Ein Zweirad-Fahrschullehrer warnt seine Fahrschülerin per Handzeichen vor den Straßenschäden in der Kehre. Foto: Dietmar van der Linden
Von Florian Muhl
Burgstetten. Risse, Schlaglöcher und Verformungen – der rund 1,2 Kilometer lange Streckenabschnitt der Landesstraße1114 zwischen Burgstall und Kirchberg an der Murr ist bei Vielfahrern seit Jahren als „Hoppelstrecke“ bekannt. Besonders auffällig sind die Fahrbahnschäden in der Haarnadelkurve rund 100 Meter nach dem Ortsausgang von Burgstall. Zudem ist die Fahrbahnbreite von den üblichen 6,50 Metern weit entfernt.
Die Forderung seitens der Gemeinde Burgstetten, die Straße auszubauen, besteht schon lange. „Genau kann ich es nicht mehr sagen“, meint Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz, „aber bestimmt schon kurz nach meinem Amtsantritt 1995 habe ich darauf hingewiesen“. Beim Vor-Ort-Termin an der Kehre weist die Rathauschefin auf die Buckel auf dem Straßenbelag hin. „Für Motorradfahrer ist das saugefährlich“, sagt Wiedersatz. „Auch mein Mann hat gemeint: Du, die kommen mir entgegen, auf meiner Spur, weil sie die Wellen sehen, ausweichen und dann drumherum fahren.“ Just in dem Moment – BKZ-Fotograf Dietmar van der Linden ist mit seiner Kamera bereits schussbereit – kommt ein Fahrschullehrer auf seinem Motorrad aus Richtung Kirchberg herangefahren, gibt seiner nachfolgenden Fahrschülerin Handzeichen und deutet auf die gefährliche Situation vor der Kehre hin. Die Situation ist wie abgesprochen, aber dennoch nicht bestellt, reiner und schöner Zufall.
Mehrere Linienbusse begegnen sich, es gibt kein Vor und Zurück mehr
Die berühmt-berüchtigte Haarnadelkurve hat es auch in anderer Hinsicht in sich. „Wenn sich zwei Linienbusse begegnen, die fahren sich schier die Spiegel ab. Das ist auch schon passiert“, weiß Irmtraud Wiedersatz. „Als wir den Schienenersatzverkehr hier hatten, ist das ständig der Fall gewesen, dass die fast nicht aneinander vorbeigekommen sind“, fügt die Bürgermeisterin hinzu. Fast chaotisch war eine Situation am 21. Juni. Diese hat eine BKZ-Leserin um 16.37 Uhr mit ihrem Smartphone im Bild festgehalten (siehe Foto unten). „Es gab kein Vor und Zurück mehr, die Autos mussten umdrehen und die Busfahrer hatten Mühe, die Busse wieder zu entwirren“, schildert die Rathauschefin den Vorfall. „Der eine ist von unten raufgekommen, der andere wollte von oben runter und da ist der nächste Bus schon gekommen.“
Vor gut 15 Jahren war die Landesstraße 1114 zwischen Burgstall und Kirchberg als Umleitungsstrecke auch für Lkw ausgewiesen, weil damals die Ortsdurchfahrt Affalterbach ausgebaut wurde. „Der Zustand der Landesstraße hat sich seither gravierend verschlechtert“, hatte sich deshalb Wiedersatz im Mai 2008 an das Regierungspräsidium Stuttgart gewandt. „Insbesondere durch die schmale Fahrbahnbreite ist ein Begegnungsverkehr zwischen Lkw und Lkw kaum oder nur eingeschränkt möglich“, schilderte die Bürgermeisterin in dem Schreiben die Zustände. Sie wählte schon damals deutliche Worte: „Obwohl die Straßenmeisterei oft vor Ort ist, um die entstandenen Schäden einigermaßen wieder zu beheben, ist der Zustand nicht mehr tragbar.“ Fahrbahnränder würden regelrecht abbröckeln. Nach dem damaligen Kenntnisstand der Gemeinde war der Ausbau dieses Teilabschnitts nach dem Straßenausbauplan an 15. Stelle platziert. „Aufgrund der aufgetretenen Schäden durch die ausgewiesene Umleitungsstrecke muss der Ausbau dieses Teils der Landesstraße zwingend vorgezogen werden“, forderte die Verwaltungschefin vor 15 Jahren. Bereits damals berichtete sie von mehreren Unfällen. „Ein Begegnungsverkehr zwischen Lkw ist wie bereits ausgeführt lebensgefährlich. Ein Lastwagen ist aus diesem Grund bereits umgekippt. Auch ein Motorradfahrer kam bisher schon zu Schaden.“
Ihr Schreiben zeigte Wirkung, Die freudige Botschaft: „Im Jahr 2009 hat das Land signalisiert, dass das Geld für den Ausbau des Teilabschnittes bereitsteht“, erinnert sich Irmtraud Wiedersatz heute. „Daraufhin habe ich dann für das Land den Grunderwerb von den Eigentümern getätigt.“ Damals war sie nämlich davon ausgegangen, dass die Fahrbahn im Rahmen der Sanierung auf die üblichen 6,5 Meter verbreitert wird. „Man hat ja gedacht, es geht gleich los.“ Doch es ging nicht los.
Wiederum zwei Jahre später – 2011 – hatte das Land endlich Geld zur Verfügung. Aber nicht genügend. Für rund 450.000 Euro wurde ein etwas kürzerer Streckenabschnitt der L1114 in einem ersten Bauabschnitt auf Kirchberger Gemarkung saniert, inklusive Fahrbahnverbreiterung, wie sich Wiedersatz erinnert. „Bei uns ist die Strecke halt etwas länger und das hätte damals 750.000 Euro gekostet.“ Aber diesen Betrag stellte das Land damals nicht zur Verfügung. „Seither wurden wir immer wieder vertröstet. Statt die L1114 verkehrssicher auszubauen, wurde sie immer nur notdürftig geflickt“, ärgert sich die Bürgermeisterin. Sie spricht von Flickschusterei.
L1114 wird laut RP im kommenden Jahr saniert, wenn genügend Geld da ist
Irmtraud Wiedersatz ist frustriert, aber sie resigniert nicht. Neue Hoffnung hat sie auch deshalb, weil offensichtlich das mittlerweile benötigte artenschutzrechtliche Gutachten vorliegt.
Gestern Nachmittag hat das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart auf Nachfrage unserer Zeitung wie folgt Stellung genommen: „Der Zustand der Landesstraßen in Baden-Württemberg wird im vierjährlichen Rhythmus durch eine Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) erhoben. Auf Grundlage der Ergebnisse der im Jahr 2020 durchgeführten ZEB hat die Straßenbauverwaltung (...) das aktuelle Erhaltungsmanagement Landesstraßen für den Zeitraum 2022 bis 2025 erstellt, das die sanierungsbedürftigsten Erhaltungsabschnitte im Landesstraßennetz beinhaltet. Die Strecke der L1114 zwischen Kirchberg und Burgstall ist hier nicht als Erhaltungsabschnitt ausgewiesen.“
Im zweiten Bauabschnitt zwischen Burgstall und Kirchberg ist eine reine Sanierung nicht ausreichend, teilt das RP weiter mit. Demnach ist neben der Fahrbahndeckenerneuerung eine Verstetigung der Fahrbahnbreite von bisher zum Teil 5,2 Metern auf 6,0 Meter und die Anpassung der Entwässerung in Teilbereichen erforderlich. „Diese Fahrbahnbreite ist unter den gegebenen Voraussetzungen angemessen“, teilt das RP mit, und weiter: „Die Regelbreite für den Neubau einer Landesstraße liegt zwischen 6,0 und 8,0 Metern und hängt von verschiedenen Faktoren wie etwa dem Verkehrsbedarf oder der Netzfunktion ab.“
Die Planungen für den zweiten Bauabschnitt würden laufen. Insbesondere mussten aufgrund artenschutzfachlicher Belange einige Untersuchungen vorab durchgeführt werden, heißt es. „Die Kartierungsergebnisse liegen seit Mitte des Jahres vor und sollen im Herbst mit den Naturschutzbehörden hinsichtlich der nötigen naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen endgültig abgestimmt werden. Bis zum kommenden Jahr soll dann das Baurecht geschaffen werden. Die Umsetzung wird aktuell für das Jahr 2025 angestrebt, steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass Haushaltsmittel in ausreichendem Umfang zur Verfügung gestellt werden können“, so das RP.