Pastor Alexander von Wascinski nimmt den nächsten Radiogottesdienst der Evangelisch-Methodistischen Kirche auf. Foto: A. Becher
Von Uta Rohrmann
BACKNANG. Die Idee wurde aus der Not geboren: Als am 13. März aufgrund der Corona-Infektionslage alle Gottesdienste abgesagt wurden, gab es einen Sonntag lang kein gottesdienstliches Angebot in den Evangelisch-Methodistischen Kirchen des Bezirks Backnang. Dann war der EMK:::BBC#RadioGottesdienst geboren.
„Radio ist mein persönliches Hauptmedium“, sagt Pastor Alexander von Wascinski, bei dem die Fäden zusammenlaufen. Schon in jungen Jahren sei er ein großer Hörspielfan gewesen. Und der Vorteil gegenüber den inzwischen zahlreich angebotenen Internetgottesdiensten ist, dass auch Gemeindeglieder, die keinen Zugang zum weltweiten Netz haben, problemlos teilnehmen können.
Es sind Mitmachgottesdienste, die von vielen Stimmen leben. Zu Beginn der Woche wird das Thema bekannt gegeben und die möglichen Beiträge – Gebete, Lieder, ein Hörrätsel, eine Lesung und anderes – auf eine Webseite gestellt. Wer mitwirken will, kann etwas auswählen und anmelden. Bis Freitagnachmittag sind in der Regel dann alle Beiträge bei von Wascinski eingegangen. „Es ist erstaunlich, was alles möglich ist und zusammenkommt“, freut sich der Methodistenpastor. Kinder beteiligten sich ebenso wie 80-Jährige. Da ist der junge Mann, der ein kurzes Wort zum Sonntag spricht, die Familie, die als Flötengruppe die ganze Gemeinde erfreut, die alte Dame, die an der Heimorgel einen wunderschönen Choral spielt, die Organistin, die die Orgel in der Kirche erklingen lässt, Gemeindeglieder, die in ihrem Wohnzimmer zu Gitarre oder Keyboard singen.
Mit einem Schnittprogramm fügt der Pastor die Beiträge zusammen.
„Es sind Audioaufnahmen unterschiedlicher Art“, sagt von Wascinski. „Die Beiträge reichen von Smartphone-Sprachaufnahmen bis zu Mehrspur-Liedaufnahmen in Studioqualität. Manche beteiligen sich auch über den Anrufbeantworter.“ Oft kommt dann eine Nachtschicht auf den Methodistenpastor zu, wenn er die Moderation und alle weiteren Beiträge aufnimmt und alles im Audio-Schnittprogramm zum Gesamtkunstwerk des Radiogottesdienstes zusammenstellt. Am Samstag ist es dann so weit: Der Gottesdienst steht als Audio-Download beziehungsweise Stream im Netz zur Verfügung. 40 CDs mit dem gleichen Inhalt sind gebrannt und werden von zehn bis zwölf Ehrenamtlichen entgegengenommen, die diese an alle Gemeindeglieder, die keinen Zugang zum Internet haben, weiterverteilen – zusammen mit dem aktuellen Sonntagsinfoblatt und einer Grußkarte.
Manchmal werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom „Lieferantenservice“ schon sehnsüchtig erwartet. Denn sie ermöglichen nicht nur Teilhabe durch die neuesten Informationen und Gottesdienstteilnahme, sondern häufig auch persönliche Begegnungen durch Fenstergespräche.
„Am Sonntagmorgen ist dann die typische Zeit, zu der alle Hörerinnen und Hörer ihre Radiogottesdienstkerze anzünden, wenn es heißt: ‚Herzlich willkommen zum EMK:::BBC#Radiogottesdienst‘“, erzählt Alexander von Wascinski. Für die Teilnahme an den öffentlichen Gottesdiensten unter www.radiogottesdienst.emk-bbc.de seien etwa 130 Personen registriert, schätzungsweise 250 Leute feierten diese mit.
„Wir versuchen immer wieder zu erspüren, was gerade dran ist und wie es am besten gehen kann“, sagt von Wascinski. Den Sommer über hätten sie es auch wieder mit Präsenzgottesdiensten versucht. So recht glücklich geworden sind die Mitglieder der evangelischen Freikirche damit nicht. „Musik gehört zu unserem methodistischen Erbe. Wir haben mehrstimmige Sätze in unseren Gesangbüchern. Die Einschränkungen beim Singen treffen uns daher auch besonders hart“, so der Pastor. Die persönliche Begrüßung, herzliche Umarmungen, der große Halbkreis um den Altar beim Abendmahl – all das fehle sehr.
Doch gerade die christliche Botschaft beinhaltet einen Gott, der nahe kommt. Die Verantwortlichen der Evangelisch-Methodistischen Kirchen in Backnang, Burgstall und Cottenweiler möchten dieses Nahekommen in die Häuser mit dem Radiogottesdienst so gut wie möglich vermitteln. Im Dezember ist zum Angebot noch ein Online-Kirchencafé dazugekommen. Im Anschluss an den Gottesdienst kann man sich an virtuellen kleinen Tischen begegnen. Neben dem Webmeeting ist aber auch eine Teilnahme per Telefon möglich. Eines hat EMK:::BBC dann aber doch mit dem bekannten britischen Nachrichtensender gemein: Mit John und Charles Wesley, auf die die evangelische Freikirche zurückgeht, gingen ebenfalls wichtige Botschaften von England in die Welt. Die zunächst studentische Bewegung im Oxford des frühen 18. Jahrhunderts, der intensives Bibelstudium, gemeinsames Gebet und praktische Dienste an Armen, Kranken, Arbeitslosen und Gefangenen am Herzen lagen, wurde zunächst spöttisch als „methodistisch“ bezeichnet. Aus der sich ausweitenden Erweckungsbewegung entstand eine weltweite Kirche, in deren Tradition sich heute rund 80 Millionen Menschen verstehen. In Deutschland gehören etwa 500 Gemeinden mit 52000 Mitgliedern zur Evangelisch-Methodischen Kirche, die Mitglied in überkonfessionellen Netzwerken wie der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) oder der Evangelischen Allianz ist.