Bis zu 90 Prozent weniger Umsatz

Noch bis September ist die Ortsdurchfahrt in Althütte wegen Sanierungsarbeiten für den überörtlichen Verkehr gesperrt. Selbst für Anlieger ist etliche Wochen im Jahr kein Durchkommen. Die Geschäftsleute Joachim Blatt und Eddie Weiher haben die Auswirkungen für sich unterschätzt.

Bis zu 90 Prozent weniger Umsatz

Joachim Blatt, Tankenstellenbetreiber und Chef eines Autohauses, wurde von der Baustelle schwerer getroffen als gedacht. Fotos: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Althütte. „Unsere Tankstelle ist extrem betroffen. Wir haben im Februar 80 bis 90 Prozent weniger Umsatz gehabt, als im Februar des vergangenen Jahres“, klagt Joachim Blatt, Inhaber des gleichnamigen Autohauses und Pächter der Tankstelle. Seine Ehefrau Sabine macht sich Sorgen und ist beunruhigt. „Existenzängste sind da. Ich weiß es nicht, ob wir das schaffen“, bekannte sie bereits Anfang Februar, als die Baustelle eingerichtet wurde (wir berichteten). „Dass es so schlimm werden würde, damit haben wir nicht gerechnet. Es hat uns schwerer getroffen, als gedacht“, sagte jetzt ihr Mann. Wegen des fehlenden überörtlichen Verkehrs komme kaum jemand zum Tanken. Und deswegen fehlen auch die Kunden für die frisch gebackenen Brötchen und Brezeln, für Zeitschriften und Energydrinks sowie für Kaugummi und Co. „Um am Personal zu sparen, stehen wir am Samstag meistens selbst drin, mein Mann und ich“, sagt Sabine Blatt.

Neben an im Autohaus sieht’s nicht viel besser aus. Vor drei Monaten habe er noch gedacht, dass er mit einem erweiterten Service alle seine Kunden halten kann, sagt Joachim Blatt. Er bietet an, Kundenautos abzuholen, „beim Rathaus oder beim Eddi“, wie Joachim Blatt sagt, und sie dort wieder hinzubringen. Doch es kam anders. Teilweise blieben bislang treue Kunden weg, wechselten offensichtlich die Werkstatt. „Wir haben uns wirklich nur über Kurzarbeit über Wasser gehalten. Sonst hätten wir keine Chance gehabt.“ Die Einbuße in der Werkstatt schätzt Blatt auf 50 bis 60 Prozent. „Dass die Kunden nicht kommen, wenn sie nicht herfahren können, das hab’ ich echt unterschätzt“, gesteht der Geschäftsmann ein.

Lieferanten müssen mit Umwegen rechnen oder kommen erst gar nicht

Ein weiterer Aspekt der Baustelle: Teilweise bleiben die Lieferanten aus. Der Kühllaster beispielsweise, der die Tankstelle mit Backwaren und Eis versorgt, will wegen der beengten Verhältnisse nicht mehr anfahren. Paketdienste weigern sich, die Umleitung über Welzheim zu nehmen. Ein großer Tanklaster mit Treibstoff musste unlängst 600 Meter rückwärts fahren, von der Tankstelle bis zur Senke runter.

Joachim Blatt ist aber nicht der Typ Mensch, der den Kopf in den Sand steckt. Für ihn ist das sprichwörtliche halbe Glas voll und nicht leer. Es gebe zwar bei den Kunden immer Fluktuation, „aber, da bin ich schon überzeugt, dass die wieder zurückkommen“. Spätestens im September. Dann sollen die Sanierungsarbeiten fertig und die Ortsdurchfahrt von Althütte, sprich die Ebniseestraße, wieder befahrbar sein, auch für den überörtlichen Verkehr.

Joachim Blatt will fairerweise noch sagen, dass die Gemeinde für seine Bedürfnisse und Sorgen Verständnis hat und ihm dahin gehend entgegenkam, dass sie in Absprache mit den Bauunternehmen die Zufahrt zum Autohaus im April, ein für Blatt sehr wichtiger Monat, über Seitenstraßen ermöglichte.

Aber jetzt, der komplette Mai, ist eben die Zufahrt aus Richtung Rathaus wieder nicht mehr möglich. Er hofft, dass es danach nur noch halbseitige Sperrungen geben wird. Aber der überörtliche Verkehr bleibt eben bis September aus.

Auch Edgar „Eddi“ Weiher von Eddi’s Biker-Residenz zum Löwen ist am Verzweifeln. „Der Umsatz ist brutal zurückgegangen.“ Er schätzt den Rückgang auf 60 bis 70 Prozent. Klar hat er auch Stammgäste. Aber die ganzen Biker, die sonst eine Tour über den Ebnisee machen und so zwangsläufig durch Althütte fahren und dabei seinen Biergarten entdecken, die fehlen ihm jetzt. Er hat drei Festangestellte und beschäftigt 15 Aushilfen. Die müssen jetzt auch alle kürzertreten. Er ist skeptisch, wie er durch den Sommer kommt.

Joachim Blatt und Eddie Weiher hoffen sehr, dass jetzt nichts mehr dazwischenkommt und im September die Ortsdurchfahrt wirklich wieder aufgemacht wird. Denn erst Corona und dann die Baustelle, viel mehr verkraften sie nicht mehr.

Bis zu 90 Prozent weniger Umsatz

Schilder weisen darauf hin: Avia hat geöffnet, die Zufahrt zu Eddis Biergarten ist frei.

Tragischer medizinischer Notfall am Dienstag

Durchgewunken Einen medizinischen Notfall hat es am Dienstag in Althütte in der Lerchenstraße geben. Letztlich ist der Patient verstorben. Bei der Anfahrt des Notarztes und des Rettungswagens, die aus unterschiedlichen Richtungen anfuhren, ist es wegen der Baustelle wohl zu keinen Verzögerungen bei der Anfahrt gekommen. Wie Bürgermeister Reinhold Sczuka gestern auf Anfrage sagte, hat ein Baggerfahrer dem Einsatzfahrzeug sofort den Weg frei gemacht und das Auto durchgewunken.

Informiert „Die Integrierte Leitstelle Rems-Murr wird vorab von offizieller Seite informiert, wenn Bauvorhaben geplant sind und somit mit Beeinträchtigungen durch Baustellen zu rechnen ist, die sich signifikant auf die Eintreffzeit des Rettungsdienstes auswirken könnten“, sagt Christian Siekmann, Sprecher des DRK-Kreisverbands. Im Vorfeld gibt es Infos über Umfang und Dauer der Maßnahmen. Die Sperrungen werden im Einsatzleitrechner hinterlegt, sofern die Umleitungen nicht nur einige Meter betragen.

Angelegt Die Sperrung in Althütte ist entsprechend angelegt und wird berücksichtigt. Der Einsatzleitrechner und der Leitstellen-Disponent berücksichtigen, ob Sperrungen den Anfahrtsweg für ein Rettungsmittel verlängern. So wird automatisch das Einsatzmittel informiert, das die Notfallstelle schnellstmöglich erreichen kann. Wenn eine Baustelle durchfahren werden kann, wird dieser kürzeste Weg genommen, um ein schnelleres Eintreffen zu ermöglichen und eine längere Umleitungsstrecke zu vermeiden.