standing Ovations.
Konstantin Weckers Botschaften gelten heute immer noch und erreichen im poetischen Gewand mehr denn je die Herzen seiner Zuhörer. Foto: A. Becher
Von Claudia Ackermann
AUENWALD. Fast ein halbes Jahrhundert sei es her, dass er in seiner Wut das Lied „Willy“ herausgeschrien habe, in dem es um die alten Nazis geht. Der Liedermacher aus Bayern setzt sich ans Klavier und beginnt: „Gestern habns an Willy daschlogn. Und heit, und heit, und heit werd a begrobn!“ Erinnerungen werden bei vielen Besuchern wach bei dem Lied, in dem es damals hieß: „A bisserl a laus Gfühl habn ma doch damals scho ghabt, wega de ganzen Glätzen“. Den Text hat Konstantin Wecker in die Gegenwart übertragen: „Heute drucken die neuen Nazis ins Parlament. Was ist passiert Willy?“ Nach so langer Zeit hat das Thema an Aktualität nichts verloren. Schon nach dem ersten Lied gibt es Zwischenapplaus in der Auenwaldhalle.
Für den Veranstalter Charley Graf ist Konstantin Weckers Auftritt „die Krönung in 28 Jahren Gruschtelkammer“. Lange hat er daran gearbeitet, den Liedermacher nach Auenwald zu holen. Im Programm „Solo zu zweit“ übernimmt der Pianist Jo Barnikel teilweise die Klavierbegleitung. Die beiden Musiker spielen schon seit 25 Jahren zusammen. Kongenial und einfühlsam ergänzt Barnikel am Flügel den Gesang. Wecker singt davon, durch Liebe den Hass zu besiegen und fordert eine Revolution der Zärtlichkeit. „Poesie weckt die Menschlichkeit“, lautet heute seine Parole. Und er hat ein sehr poetisches Programm zusammengestellt. Es ist eine Mischung aus Musik und Lesung aus seinen Büchern. Aus „Auf der Suche nach dem Wunderbaren. Poesie ist Widerstand“ liest er eine Passage, die davon handelt, dass er erst mit der Geburt seines ersten Kindes (mit 50 Jahren) erwachsen wurde und von der wundervollen Erfahrung, die Welt mit der Reinheit von Kinderaugen zu sehen. Er singt davon, was er seinen inzwischen erwachsenen Kindern mitgeben wollte oder dankt seiner Frau in einem Lied: „dass du mich so lang ertragen hast“. Die gefühlvollen Balladen berühren, ohne schwulstig zu wirken.
„Meine Lieder sind meistens viel klüger als ich“, wirft Konstantin Wecker augenzwinkernd ein. Dass es in seinem Leben Höhen und Tiefen gegeben hat, sei ja hinlänglich bekannt. Er thematisiert seine Verhaftung 1995 wegen Drogenkonsums. Ein Lied aus dem Jahr 1984 sei geradezu prophetisch gewesen. „Nur du hast das Recht, dein Richter zu sein“, hieß es darin. Was damals im übertragenen Sinne gemeint war, habe dem Richter natürlich nicht gefallen. Wecker lässt es sich nicht nehmen, ein Lied über einen Richter zu singen, der „tagsüber hauptberuflich Recht hat“ und in der Freizeit seinen dunklen Trieben freien Lauf lässt.
Viel Biografisches fließt in das Programm ein. Das Publikum erfährt von Weckers Mutter, die noch mit über 80 Jahren mit auf Demos gegangen ist und gesagt habe: „Die Neonazis sind doch noch viel dümmer als die Nazis, denn die müssen doch wissen, wie es ausgegangen ist.“ Oder er erzählt von seinem liebevollen Vater, der ein hervorragender, aber nicht sehr erfolgreicher Opernsänger war. Dass Wecker, der schon als Kind mit seinem Vater musizierte, bis zum Stimmbruch eine hinreißende, glockenhelle Stimme hatte, beweist eine Tonaufnahme von 1959.
„Wer mit dem Leben tanzen will, muss ungehorsam sein“
Kräftig und eindringlich ist seine Stimme heute. Das Publikum begeistert er mit einem bayerischen Blues. Vierhändig laufen Wecker und Barnikel am Flügel zu Höchstform auf und die Besucher klatschen mit. Trotz sanfterer Töne ist der Liedermacher natürlich politisch geblieben. In einem Lied erinnert er an die Geschwister Scholl, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv waren und ermordet wurden. „Was keiner wagt, das sollt ihr wagen. Wo alles dunkel ist: macht Licht“, fordert er das Publikum in einem Lied auf. Und er singt: „Wer mit dem Leben tanzen will, muss ungehorsam sein.“ Drei Zugaben mit Standing Ovations beenden das fast dreistündige Programm. „Zwischen Zärtlichkeit und Wut, tut das Leben richtig gut“, hat Konstantin Wecker für sich erkannt. Mit seinen Liedern rüttelt er immer noch auf – im poetischen Gewand erreichen seine Botschaften mehr denn je die Herzen.