Backsteinhaus wird für den Abriss geräumt

Die Postfiliale in der Bahnhofstraße in Sulzbach zieht um, das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert soll dann bald darauf einem Wohnkomplex weichen. Vonseiten der Bürger hat es zwar Einwendungen gegeben, die Verwaltung sieht aber keine zwingenden Gründe für den Erhalt.

Backsteinhaus wird für den Abriss geräumt

Das sogenannte Sachs’sche Haus in der Bahnhofstraße wird in knapp zwei Wochen geräumt. Foto: U. Gruber

Von Ute Gruber

SULZBACH AN DER MURR. Noch in diesem Monat soll die Postfiliale umziehen: von der Bahnhofstraße 18 in die Gerberstraße 1. Dieses kleine, gemeindeeigene Ladengeschäft ist Teil eines neueren Gebäudekomplexes nahe beim Marktplatz, war kurzzeitig eine Bäckereifiliale und wird derzeit durch das benachbarte Modehaus Kalmbach genutzt. Als Umzugstag ist der 16. Februar geplant. Inhaber Enrico Schäfer, der drei solcher Postfilialen im Nebenerwerb betreibt, sieht den Umzug mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Das sind schöne Räume, aber etwas versteckt. Längst nicht so gut erreichbar wie in der Straße vom Marktplatz zum Bahnhof. Außerdem musste eine Lösung für die Parkplatzfrage gefunden werden.“ Zwar gehörten die Stellplätze direkt vor dem Geschäft nämlich dem Modehaus Kalmbach, „aber das ist jetzt geklärt, die Postkunden dürfen da parken“. Schließlich werden täglich auch viele Pakete hier abgegeben und abgeholt. Das geht in den neuen Räumlichkeiten sogar barrierefrei. Im sogenannten Sachs’schen Haus, das Ende des 19. Jahrhunderts nur gut 100 Meter von der Murr entfernt erbaut wurde, lag der Laden wohlweislich nämlich im Hochparterre – wegen der Hochwassergefahr. Zwangsläufig führen Stufen hinauf.

Das Backsteingebäude mit Schmuckfachwerk und gemauerten Verzierungen, das im gleichen Stil wie die markante Gaststätte Zur Eisenbahn und andere schmucke Häuser in der Bahnhofstraße gehalten ist, soll nun alsbald abgerissen werden, zusammen mit dem barackenartigen Hinterhaus und zwei Garagen, und damit Platz machen für einem komplexen Neubau mit elf Wohneinheiten inklusive Tiefgarage und Fahrstuhl. Ein Investor aus Waiblingen will hier attraktiven Wohnraum in Bahnhofsnähe schaffen. Im Vorfeld hatte es zu den Plänen einige Einwendungen aus der Bürgerschaft gegeben.

Der Verein zur Erhaltung des historischen Sulzbach an der Murr (VEhS), der unter anderem im jährlich herausgegebenen doppeldeutigen Abrisskalender Ansichten historischer Sulzbacher Gebäude zeigt, die der Abrissbirne zum Opfer gefallen sind, weist darauf hin, dass das straßenbildprägende Gebäude vom Denkmalamt als erhaltenswert eingestuft wurde und durchaus renovierfähig sei. Auch sei das vorgestellte Bauprojekt zu groß und zu massig. Von Anwohnern wurde auch bemängelt, dass die Verkehrssicherheit und Parksituation in unmittelbarer Nähe des Bauprojekts bereits jetzt problematisch sei, zum Beispiel durch fehlende Gehwege. Zusätzliche Anlieger würden dieses noch verschärfen. Ein anderer Nachbar befürchtet starke Beeinträchtigungen durch die Bautätigkeit, einerseits für die umliegenden Straßen, welche dafür nicht ausgelegt seien, andererseits für seine unmittelbar angrenzende Arztpraxis, da er derzeit zur Verhinderung von Coroninfektionen in einem Außenzelt praktiziert. „Diese Option einer Außenbehandlung neben einer Großbaustelle erscheint mir schlichtweg unmöglich.“ Weiterhin führt er Naturschutzaspekte an, wie einen 100-jährigen Walnussbaum, der ebenso wie das alte Haus selbst als Brutplatz für Vögel diene. Zudem gäbe es Fledermäuse, die im Gebäude logierten. Auch die Hochwasserproblematik wird thematisiert.

Die Gemeindeverwaltung stellt fest, dass „die Unterhaltung und Erneuerung von Gebäuden grundsätzlich dem Eigentümer“ obliegt und weist darauf hin, dass „in dem Haus über Jahrzehnte keine Sanierung vorgenommen“ wurde, und die anstehende komplette Kernsanierung „unverhältnismäßige Kosten“ verursachen würde. Durch die schmückende Klinkerfassade werde auch die Isolierung schwierig. Die Beheizung der genutzten Räume erfolgt derzeit mit Einzelöfen; in der Postfiliale steht zum Beispiel ein Gasofen, der von den Mitarbeitern aber selbst im Winter nur im Notfall genutzt wird, da er stinke.

Die Verwaltung ist der Ansicht, dass sich das geplante straßenseitige Gebäude gut in das Straßenbild einpasse sowohl in der Größe wie in der Form. Die Verkehrssituation im Bahnhofsquartier werde beim unlängst gestarteten Landessanierungsprogramm Ortskern II in jedem Fall ein wichtiges Thema sein, die vorgeschriebenen Stellplätze des Bauprojekts würden jedoch durch die Tiefgarage geliefert. Die Belastung der Arztpraxis werde sich nicht ganz umgehen lassen, müsse aber im verhältnismäßigen Rahmen einer Baustelle erfolgen. Bezüglich der Hochwasserproblematik seien Retentionsmaßnahmen erforderlich und auch geplant. Was die durch den Abriss heimatlos werdenden Haussperlinge und Zwergfledermäuse anbelangt, muss der Verlust des Lebensraumes durch Schutz- und Kompensationsmaßnahmen aufgefangen werden. Außerdem müssen die Gartenanlagen insektenfreundlich gestaltet werden.

Ein ungelöstes Problem war lange Zeit die Suche nach einer adäquaten Wohnung für das betagte Ehepaar, das seit 30 Jahren im Hinterhaus wohnte. Überraschend fand sich inzwischen eine Bleibe, sogar in unmittelbarer Nähe: „Das war ein richtiger Glücksfall“, freut sich Oberamtsleiter Michael Heinrich, „da wohnen sie jetzt sogar altersgerecht ebenerdig und mit komfortabler Zentralheizung.“

Postinhaber Schäfer, der nach eigenen Worten schon kurz davor war, die Filiale ganz aufzugeben, ist „froh über die Lösung. Auch dass die Gemeinde den Gewerberaum in der Gerberstraße so lange für uns freigehalten hat.“ Die größere Ladenfläche biete die Möglichkeit, das Sortiment zu erweitern, etwa um Tabakwaren. Das sei dringend nötig, denn die Postkonzession allein decke die Auslagen nicht, zumal bei der jetzt höheren Miete. Die Mitarbeiter dürften sich freuen, dass der Umzug bald stattfindet: Endlich ein Arbeitsplatz mit einer funktionierenden Heizung.