Filmmusik ist mehr als bloß nette Untermalung, beweist der subtil politische Konzertabend „Von Babelsberg nach Hollywood“ der Stuttgarter Philharmoniker moderiert von Maria Schrader.
Prominente Moderatorin: Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader.
Von Kathrin Horster
Trommelwirbel! Hörner, Trompeten! Streicher. Dann: das Becken. Die 20 Sekunden kurze „20th Century Fox Fanfare“ gehört zu den bekanntesten Musikstücken der Moderne. Nur selten wird sie als eigenständiges Werk gehört. Seit 1933 begleitete die Komposition von Alfred Newman die Produktionen des amerikanischen Filmstudios 20th Century Fox als auditives Signet. Passender hätten die Stuttgarter Philharmoniker, dirigiert von Christiane Silber, den Einstieg in das Konzert „Von Babelsberg nach Hollywood“ nicht wählen können.
Von der Not zur Tugend
Unmittelbar evoziert die Fanfare den ikonischen Leinwand-Vorspann. Filmmusik ist mehr als nur beiläufige Untermalung, beweisen die klug ausgewählten Werke. Diente die in den Anfangstagen des Kinos oft am Klavier spontan entwickelte Begleitung dazu, lautes Projektorrattern zu übertönen, steuerten später die immer anspruchsvolleren Orchesterwerke dramatische Hörlandschaften den zunächst stummen Bildern bei, erzählt die prominente Moderatorin Maria Schrader anstelle des erkrankten Axel Prahl.
Viele der vorgestellten Komponisten, wie etwa der in Wien geborene Max Steiner, waren deutsche oder österreichische Juden, die in die USA auswanderten. Manche Jahre vor dem heraufziehenden Faschismus, manche in direkter Folge der Nazi-Repressalien.
Aus der deutschen Kinoblüte während der Weimarer Republik präsentieren die Philharmoniker Gottfried Huppertz’ Komposition zu Fritz Langs Science-Fiction-Meilenstein „Metropolis“ von 1927. Der romantische Auszug „Im Laboratorium“ ist von flirrenden Streichern, mysteriösen Querflöten und zierlicher Harfe bestimmt. Zu Josef von Sternbergs berühmter Romanadaption „Der blaue Engel“ (1930) nach Heinrich Mann schuf der 1933 in die USA emigrierte Berliner Jude Friedrich Hollaender die Musik, legendär dessen Lieder „Ich bin die fesche Lola“ und „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, interpretiert vom damaligen Ufa-Star Marlene Dietrich.
Treffende Werkauswahl
Die Symphoniker vermischen in der Melodie der feschen Lola das ikonische Schnattern der „Berliner Schnauze“ mit kneipenseligem Schunkeln und nervösem Charleston. Als lasziv-müder Walzer erinnert „Ich bin von Kopf bis Fuß . . .“ an den gelangweilten Schlafzimmerblick der Dietrich, die als Lola Professor Unrat um den Verstand bringt. Franz Waxmans schwelgerischer Score zu Alfred Hitchcocks Thriller „Rebecca“ (1940) kann für sich alleine stehen wie Erich W. Korngolds überwältigend emotionale Komposition zu Michael Curtiz’ Seeabenteuer „The Sea Hawk“ (1940). Eins zeigt der Abend deutlich: Menschenfeindliche Politik würgt die reiche Kultur eines Landes ab. Dass die geflüchteten Künstler dafür die Kultur eines anderen Landes bereichert haben, tröstet.