Das Stuttgarter Kammertheater wird zur Experimentierbühne für Künstliche Intelligenz. Zu den Forschenden zählen auch La Fura dels Baus und Ranga Yogeshwar.
Neben einem Workshops des Theaterkollektivs La Fura dels Baus gibt es zum Beispiel auch Beiträge von Ranga Yogeshwar, Kenza Ait Si Abbou oder Nico Hofmann (von links oben im Uhrzeigersinn). Foto: Fundación Épica, imago/Jürgen Heinrich, teutopress, Star-Media
Von Gunther Reinhardt
Philip K. Dick wusste schon lange, was da auf uns zukommt:„Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“, heißt einer seiner dystopischen Science-Fiction-Romane aus dem Jahr 1968, der man vor allem durch die Verfilmung unter dem Titel „Blade Runner“ kennt. Wenn beim Innovationslabor Zukunft des Schauspiels Stuttgart ein Beitrag den Titel „Besitzt KI emotionale Intelligenz?“ hat, wird deutlich, hier geht es nicht mehr um Science-Fiction, sondern um das Hier und Jetzt.
SInd Computer die besseren Menschen?
Zwar geht die Fragestellung, mit der ein Gespräch mit Kenza Ait Si Abbou, einer der führenden Expertinnen für Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik, überschrieben ist, noch nicht so weit, Maschinen tatsächlich Gefühle zu unterstellen. Doch vielleicht haben Computer inzwischen genau das gelernt, was viele Menschen verlernt zu haben scheinen: zuzuhören, einfühlsam zu sein, achtsam mit anderen umzugehen, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen.
Das ist nur eines der vielen spannenden Themen, mit dem sich das Schauspiel Stuttgart bei der ersten Ausgabe des Innovationslabors Zukunft beschäftigt, das vom 28. Mai bis 1. Juni stattfinden soll. „Wir gehen das Thema Künstliche Intelligenz mit großer Neugier an“, sagt Schauspiel-Intendant Burkhard C. Kosminki , der diese Art von Veranstaltung tatsächlich als Experiment mit offenem Ausgang begreift. Das Innovationslabor Zukunft ist ein Projekt, das wie zuletzt auch das Europäische Theaterfestival, auf ein Phänomen reagiert, dessen Auswirkungen nicht nur auf Kunst und Kultur, sondern auf die ganze Gesellschaft kaum überschätzt werden können. Nachdem es beim Europäischen Theaterfestival im März um die Bedrohung der Freiheit durch politische Veränderungen ging, geht es jetzt um Künstliche Intelligenz.
Theatrale Forschungsstätte für KI
Unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und unter anderem unterstützt von der Berthold Leibinger Stiftung sowie wie dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst soll das Kammertheater vom 28. Mai bis 1. Juni zur „theatralen Forschungsstätte“ werden. Wie eine Art Messe beschreibt Kosminski das Innovationslabor Zukunft. Hier treffen künstlerische Beiträge, auf Diskussionsformate, Vorträge und Workshops, Theorie auf Praxis, Hoffnung auf Sorge.
Herzstück des mehrtägigen Veranstaltungen sind künstlerisch/theatrale Versuchsanordnungen: Bei „Die Verwandlung des Gregor Samsung“ überlässt Regisseur Wilke Weermann seine Aufgabe bei den Proben der Kafka-Adaption einer KI, die Szenen schreibt, Choreografien entwickelt, das Bühnenbild gestaltet und live auf die Schauspielenden reagiert. Bei Florian Ettis Inszenierung von Becketts „Das letzte Band“ verschwimmen die Grenzen zwischen Schaupieler und Avatar. Bei „Weltenspringer“, einem Projekt der Hochschule der Medien, werden die Bewegungen der Schauspielenden in Echtzeit in virtuelle Räume übertragen. Auch bei „Kostja“ nach Tschechow wird mit Hilfe von KI die Wirklichkeit digital gespiegelt. In „Uncanny Valley“ von Stefan Kaegi (Rimini Protokoll) wird von dem Autor Thomas Melle ein animatronisches Double erzeugt. Und das exzentrische katalanisches Theaterkollektiv La Fura des Baus präsentiert in dem Workshop „Fundación Épica“ seine App Kalliópê.
Ist KI intelligent? Ist KI gut fürs Kino?
Zudem gibt es Vorträge, Präsentationen, Panels, Workshops und Gespräche zu einer Vielzahl an Themen, die sich alle mit dem Leben und (kreativen) Arbeiten in Zeiten von KI auseinandersetzen: „Ist KI intelligent?“, fragt etwa der Informatiker Bernhard Schölkopf, „Ist KI gut für den Film?“, fragt der FiIlmproduzent Nico Hofmann, „Kann KI Kultur?“, fragt Michael Resch, der Leiter des Höchstleistungsrechenzentrums der Uni Stuttgart, „Mensch und Maschine – wer programmiert wen?“, fragt der Wissenschaftsjournalist Randa Yogeshwar.
Alle Veranstaltungen im Rahmen des Innovationslabors Zukunft vom Mittwoch, 28. Mai, bis Sonntag, 1. Juni, finden im Kammertheater und nebenan im Haus der Geschichte statt. Zwischen den Gebäuden wird es einen Foodtruck geben. Tageskarten für die ersten beiden Tage kosten 40 Euro (ermäßigt 20 Euro) und für die weiteren Tage jeweils 12 Euro (7 Euro).
Innovationslabor Zukunft: Weitere Informationen und das komplette Programm gibt es hier: www.schauspiel-stuttgart.de