Mit der passenden Dekoration und Beleuchtung wird der nüchterne Betriebshof des Nutzfahrzeugcenters zur spannenden Partylocation. Vor und nach dem offiziellen Teil treffen sich die Gäste hier zum Austausch in lockerer Runde. Fotos: Alexander Becher
Von Kornelius Fritz
Backnang. Reiner Gauger wirkte am späten Mittwochabend ein wenig geschafft: „Es war diesmal schon sehr aufwendig und anstrengend“, bilanzierte der Wirtschaftsbeauftragte der Stadt Backnang. Eine Großveranstaltung wie die Wirtschaftsgespräche zu organisieren, ist kein Pappenstiel. Dieses Jahr kamen noch einige unliebsame Überraschungen hinzu. Nachdem bereits in der vergangenen Woche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) abgesagt hatte, fiel am Veranstaltungstag auch noch die Festrednerin Nicole Lontzek krankheitsbedingt aus. Zum Glück konnte man kurzfristig den österreichischen Unternehmer Christoph Holz als Ersatz verpflichten. Zudem hatte sich auch noch eine Gegendemonstration angekündigt, was erhöhte Sicherheitsvorkehrungen mit Ausweis- und Taschenkontrollen nötig machte.
Die geladenen Gäste ließen sich von alldem aber nicht abschrecken: 730 Besucherinnen und Besucher bedeuten laut Maximilian Friedrich sogar einen neuen Rekord. „Jeder aus unserer regionalen Wirtschaft, der etwas auf sich hält, kommt gerne und immer wieder zu unseren Wirtschaftsgesprächen“, stellte der Backnanger Oberbürgermeister zufrieden fest. Die Stadt organisiert die Veranstaltung gemeinsam mit dem BdS-Gewerbeverein Backnang und dem Industrieverein Backnang und Umgebung.
Mobiles Arbeiten nutzt auch den Unternehmen
Die Wirtschaftsgespräche, die 2003 vom damaligen Oberbürgermeister Frank Nopper ins Leben gerufen wurden, haben schon an den unterschiedlichsten Orten stattgefunden, unter anderem etliche Jahre auf dem Gelände der Alten Spinnerei. Vor zwei Jahren hatte Reiner Gauger dann die Idee, mit der Veranstaltung zu den Backnanger Firmen zu gehen. So fanden die Wirtschaftsgespräche im vergangenen Jahr auf dem Kaufland-Parkdeck in der Sulzbacher Straße statt. Nun waren sie erstmals im Gewerbegebiet Lerchenäcker zu Gast, auf dem Gelände des Nutzfahrzeugcenters Backnang.
Der offizielle Teil des Abends stand unter dem Motto „Wie kann die neue Arbeitswelt dem Fachkräftemangel entgegenwirken?“ Nach einem Impulsvortrag von Christoph Holz (siehe Text unten) diskutierten darüber auf dem Podium Christine Käferle, die Leiterin der Agentur für Arbeit in Waiblingen, Uwe Amann, Personalchef bei Harro Höfliger, und der Geschäftsführer der Backnanger IT-Firma Aptus, Reinhard Mayer. Von ihnen wollte Moderator Josh Kochhann unter anderem wissen, wie sie es in ihren Unternehmen mit dem Thema Homeoffice halten. Mayer erzählte, dass in seiner Firma vier Angestellte fast ausschließlich von zu Hause aus arbeiten. „Ich werde den Teufel tun, sie ins Büro zu zwingen“, sagte der Unternehmer. Bei Harro Höfliger können die Beschäftigten in vielen Bereichen bis zu 40 Prozent mobil arbeiten. Tatsächlich werde dieses Angebot aber gar nicht ausgeschöpft, berichtete Uwe Amann. „Das ist eine tolle Ergänzung, wenn es passt, aber unsere Beschäftigten kommen auch gerne ins Unternehmen.“ Das Arbeiten im Homeoffice biete aber nicht nur den Mitarbeitern Chancen, sondern auch der Firma: „Unser Einzugsgebiet wird dadurch viel größer“, erklärte Amann. Wenn nicht mehr jeder fünfmal pro Woche ins Büro fahren müsse, sei man auch für Fachkräfte mit einem weiteren Anfahrtsweg interessant. Ob auch Arbeitskräfte aus dem Ausland die Personalprobleme in Deutschland lösen könnten? Grundsätzlich schon, glaubt Christine Käferle, allerdings sei gut ausgebildetes Personal eben auch in anderen Ländern sehr gefragt und Deutschland nicht unbedingt der attraktivste Standort. Das liege einerseits an der schwierigen Sprache, aber auch an der mangelnden Willkommenskultur für Einwanderer aus dem Ausland.
Chatbot beantwortet E-Mails
Vielleicht wird der eine oder andere Job aber auch bald von künstlicher Intelligenz erledigt. Bei der Firma Aptus ist bereits ein Chatbot im Einsatz, der unter anderem E-Mails beantwortet. Bei Harro Höfliger ist man noch nicht so weit. Teilweise spreche auch der Datenschutz dagegen, berichtete Uwe Amann, etwa wenn es um die Verarbeitung sensibler Personaldaten gehe.
Markus Höfliger, der den Industrieverein leitet, outete sich zum Abschluss als Freund des persönlichen Gesprächs von Angesicht zu Angesicht. Und davon konnte er an diesem Abend auch noch viele führen, denn die inoffiziellen Wirtschaftsgespräche bei Häppchen und kühlen Getränken zogen sich bis in die Nacht hinein.