„Dieser Sound bin ich“

Das Avishai Cohen Trio begeistert das Publikum im Backnanger Bürgerhaus mit einem hochkarätigen Konzert

Mehr als 450 Menschen waren gekommen, um den Kontrabassisten Avishai Cohen zu erleben, der schon mit Chick Corea gespielt hat und gegenwärtig europa- und weltweit in renommierten Locations sein brandneues Album vorstellt. Wenn man Cohens Tourdaten anschaut, wird klar: Backnang darf sich geehrt fühlen, auf dieser Liste zu stehen.

„Dieser Sound bin ich“

Seine Finger fliegen übers Griffbrett wie flinke Spinnenbeinchen: Avishai Cohen. Foto: A. Becher

Von Carmen Warstat

BACKNANG. „Die kostbarsten Momente im Leben sind die, in denen ich komponiere. Und wenn brillante Musiker diese Musik dann spielen, wird sie größer als das Leben.“ Diese Worte umreißen Avishai Cohens Leidenschaft für seine Musik. Und solcherart kostbarste Zeit teilte er jetzt mit seinem Backnanger Publikum. Ein Konzert der Weltklasse.

Avishai Cohen, 1970 in einem Kibbuz geboren, hat in der Vergangenheit mit verschiedenen Kollegen musiziert. Er verbrachte ein Jahrzehnt in New York, wo er zunächst hart kämpfen musste, um Fuß zu fassen, und wo er schließlich zur künstlerischen Zusammenarbeit mit Chick Corea fand. Zu Cohens heutigem Ensemble gehören der exklusive aserbaidschanische Pianist Elchin Shirinov und der schillernde Modern-Jazz-Drummer und Perkussionist Itamar Doari. Letzterer stammt wie Cohen auch aus Israel, bereits mit 16 gründeten die beiden ihre erste Jazzband.

Ein Verstärker, wie er sonst zum Equipment von Rockbands gehört

Auf der Bühne des Backnanger Bürgerhauses hat sich der junge Pianist mit dem Rücken zum Publikum platziert. Der Drummer ist im Profil und nicht wie in den meisten Fällen frontal zu sehen und hat eine ganze Reihe interessanter Percussion-Instrumente installiert. Cohen selbst erstaunt mit der Wahl seines Verstärkers, eines Ampec-Turms, der – völlig untypisch im Jazz – von jeher zum Equipment der großen klassischen Rockbands gehört.

Der Kontrabass ist eigentlich ein sperriges und mühsam zu spielendes Musikinstrument, schön illustriert in Saint-Saëns Karneval der Tiere Nr. 5 – der Elefant. Nicht jedoch bei Avishai Cohen. Im Stil vollkommener Leichtigkeit, Elastizität und Eleganz verschmilzt er mit dem Bass zu einem Medium. Seine Finger fliegen übers Griffbrett wie flinke Spinnenbeinchen, trotzdem wird man zumindest ansatzweise gewahr, welcher Kraftaufwand hinter dieser Spielweise steckt. Dessen ist Cohen sich durchaus bewusst, fragt er doch nach Bassisten im Publikum. Ob wohl jemand Lust hätte, auf seinem Teil zu spielen? Die Frage steht im Raum, aber der Musiker gibt Entwarnung. Er wolle niemanden auf die Bühne holen und sage das nur deshalb, weil jeder Bassist wisse, wie schwer das kommende Stück sein würde.

Russisch-arabische Harmonien verweisen auf Cohens Wurzeln

Wenn man die Musik des Cohen-Trios das erste Mal hört, wird man sofort an skandinavische Musiker wie Esbjörn Svensson oder seinen Basskollegen Lars Danielsson erinnert. Bei genauerem Hinhören sind neben klassisch barocken eben auch russisch-arabische Harmonien, die auf Cohens Wurzeln verweisen, zu vernehmen.

Die Stücke fußen meist auf rasend schnellen, aber von Melancholie geprägten Themen, die zunächst unisono beginnen, später dann mehrstimmig oder auch kontrapunktisch weiterentwickelt werden, bis sich die drei Instrumentalisten gleichberechtigt, entweder nacheinander, gern aber auch gleichzeitig, zu Improvisationen aufschwingen. Da schwebt beispielsweise der Drummer in seiner eigenen Galaxie, während Cohen und Shirinov ein festgelegtes Muster an Milestones platzieren, die als solche enorm schwer zu verorten sind und die Musiker deshalb zuweilen erheitern.

Mit dem Konzept, den Bass als banddefinierendes Instrument anzulegen, führt Cohen weiter, was der Stuttgarter Pionier Eberhard Weber in den 80er-Jahren begonnen hatte. Der war maßgeblich an der Etablierung des Upright Sticks (Elektro-Kontrabasses) beteiligt, der dem Musiker Erleichterung verschaffen konnte. Cohen hat sich eindeutig für den traditionellen akustischen Bass entschieden und generiert seinen kraftvollen Sound (auch) mithilfe des besagten Bassturms. „Dieser Sound bin ich“, sagte der begnadete Musiker einmal. Er bezog sich dabei auf Komponisten, die westliche Harmonien mit mediterranen Sounds und arabischen Rhythmen verbanden und damit einen speziellen Sound hervorbrachten. In Backnang gab es für diesen Sound sehr viel Zwischenapplaus und Standing Ovations.