Das neue stationäre Hospiz in Backnang ist ein Quantensprung in der Hospizarbeit und soll zu einem Segen für die Menschen werden. Dies erklärte Heinz Franke, Geschäftsführer der Hospizstiftung, gestern bei der feierlichen Einweihung des Hauses. Diese fand im Bürgerhaus statt und wurde musikalisch umrahmt von der schwäbischen Folk-Rock-Band Wendrsonn.
Die Vorstandsvorsitzenden Ute Ulfert (rechts) und Robert Antretter dankten dem Motor des Hospizprojekts, Heinz Franke (links), und dessen Frau Erika für den enormen Einsatz bei der Verwirklichung des Projekts, dessen Investitionssumme sich auf 4,5 Millionen Euro summiert.Foto: A. Becher
Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Das neue Hospiz wird „Haus des Lebens“ heißen. Für all jene, die unter einem Hospiz ein Sterbehaus verstehen, eine gewagte, vielleicht sogar provokante Namensgebung, zu der Heinz Franke jedoch ohne Wenn und Aber steht. Er erinnerte an den Artikel 1 des Grundgesetzes, „die Würde des Menschen ist unantastbar“, und ergänzte: „Dies gilt bis zum letzten Atemzug und gerade dann.“ Und deshalb war es für ihn auch kein Problem, das Wendrsonn aufspielte. Franke: „Wenn jemand fragt, passt das zur Einweihung für ein Hospiz, dann sage ich: Ja. Denn das Hospiz steht für Lebensfreude.“ Und auch Robert Antretter, Vorstandsvorsitzender der Hospizstiftung, räumte nach den gefühlvoll vorgetragenen Balladen und Liedern wie „Wiagalied“ oder „Woisch no“ frank und frei ein, mit den Tränen gerungen zu haben. Er sagte: „Ihr seid würdige Paten dieses Hospizes.“
Die Geburtsstunde der Hospizarbeit im Rems-Murr-Kreis schlug vor 25 Jahren, so Franke. Es begann mit allerersten Gedanken und Überlegungen einer kleinen Initiativgruppe, einen ambulanten Hospizdienst aufzubauen. Franke: „Niemand hatte sich damals vorstellen können, höchstens im Geheimen davon träumen, was daraus werden würde. Aber von Jahr zu Jahr wurden die Träume kleiner und die Realität größer. Und deshalb ist heute für alle, die diese Zeit mitgestaltet, miterlebt, mitverantwortet haben, ein großer Tag.“ Hospizarbeit war, ist und bleibt laut Franke „ein Dienst für Menschen an Menschen“. Deshalb galt sein oberster Dank den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Hospizbegleitern, ohne die dies alles so gar nicht möglich wäre. „Ein Dienst, der vielleicht an der einen oder anderen Stelle durch den Einsatz innovativer Technologien, durch Fortschritte in medizinischen und pflegerischen Therapieformen, oder durch den Einsatz moderner Kommunikationstechnik erleichtert werden kann – aber niemals ersetzt, denn ohne menschliche Zuwendung bleibt alles nur Stückwerk.“ Auch Antretter sagte, „mir ist sehr daran gelegen, denen zu danken, die aus dem Sterbehaus ein Haus der Liebe und Geborgenheit machen.“
Die Einweihung des neuen Hospizes zeigt laut Landrat Richard Sigel besonders eindrücklich: „In Backnang wird etwas geleistet. Mit diesem neuen Gebäude steht ein weiteres eindrucksvolles Beispiel bürgerschaftlichen Engagements vor Ihnen. Das Gebäude ist einmal mehr der Nachweis, dass man in Backnang nicht nur ehrgeizig Pläne schmiedet, sondern ehrgeizige Pläne auch erfolgreich umsetzt.“ So ist das neue Hospiz ein weiteres Beispiel für dieses Gemeinschaftsgefühl, es ist ein Haus für alle Menschen im Rems-Murr-Kreis. Jeder aus dem Kreis, der auf die Hilfe des Hospizes angewiesen ist, findet hier Hilfe, Zuneigung und Unterstützung. Sigel: „Das neue Hospiz ist mehr als ein Zeichen der Verbundenheit von Backnang mit dem Rems-Murr-Kreis. Es ist viel mehr als eine Brücke zwischen Rems und Murr.“ So war Sigel auch nicht verwundert, dass es in der Bürgermeisterkreisversammlung auch kaum eine Diskussion gab, ob sich die Städte und Gemeinden am Neubau finanziell beteiligen. Es sei vielmehr eine Selbstverständlichkeit gewesen, „dass es eine gemeinsame Verantwortung gibt und dass man im gesamten Landkreis zusammensteht“.
Landrat Sigel rechnete vor, dass die Hospizmitarbeiter bisher weit über 1000 Menschen begleitet haben. „Über Wochen, Monate und manchmal Jahre hinweg stützen Sie schwerstkranke Menschen und begleiten diese auf dem letzten Lebensabschnitt. Für diese wertvolle und anspruchsvolle Arbeit möchte ich heute auch im Namen des Landkreises Danke sagen. Wir können uns im Rems-Murr-Kreis glücklich schätzen, dass wir einen würdigen Ort für Schwerstkranke, Sterbende und deren Angehörige haben.“
Backnangs Oberbürgermeister Frank Nopper hob hervor, dass das neue Hospiz auf dem vormaligen Krankenhausareal verwirklicht wurde. Hier würden schwerstkranke Menschen künftig in einem neuen, größeren Hospiz – dem größten in der Region Stuttgart – Beistand und Zuwendung erfahren. „Es ist gut, dass die Hospizstiftung Rems-Murr-Kreis – wenige Meter von ihrem bisherigen Standort entfernt und in unmittelbarer Nachbarschaft des Gesundheitszentrums – für Schwerstkranke noch bessere Möglichkeiten schafft. Dies gelingt durch eine größere Zahl von Gästezimmern und durch die Konzentration aller Hospiz-Serviceleistungen an einem Standort.“
Susanne Kränzle, Vorsitzende des Hospizverbands Baden-Württemberg und Gesamtleiterin des Hospizes Esslingen, hob darauf ab, dass Sorge nicht nur heiße, zu ermitteln, welche Leistungen wo fehlen, „sondern Sorge heißt zutiefst, vom anderen her zu denken, was dieser Mensch braucht, will und sich wünscht und wie wir das erreichen können“.
Über Lobesworte durfte sich auch Architekt Manfred Orlowski freuen. Franke räumte ein, dass der Plan sehr ambitioniert war, das Hospiz bis Ende April zu realisieren, und dass dies nur Dank des Eifers von Orlowski gelungen sei. Mit der Übergabe eines symbolischen Schlüssels endete der offizielle Teil des Festakts. Im Anschluss gab es einen Stehempfang im Foyer des Bürgerhauses und danach den Festvortrag von Daniela Tausch. Sie ist Diplom-Psychologin und die Initiatorin des Stuttgarter Hospizdienstes.
Die Hospizstiftung lädt auf Samstag, 27. April, zu einem Tag der offenen Tür ins neue stationäre Hospiz in der Bonhoefferstraße 2 in Backnang ein. Die Besucher haben von 11 bis 17 Uhr die Möglichkeit, das Hospizhaus zu entdecken und die Vielfalt der Hilfsangebote kennenzulernen.