Anwalt steht als Beklagter vor Gericht

Kanzlei bricht laut Angaben des Klägers Kontakt ab – Fristverlängerung für Baumängel kann deshalb nicht beantragt werden

Anwalt steht als Beklagter vor Gericht

Von Silke Latzel

BACKNANG. Roland Trinkner ist bitter enttäuscht. Eigentlich wollte er nur ein Haus bauen. Das hat er zwar getan – aber nicht alles lief so, wie er es sich vorgestellt hatte. Jahre später schlägt er sich immer noch mit Baumängeln herum. Jetzt hat ihn der Hausbau vor das Amtsgericht Backnang geführt. Doch er klagt nicht etwa gegen den Bauträger, sondern gegen die Kanzlei, die ihn vor Gericht hätte vertreten sollen.

Vor Jahren war es eine Liste mit rund 30 Mängeln, die Roland Trinkner vorliegen hatte. Vieles beim Bau seines Hauses ist nicht so gelaufen, wie er es sich erhofft hatte. Er schaltet einen Anwalt aus Stuttgart ein, verklagt seinen Bauträger. Bald wird ihm die Fahrt in die Landeshauptstadt aber zu viel. Er macht sich auf die Suche nach einem anderen Anwalt, wird in Backnang fündig, überträgt ihm den Fall. „Ich arbeite nicht weit entfernt von Backnang und brauche daher auch nicht lang hierher, das war praktisch.“ Der Anwalt „legt sich richtig ins Zeug und hat eigentlich hervorragend gearbeitet“, so Trinkner. „Bis zum Tag X.“

Tag X – das ist der Tag, an dem Trinkner laut eigenen Aussagen von seinem Backnanger Anwalt plötzlich nichts mehr hört. „Einfach so, von heute auf morgen. Ich weiß gar nicht, was passiert ist. Die Kanzlei hat auf keines meiner Schreiben mehr reagiert.“ Bitter: Zu diesem Zeitpunkt bräuchte er den Anwalt dringend, denn für einen der Baumängel läuft die Verjährungsfrist ab. „Ich wollte nur, dass er Einspruch gegen die Verjährung einlegt. Und dann erreiche ich ihn nicht mehr.“ Die Folge: Die Frist verstreicht, der Baumangel ist verjährt, Trinkner hat keinen Rechtsanspruch mehr auf Schadensersatz oder Ähnliches.

Trinkner versteht die Welt nicht mehr. „Er hätte ja einfach sagen können, dass er den Fall nicht mehr weiter bearbeiten möchte.“ Er weiß sich nicht anders zu helfen, engagiert abermals einen neuen Anwalt – und verklagt die Backnanger Kanzlei. Trinkner und sein derzeitiger Anwalt sehen eine klare Pflichtverletzung des ehemaligen Anwalts, der die Mängelgewährleistungsrechte vor Ablauf der Verjährung hätte geltend machen müssen. Trinkner möchte, dass die ehemalige Kanzlei ihm zumindest einen Teil des Geldes bezahlt, das er vom Bauträger hätte bekommen können, hätte man die Mängel fristgerecht vor Gericht gebracht und wären die sie auch als solche anerkannt worden.

Eine Menge „hätte“ und „wäre“ begleiten die Verhandlung am vergangenen Mittwoch vor dem Amtsgericht Backnang, die laut der Richterin „per se eine unangenehme Sache ist“, weil ein Anwalt der Beklagte ist. Primär geht es an diesem Tag allerdings nicht darum, ob und warum Trinkners ehemaliger Anwalt die Rechte seines Mandanten nicht geltend gemacht hat, sondern ob der von Trinkner beklagte Baumangel tatsächlich ein Mangel ist. Denn nur in diesem Fall könne man davon ausgehen, dass ihm bei fristgerechter Verlängerung der Mängelgewährleistungsrechte tatsächlich Recht zugesprochen worden wäre – wäre es zu einer Verhandlung gegen den Bauträger gekommen.

Der Fall: Eine Wärmepumpe in Trinkners Haus wurde ohne den vom Hersteller empfohlenen Mindestabstand von mindestens 60 Zentimetern im Keller installiert. Und durch den fehlenden Abstand würden Wartungsarbeiten länger dauern und somit mehr kosten, so Trinkners Anwalt. Er würde die Anlage gerne umstellen lassen, mit einem Vorschuss der alten Kanzlei bezahlen und dann den tatsächlichen Preis verrechnen – insgesamt geht es um 2305 Euro.

Der vor Gericht anwesende Anwalt aus Trinkners alter Kanzlei schlägt eine Zahlung von einem Drittel des Betrags vor, 718,33 Euro. Trinkner lehnt ab. Nachdem zwei Handwerker als Zeugen gehört worden sind, kann nicht eindeutig geklärt werden, ob es sich um einen Mangel handeln könnte. Die Richterin schlägt vor, noch mal zu versuchen, sich zu einigen, sonst müsse man einen unabhängigen Sachverständigen bestellen und das würde nicht nur die Verhandlung in die Länge ziehen, sondern könne im Falle einer Niederlage für Trinkner sehr teuer werden. Am Ende werden aus den 718,23 Euro dann 1828,63 Euro, die der Anwalt der ehemaligen Kanzlei sich vorstellen könnte, zu zahlen. Er müsse das aber erst intern abklären und ließ sich eine Widerspruchsfrist einräumen. Die Kosten für seinen Anwalt und das Gericht müsse Trinkner allerdings selbst zahlen – Kosten, die im Falle eines für Trinkner positiven Ausgangs des Verfahrens wohl die Gegenseite, sprich die alte Kanzlei, hätte tragen müssen.

Trinkner ist trotz allem enttäuscht über den Ausgang des Falles. „Ich komme mit einem blauen Auge davon“, sagt er später. Ob und wieso sich niemand mehr aus der Kanzlei bei ihm gemeldet hat, kam vor Gericht kaum zur Sprache, dort nannte der Anwalt der Kanzlei die Sache allerdings mehrfach „einfach nur lästig“. Auch auf Nachfrage unserer Zeitung teilt uns die Kanzlei nur mit: „Wir haben uns kein Fehlverhalten vorzuwerfen, das Mandat wurde ordnungsgemäß bearbeitet.“