Backnanger Waldfreibad in den 1930er-Jahren. Repros: P. Wolf
Von Claudia Ackermann
BACKNANG. Wer im 19. Jahrhundert in Backnang schwimmen oder ein Bad im Freien nehmen wollte, der musste mit der Murr vorliebnehmen. Gebadet wurde nach Geschlechtern getrennt. Oberhalb des Stegs zur ehemaligen Bahnhaltestelle der Spinnerei Adolff gab es ein „Herrenbad“. Das „Frauenbad“ befand sich auf der Höhe des heutigen Freibads, informiert das Backnang-Lexikon. Wohlweislich hatte man die Badestellen flussaufwärts angelegt, bevor das Wasser auf seinem Weg entlang der Stadt von Gerber- und Färberbetrieben und später von Industrieabwässern verschmutzt wurde.
Zu jener Zeit waren in den Wohnhäusern noch keine Bäder eingerichtet. In Backnang gab es verschiedene Badehäuser, in denen man ein Wannenbad nehmen konnte. Eine der größten und bekanntesten Badeanstalten, der eine Wirtschaft mit angebauter Kegelbahn und Musikpavillon angeschlossen war, befand sich in der heutigen Talstraße.
In der Oberamtsbeschreibung von 1871 heißt es über das Badehaus: „Noch haben wir die Badeanstalt, welche der resignierte Apotheker Fr. Esenwein im Jahr 1869 errichtete, zu erwähnen; sie hat eine freundliche, sommerliche Lage nördlich der Stadt am Fuße des steilen, felsigen Talabhanges gegen die ganz nahe vorbei fließende Murr. Das in angenehmem Stil erbaute Badgebäude enthält neben einigen Wohngelassen sechs gut und zweckmäßig eingerichtete Badkabinette und eine Duscheinrichtung; an das Gebäude schließen sich sinnig angelegte Gartenanlagen und überdies ist die anstoßende, mit üppigen Waldbäumen und Sträuchern bewachsene Steilhalde mit gut gangbaren Wegen und Treppen versehen, was die Annehmlichkeit dieser dem Publikum zur Benützung überlassenen Anstalt noch mehr erhöht.“
„An warmen Tagen ging es natürlich ins Freibad.“
Nach diesem Badehaus erhielt die Straße, die die Sulzbacher Vorstadt mit der Aspacher Vorstadt verband, 1888 den Namen Badstraße. Im Einwohnerbuch von 1900 ist in der Badstraße 58 aufgeführt: „Stierle, Gasthaus zum Bad. Restaurateur und Badmeister.“ Unter Gewerbe war auch die Badeanstalt verzeichnet.
Das erste Hallenbad wurde mit der Entstehung des neuen Schlachthofs in den Etzwiesen 1907 gebaut. Hier gab es zusätzlich zu den Wannenbädern erstmals ein 24 Quadratmeter großes Becken. Für Schwimmer, die in diesem Hallenbad nur sechs Meter lange Bahnen ziehen konnten, musste es eine Sensation gewesen sein, als das Waldfreibad in den Zippertswiesen gebaut wurde, das im Juni 1930 eröffnete. Es hatte damals ein 1000 Quadratmeter großes Schwimmbecken sowie ein Planschbecken für Kinder und war eines der ersten Freibäder in der Gegend, informiert das Backnang-Lexikon.
In dem Buch „Kindheitserinnerungen 1948–1964. Ein Backnanger Leben“ erinnert sich Horst Hettich an seine Erlebnisse in der Nachkriegszeit: „An warmen Tagen ging es natürlich ins Freibad meist mit dem Fahrrad. Das stellten wir an einem gebührenpflichtigen, bewachten Fahrrad-Parkplatz ab. Der Preis mit fünf Pfennig war erschwinglich. Nicht bewachte Räder waren nie sicher. Klingel, Pumpe, Sattel oder das ganze Rad wurde reihenweise geklaut.“
Die Kleinkriminalität sei damals viel höher gewesen als heute. Mit der Sauberkeit auf der Liegewiese hielten es manche Badegäste nicht so genau, aber da schuf der Bademeister Abhilfe, blickt Hettich zurück: „Wer im Freibad Blödsinn machte (Eckfange, Wellenlaufen im Überlaufkanal) wurde vom Bademeister Heinrich Holzwarth geschnappt und durfte mit einem 10 Liter Eimer Papierle (Müll) auf der Liegewiese auflesen. Und den Eimer bekam man immer voll. Allerdings auch mit ein paar Tricks, wie Gras oder Erde unter den Abfall zu legen. Das Freibad war natürlich nicht beheizt und meist nicht über 21 Grad warm. Das war tagsüber im Sommer kein Problem, aber beim Schulsport morgens um 8 Uhr bibberten wir gewaltig.“ An Warnungen seiner Eltern erinnert sich Hettich: „Von zu Hause wurde uns Angst gemacht, ich sollte ja aufpassen, wenn das Wasser in die Murr abgeleitet würde. Dies war ab und zu zur Reinigung notwendig. Dabei soll ein Kind Anfang der 50iger Jahre in die Murr geschwemmt worden sein – hat aber überlebt, weil das Abwasserrohr einen halben Meter im Durchmesser hatte.“
Einige Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg regte sich in Backnang der Wunsch, auch im Winter in einem Hallenbad mit größerem Becken schwimmen zu können. Aus finanziellen Gründen konnte das Vorhaben jedoch lange Zeit nicht verwirklicht werden. Im Jahr 1959 wurde ein Förderverein gegründet, der zu Spenden aufrief. Nachdem die vier größten Industrieunternehmen in Backnang die Summe von 400000 Mark spendeten und auch das Regierungspräsidium Nordwürttemberg in Stuttgart einen Staatsbeitrag von 400000 Mark bewilligte, stimmte der Gemeinderat im Dezember 1959 dem Bau des Hallenbads am hinteren Teil der Bleichwiese zu, informiert eine Festschrift, die zur Eröffnung 1965 von der Stadt herausgegeben wurde. Weitere Spenden gingen ein und der Förderverein veranstaltete zwei große Tombolas, bei denen beachtliche Beträge zusammenkamen. Das neue Hallenbad hatte ein 12,5 mal 25 Meter großes Becken mit fünf Schwimmbahnen. Im Untergeschoss befand sich der Saunabereich, in dem es Saunatage für Männer und Frauen gab.
Das Freibad entwickelte sich weiter zum Mineralfreibad und wurde 1979/80 generalüberholt. Nun umfasste das Schwimmerbecken 1250 Quadratmeter und hatte einen abgegrenzten Springerbereich. Außerdem gab es nun ein 1000 Quadratmeter großes Nichtschwimmerbecken, eine um mehr als einen Hektar vergrößerte Liegewiese sowie eine deutlich verbesserte Zufahrtsstraße.
Im Jahr 2007 beschloss der Gemeinderat, die Planung für den Bau eines neuen Hallenbads beim Mineralfreibad einzuleiten. Ein Jahr später wurde der Standort Zippertswiesen für das neue Familien- und Sportbad im Gemeinderat bestätigt und 2011 mit dem Bau des 18-Millionen-Euro-Projekts begonnen, ist im Backnang-Lexikon zu lesen. Am 10. Dezember 2012 konnte das neue Bad eröffnet werden, das zusammen mit dem integrierten Mineralfreibad unter dem Namen „Murrbäder Backnang Wonnemar“ firmiert. Das alte Hallenbad an der Bleichwiese wurde geschlossen und 2014 abgerissen. An dieser Stelle entstand die Annonayanlage mit Spielplatz.