20 Millionen Euro für Kläranlagensanierung in Backnang

Die Stadt Backnang unterteilt die Sanierung der Kläranlage Neuschöntal in drei Phasen. Der erste Bauabschnitt kostet 4,3 Millionen Euro. Die Planungskosten hierfür belaufen sich auf 700000 Euro. Der Betriebsausschuss Stadtentwässerung vergibt den Auftrag an das Büro BIT Ingenieure.

20 Millionen Euro für Kläranlagensanierung in Backnang

Viele Bereiche der Kläranlage wie etwa das Pufferbecken sind in die Jahre gekommen, sie müssen nun saniert werden. Foto: Stadt Backnang

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die Kläranlage Neuschöntal ist in keinem guten Zustand. Mehr noch: Die Anlagentechnik ist in Bezug auf Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Ressourcenschonung veraltet. Vor zwei Jahren wurde das Ingenieurbüro Holinger damit beauftragt, den Umfang der Sanierungsmaßnahmen zu ermitteln. Im Mai vergangenen Jahres lag dann das Ergebnis fest: Die Sanierung wird etwa 20 Millionen Euro kosten. Aus verschiedenen Gründen, auch weil die Stadt eine solche Summe nicht auf einmal stemmen kann, wurde die Investition in drei Bauabschnitte aufgeteilt. Der erste Abschnitt wird voraussichtlich 4,3 Millionen Euro verschlingen. Davon sind alleine 700.000 Euro Planungskosten. Der Betriebsausschuss Stadtentwässerung hat jetzt dem Gemeinderat empfohlen, dem Büro BIT Ingenieure AG den Auftrag zu erteilen. Das Heilbronner Büro hatte sich im Bieterverfahren von drei Unternehmen erfolgreich durchgesetzt.

Im Betriebsausschuss stellten die drei BIT-Mitarbeiter Gerold Ebert, Andreas Nußbaum und Timo Meinzer nicht nur ihr Unternehmen vor, sondern erklärten auch Details des Backnanger Projekts. Obwohl sie bislang nur den Zuschlag für die Planung des ersten Abschnitts in Aussicht haben, betonten sie die Bedeutung der ganzheitlichen Betrachtung des Projekts. Man müsse heute schon alle Aspekte berücksichtigen und in die Gesamtbetrachtung miteinbeziehen, selbst wenn diese erst zu einem späteren Zeitpunkt eine Rolle spielen.

Planer befürchten, dass die Baukosten mit Sicherheit noch steigen werden

Angesichts der riesigen Investition von 20 Millionen Euro hakte Rolf Hettich (CDU) nach, ob der Eigenbetrieb dies schultern könne und ob sich die Abwassergebühr dadurch erhöhen werde. Und Fraktionskollegin Ute Ulfert grübelte, ob der Betrag überhaupt ausreicht, da die Kostenerhebung bereits aus dem Jahr 2021 stammt. Lars Kaltenleitner, der Leiter des Backnanger Tiefbauamts, konnte zumindest etwas Entwarnung geben. Da die Abschreibung der Gebäudeinvestitionen über 50 bis 60 Jahre läuft, werden die Abwassergebühren nicht besonders belastet werden. Und Gerold Ebert, BIT-Gesamtprojektleiter, verwies darauf, dass die Summe von 20 Millionen, die das Büro Holinger ermittelt hatte, „von uns gegengeprüft wurde“. Seine Einschätzung: „Wir sehen die Zahlen als absolut realistisch für 2021 an. Aber die Preisentwicklung spielt verrückt, wir haben in manchen Bereichen wie etwa Motoren oder Pumpen zum Teil Preissteigerungen von 30 Prozent. Ich glaube, dass es mit Sicherheit nicht bei den 20 Millionen Euro bleiben wird.“

Gerhard Ketterer (CDU) wollte wissen, ob die Experten das Abwasser in Backnang als besonders schwierig oder eher üblich einstufen würden. Optimistisch stimmte ihn, dass es in Backnang schließlich keine Lederindustrie und keine anderen Verursacher von Schadstoffen mehr gebe. Die BIT-Experten sahen dies ähnlich, es handle sich um „normales, häusliches Abwasser“. Problematisch für einen guten Ablauf auf der Anlage seien allerdings die auffällig hohen Zulaufschwankungen. Heinz Franke (SPD) erinnerte an die unrühmliche Vergangenheit Backnangs beim Thema Abwasser. Aktuell hob er auf die Medikamentenrückstände im Abwasser ab. Die BIT-Ingenieure versprachen, dass diese künftig mit der vierten Reinigungsstufe herausgefiltert werden und das Abwasser – zumindest von den Werten her – Trinkwasserqualität habe.

Die Anlage kann rund um die Uhr überwacht werden

Eine andere Sorge Ketterers, ob es angesichts der sehr komplexen und daher auch anfälligen Technologie Überwachung rund um die Uhr gebe, die Fehler schnell und zuverlässig melde, konnte Lars Kaltenleitner entkräften. Er sagte: „Obwohl die Anlage technisch veraltet ist, kann sie heute schon rund um die Uhr und aus der Ferne überwacht werden. Und das wird in Zukunft noch weiter ausgebaut und noch besser funktionieren.“ Damit es erst gar nicht zu Pannen kommt, sollen künftig noch mehr doppelte Absicherungen eingebaut werden. Auf diese Redundanzen hob auch Willy Härtner (Grüne) ab, der zur Sicherheit gerne so viele doppelte Böden wie möglich hätte. Die Ingenieure stimmten ihm auf der einen Seite zu, denn das gesamte System kann zusammenbrechen, wenn auch nur eines der vielen Rädchen nicht ins nächste greift. Zwar nicht sofort, aber mit der Zeit. Und dass Aggregate immer wieder ausfallen oder wegen Wartung aus dem System genommen werden, sei völlig üblich. Auch werden Sonden immer wieder gezogen, weil sie gereinigt, ersetzt oder neu kalibriert werden müssen. „Wenn wir nur eingleisig fahren, bedeutet das jedesmal eine Unterbrechung, obwohl der Betrieb eigentlich immer weiterlaufen muss.“

Der Grundgedanke, Redundanzen aufzubauen, fällt also bei BIT auf fruchtbaren Boden. „Aber auch nur so weit, wie es sinnvoll oder wirtschaftlich vertretbar ist. Das wird mit der Verwaltung besprochen. Wo ist man bereit für solche Investitionen oder wo ist man bereit, ein gewisses Risiko in Kauf zu nehmen, dass man reagieren muss, wenn etwas ausfällt?“

Kaltenleitner hofft, dass nach der Sanierung der Kläranlage der Strombedarf zu 90 Prozent aus selbst erzeugtem Strom abgedeckt werden und CO2 laut einer Studie zu etwa 80 Prozent im Vergleich zu heute eingespart werden kann.

An der Sanierung führt kein Weg vorbei

Eben weil die gesetzlichen Anforderungen weiter verschärft werden und die Stadt wächst, führt an der Sanierung laut Erstem Bürgermeister Stefan Setzer kein Weg vorbei. „Wir müssen sauberes Wasser gewährleisten.“ Er erinnerte daran, dass die Kläranlagen Sachsenweiler und Horbach stillgelegt und an die zentrale Anlage Neuschöntal angeschlossen werden. Es sei wichtig, die Anlage in Neuschöntal technisch so aufzurüsten, dass sie die nächsten Jahrzehnte problemlos funktioniert. Da Kläranlagen eigentlich fortlaufend saniet werden sollten, übte er leise Selbstkritik: „Wir haben in der Vergangenheit vielleicht den Fehler gemacht, dass wir bei Investitionen zu lange gewartet haben. Das hatte verschiedene Gründe. Aber man kann aus der Vergangenheit auch lernen. Wir müssen künftig kontinuierlich investieren und die Anlage ständig auf dem neuesten Stand halten.“

Baubeginn kann Ende 2024 erfolgen

Zeitplan Die aktuellen Planungen gehen von folgendem groben Zeitplan für die Umsetzung des ersten Bauabschnitts aus:

Projektbeginn August 2023

Baubeschluss, Ausschreibung und Vergabe Mitte 2024

Baubeginn Ende 2024

Inbetriebnahme Ende 2025

BIT Ingenieure AG Über 200 Mitarbeiter verteilt auf sieben Standorte mit der Zentrale in Karlsruhe decken das gesamte Spektrum an Ingenieur- und Architektenleistungen für Wasser, Verkehr, Stadt- und Umweltplanung ab. Die Firma hat sich bei der Vergabe durchgesetzt.

Bauabschnitte Die Aufteilung erfolgt nach Dringlichkeit. Der erste Abschnitt umfasst die Einlaufgruppe, also die mechanische Reinigungsstufe, den Zulauf, das Vorklärbecken, das Rechengebäude und den Rechen selbst, den Sand- und Fettfang und das Pufferbecken. Im zweiten Abschnitt werden die Bereiche saniert, die mit der Schlammbehandlung und der mechanischen Schlammentwässerung zu tun haben. Kosten: 4,5 Millionen Euro. Der dritte Abschnitt besteht aus der biologischen Reinigungsstufe. Die Kosten betragen 10,4 Millionen Euro.