Dankbarkeit als Lebens-Grundgefühl

Elisabeth und Heinz Widmayer lernten sich bei einer Geburtstagsfeier zufällig kennen, heute feiern sie ihre goldene Hochzeit.

Dankbarkeit als Lebens-Grundgefühl

Sind seit 50 Jahren zusammen verheiratet: Elisabeth und Heinz Widmayer. Foto: J. Fiedler

Von Renate Schweizer

ALTHÜTTE. BKZ?! Geschichte zur Goldenen Hochzeit? „Da müssen Sie mit meiner Frau sprechen. Sowas entscheidet bei uns Elisabeth.“ 30 Sekunden später steht fest: „Wir machen das.“ In 50 gemeinsamen Jahren sammeln sich doch Geschichten an, die es wert sind, erzählt zu werden, findet Elisabeth Widmayer. Die Geschichten müssen ein bisschen warten – zu spektakulär ist die Aussicht durchs Wohnzimmerfenster, zu liebevoll gehegt der Hanggarten. Schon jetzt kann man sehen, dass er im Sommer voller Blüten stehen wird, grade fängt’s an mit Blaukissen, Krokussen, Wolfsmilch und Küchenschelle. Hier möchte man bleiben.

„Hier möchte ich bleiben“ dachte Elisabeth Widmayer 1985, als das Haus zum Verkauf stand und am Abend erzählte sie es Heinz. Sie packten grade die Koffer um anderntags in Urlaub zu fahren. „Du bist ja verrückt“, sagte Heinz, „wir wohnen doch schön“, und sie beschlossen: Wenn das Haus noch nach ihrem Urlaub frei sei, würden sie’s kaufen. So war’s.

Es ist eine geradezu prototypische Geschichte aus dem Leben der Familie Widmayer: Nichts erzwingen, nichts forcieren – aber Gelegenheiten, die sich bieten, beim Schopf packen. Aufgaben, die sich stellen, angehen, Herausforderungen annehmen und dankbar sein, wenn es gelingt. Und es ist ihnen viel gelungen im Lauf der 50 Jahre, die sie zusammen sind. „Er redet nicht viel“, sagt sie über ihn, „er macht lieber – aber für seine Familie würde er sich vierteilen lassen!“ „Mit ihr hat mein Leben erst richtig angefangen“, sagt er über sie und dann wendet er sich direkt an seine Frau: „Des hasch scho recht g’macht!“ Große Zuneigung, heut’ wie vor 50 Jahren, gepaart mit schwäbischen Understatement: Das hast du schon recht gemacht – ein höheres Lob gibt es nicht hierzulande.

1963 kam Elisabeth nach Sechselberg (er war schon da), es war ihre zweite Stelle als Lehrerin und keiner hat sie gefragt, ob sie da hinwill, irgendwo hinten draußen oben im Schwäbischen Wald, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen. Aber natürlich ging sie trotzdem wohin man sie schickte, fand eine Kollegin in derselben Lage, die beiden wurden Freundinnen (sie sind es heute noch) und zogen miteinander (Frauen-WG!) ins Alte Schulhaus. 1964 ging der Schulleiter der Sechselberger Schule in den Ruhestand und die Schulleiterstelle war frei und so wurde Elisabeth Wössner mit grade Mal Mitte zwanzig Schulleiterin. „Ich bin da so reingerutscht“, sagt sie.

Zur Schulleiterstelle gehörte auch das Dirigat des Gesangsvereins Frohsinn, wo Heinz Widmayer im Bass sang. Darüber hinaus traf man sich zufällig bei einer Geburtstagseinladung. Er brachte Rosen, es gab einen Ausflug zum Schwimmen im Ebnisee – unter den Argusaugen des ganzen Dorfes bahnte sich da was an. Herrenbesuch nach 22 Uhr im Alten Schulhaus? Undenkbar! Erst 1971, am Tag der standesamtlichen Heirat und 24 Stunden vor der kirchlichen Hochzeit befand die Freundin: „Jetzt kannst du ihn übernachten lassen.“

Dann kamen die Kinder, ein Junge, ein Mädchen, Elisabeth arbeitete weiter. Heinz war von wohlmeinenden Freunden gewarnt worden, ausgerechnet eine Lehrerin zu heiraten: „Die kann doch bestimmt nicht kochen“, sagten sie, aber dass die Frau jetzt auch noch trotz Kind weiter zur Arbeit gehen wollte – das war ganz außergewöhnlich in den 1970-er-Jahren, das schlug dem Fass den Boden aus. Und wie sie so dasaß und sich fragte, wie sie das alles stemmen sollte, klingelt es an der Tür. Eine Frau stand draußen. Sie habe gehört, es würde hier jemand für das Kleine gebraucht. Sieben Jahre lang blieb sie Kinderfrau bei Familie Widmayer, „und ich habe es keine Stunde bereut. Sie kam, wenn ich zur Arbeit ging und ging, wenn ich wieder zurückkam.“ Es war das perfekte System.

Heinz Widmayer schaffte beim Daimler in Untertürkheim. Er ging früh um 6 Uhr aus dem Haus und kam zum Gute-Nacht-Sagen wieder und nicht einmal das klappte immer. Wenig Zeit für die Familie. Umso mehr genießen sie jetzt ihren Ruhestand: Gemütlich frühstücken, immer mit Backnanger Zeitung – das ist ihr Luxus. Und abends die Rätselseite vorm Fernseher. Zur Goldenen Hochzeit gibt es ein Kaffeetrinken mit der Freundin von damals – und einen Dankgottesdienst der Kinder mit ganz viel Musik. Ob es auch irgendwas gibt, was richtig nachhaltig schiefgegangen ist? „Doch“ lacht Frau Widmayer nach kurzer Überlegung: „Ich wollte nie einen Mann heiraten, dessen Nachname mit W beginnt. Da ist man im Alphabet so weit hinten und kommt immer als letztes dran.“