Blaue Flecken – na und?

Sarah Klinge aus Schorndorf ist Kickboxtrainerin, Nummerngirl und eine selbstbewusste Selbstverteidigerin

Leicht bekleidete Nummerngirls in Boxwettkämpfen dürften feministisch veranlagten Menschen die Zornesröte ins Gesicht treiben. Wie kann man nur? Sarah Klinge kann. Und mehr als das. Die 18-Jährige steigt selbst in den Ring, als Kickboxerin.

Blaue Flecken – na und?

Sarah Klinge liebt das Kickboxen – obwohl sie nicht selten mit blauen Flecken vom Training nach Hause kommt. Foto: B. Büttner

Von Andrea Wüstholz

SCHORNDORF. Kickboxen kann Sarah Klinge. Auf Trainerniveau. In Giuseppe De Mitris Kickbox-Center in Schorndorf geht die 18-Jährige aus Schorndorf-Weiler seit Jahren ein und aus. Der mehrfache Kickboxweltmeister De Mitri war es auch, der die junge Frau überredet hat, dieses Nummerngirl-Dings zu wagen. Nummerngirls sind meist gut aussehende, wohlgeformte, junge Damen. Sehr zur Freude der überwiegend männlichen Zuschauer halten sie bei Box- oder Kickboxwettkämpfen zwischen den Runden eine Tafel hoch. Darauf steht, welche Runde gleich folgt. Es geht das Gerücht um, niemand schaue auf die Tafel. „Du guckst ein bisschen nett“, so beschreibt Sarah Klinge das Anforderungsprofil für den Nummerngirljob. Sie hat das Metier vor Kurzem bei einer Europameisterschaft in Winterbach beschnuppert. Nein, nicht im Bikini. „Die ersten paar Runden bin ich richtig gestorben. Ich hab so gelitten“, erzählt die 18-Jährige, die dieses Jahr ihr Abitur abgelegt hat, zurzeit jobbt und einen Auslandsaufenthalt plant. Giuseppe De Mitri wird’s hart treffen, wenn sie weg ist, denn Sarah Klinge ist als Trainerin in seinem Kickbox-Center eine gefragte Persönlichkeit. Sarah Klinge hat Humor und heult nicht gleich. Deshalb hat sie diesen Nummerngirljob auch durchgezogen, obwohl das, wie sie selbst sagt, „unglaublich nicht feministisch“ ist. „Ich bin da unempfindlich“, schiebt die junge Frau nach, und: „Es hat dann sogar Spaß gemacht. Ich würde es wieder machen.“

Ein gesundes Selbstvertrauen strahlt sie aus, und das hat ganz sicher mit dem Kickboxen zu tun. Während Sarah Klinge leicht erschöpft vom langen Arbeitstag im Schorndorfer Center von ihrer Begeisterung für diesen Sport erzählt, kommen ein, zwei Jugendliche vom Trainingsraum heraus und sehen nicht 100-prozentig fröhlich aus. Das kann passieren beim Kickboxen. Dass es mal schmerzt. Sarah Klinge trägt unterdessen blaue Verfärbungen am Bein. „Meine ganze linke Seite ist blau“, sagt sie und grinst zufrieden. „Man muss nicht Drama schieben“, erläutert die junge Frau. Drama würde ein im Kickboxen unerfahrener 1,80-Meter-Schrank von Mann schieben, der sich mit Sarah Klinge anlegen würde. „Es kommt auf die Technik an“, sagt Sarah, und sofern ein Angreifer die Technik nicht beherrscht, wird er es sein, der am Boden liegt, nicht sie. Beim Kickboxen hören sie sofort auf, wenn eine(r) zu Boden geht. Davor hält man beim Zuschauen unwillkürlich den Atem an.

Der Sport schafft Ausgleich und hebt die Laune

Junge, Junge. Kraft und Energie und Geschwindigkeit und Dynamik – kein Wunder, die strotzen alle vor Fitness. „Du bewegst jeden Muskel. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, um den ganzen Körper fit zu halten“, sagt Sarah. Ihre Mitmenschen schätzen ihre Trainingsdisziplin, deutet sie an: Der Sport schafft Ausgleich und hebt die Laune.

Größer wird sie nicht dadurch. Mit ihren bescheidenen 1,60 Metern wirkt Sarah Klinge auf den ersten Blick zart, und man könnte sich gut Federballspielen oder so als Hobby von ihr vorstellen. So täuscht man sich. Außen klein und innen groß. „Du weißt, du kannst dich verteidigen. Dadurch läufst du ganz anders rum“, stellt Sarah klar. Dafür gibt’s hin und wieder eins auf die Nase, aber passt schon. Das ist es ihr wert; „dieser Sport passt zu meiner Persönlichkeit“. Sarah Klinge liebt das Kickboxen – obwohl sie nicht selten mit blauen Flecken vom Training nach Hause kommt.

Blaue Flecken – na und?

Kickboxerin Sarah Klinge bei ihrem Auftritt als Nummerngirl in Winterbach. Foto: privat