Das Stadtticket bietet klare finanzielle Vorteile: Es kostet drei Euro, gilt den ganzen Tag und kann im ganzen Backnanger Stadtgebiet genutzt werden, in allen Bussen und sogar in der S-Bahn bis Maubach.
Mit dem Bus durch Backnang – das geht mit dem Stadtticket für nur drei Euro. Archivfoto: A. Becher
Von Lorena Greppo
Backnang. Der Startzeitpunkt für das Backnanger Stadtticket war denkbar ungünstig: Am 1. April des vergangenen Jahres ging es los, also gerade als die Coronapandemie auch im Rems-Murr-Kreis so richtig angekommen war. Daheimbleiben lautete zu diesem Zeitpunkt die Devise, die Fahrgastzahlen im ÖPNV gingen massiv zurück. Wenig verwunderlich ist es daher, dass gerade am Anfang noch kaum jemand das Stadtticket kaufte. „Der Lockdown war letztes Jahr so nicht absehbar, er war viel länger als gedacht. In den ersten Monaten nach dem Start des Stadttickets in Backnang fehlten dadurch die Fahrtanlässe im Gelegenheitsverkehr“, erklärt eine Sprecherin des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS). Gaststätten und der Einzelhandel waren teilweise geschlossen, es gab keine Sportveranstaltungen, attraktive Ereignisse wie das Straßenfest wurden abgesagt.
Mit 23 Nutzern im Monat habe es angefangen, berichtet Backnangs Erster Bürgermeister Siegfried Janocha. „Schon im Sommer sind es aber deutlich mehr geworden, im Juli und August haben wir etwa 700 Nutzer im Monat gehabt.“ Im Dezember seien es bereits etwa 2000 Stadtticket-Käufe gewesen – und das, obwohl der Landkreis noch mitten in der zweiten Coronawelle steckte und sonst beliebte Anlässe für Busfahrten wie etwa der Weihnachtsmarkt entfielen. Seitdem sind die Nutzerzahlen beim Ticket für Einzelpersonen sogar noch weiter gestiegen. „Seit Juni geht es mit den Fahrgastzahlen wieder gut aufwärts. Mit den Lockerungen gibt es wieder Anlässe, den Gelegenheitsverkehr zu nutzen“, lautet die Einschätzung vonseiten des VVS.
Das vergünstigte Gruppenticket wird nicht ganz so gut angenommen
Das zeige sich auch in steigenden Verkaufszahlen des Stadttickets. „Von Januar bis Juni 2021 sind im Schnitt knapp 3000 Stück verkauft worden. Trotz des längeren Lockdowns ist das nahe an der Prognose.“ Auch Janocha sieht bei den Einzeltickets eine „sehr positive Entwicklung“, fügt aber hinzu: „Beim Gruppenticket läuft es nicht ganz so gut.“ Bei diesem würden im Schnitt 20 bis 30 Verkäufe pro Monat zu Buche schlagen, wenn es gut läuft auch mal 60. „Offenbar scheint das Stadtticket in Gruppen kein großes Thema zu sein und wird eher von Einzelpersonen genutzt“, schlussfolgert der Erste Bürgermeister. Der VVS will, wie Geschäftsführer Horst Stammler bei der offiziellen Startveranstaltung sagte, mit dem Angebot auch vor allem Gelegenheitsfahrer ansprechen. Adressaten seien beispielsweise Bewohner der Stadtteile, die zum Einkaufen in die Stadt fahren, oder auch Ältere, die zu allerlei Besorgungen in Backnang unterwegs sind.
Die Stadt ermöglicht das Angebot durch einen jährlichen Zuschuss, um die fehlenden Einnahmen der Verkehrsunternehmen durch den reduzierten Ticketpreis auszugleichen. Im Vorfeld waren dafür etwa 160000 Euro veranschlagt worden, so Janocha. Die tatsächlichen Kosten für die ersten neun Monate im vergangenen Jahr beliefen sich aber auf lediglich 13700 Euro. Und auch im laufenden Jahr werden die Kosten für die städtische Kasse wohl weit unter der Schätzung liegen. Im ersten Halbjahr seien etwa 30000 Euro angefallen. „Wir wussten nicht, wie das Stadtticket angenommen wird“, erklärt Janocha. Die Schätzungen seien an das Pilotprojekt in Ludwigsburg angelehnt gewesen. „Vielleicht war das etwas überhöht, schließlich ist Ludwigsburg ein anderes Kaliber.“
Wie es mit dem Stadtticket weitergeht, ist noch nicht entschieden. Die aktuelle Entwicklung der Nutzerzahlen sei sehr erfreulich, so der Erste Bürgermeister. Angedacht war ein zweijähriger Probelauf, nachdem entschieden werden sollte, ob man das Projekt weiterführt. Weil aber in der Coronazeit vieles anders war und so keine belastbaren Zahlen vorliegen, gehe die Tendenz dazu, den Probelauf noch zu verlängern, sagt Janocha. Das sei der Tenor in ersten Gesprächen der Beteiligten gewesen, die Entscheidung im Gemeinderat stehe aber noch aus.
Kosten Das Stadtticket bietet klare finanzielle Vorteile: Es kostet drei Euro, gilt den ganzen Tag und kann im ganzen Backnanger Stadtgebiet genutzt werden, in allen Bussen und sogar in der S-Bahn bis Maubach. Im Gegensatz dazu kostet ein normales Einzelticket 2,70 Euro für die einfache Fahrt – und für die Rückfahrt wird noch einmal der gleiche Betrag fällig. Ein Kurzstreckenticket (bis zur 3. Haltestelle nach dem Einstieg) kostet 1,50 Euro – auch hier würde sich das Stadtticket bei mehr als einer Fahrt an einem Tag lohnen. Für Gruppen bis zu fünf Personen kostet das Stadtticket 6 Euro, ein normales Gruppentagesticket für eine Zone im VVS kostet hingegen 10,50 Euro.
Verkauf Das Stadtticket gibt es in den Bussen, an den DB-Automaten, im Bahnhof Backnang und auch als Handyticket über die App „VVS Mobil“.
Pilotprojekt Vor drei Jahren wurde das Stadtticket als Pilotprojekt in Ludwigsburg eingeführt. Dort werden nach Angaben des VVS zu Spitzenzeiten, insbesondere in der Vorweihnachtszeit, bis zu 45000 Tickets in einem Monat verkauft. In der Regel seien es immerhin 30000. Zwar gingen auch dort zu Beginn der Coronakrise die Verkaufszahlen deutlich zurück, erholten sich aber im Laufe der Zeit wieder. Erst im Juni wurde in Ludwigsburg die Marke von einer Million verkauften Stadttickets seit der Einführung übertroffen. Rund 700000 Euro gibt die Stadt Ludwigsburg im Jahr als Zuschuss für das Stadtticket.
Teilnehmer Aktuell bieten im VVS-Gebiet 42 Städte und Gemeinden ein Stadtticket an. Im Rems-Murr-Kreis sind es neben Backnang auch Fellbach, Kernen im Remstal, Waiblingen und Winnenden, seit diesem Jahr auch Korb.
Nutzen Das Stadtticket soll einen Anreiz zum Umsteigen auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und auf die S-Bahn bieten. Damit trägt es zu umweltschonenderem Verkehr bei. Es soll aber auch den innerstädtischen Einzelhandel stärken. Schüler gehören nicht zur Zielgruppe, ebensowenig Berufspendler, da sie Monats- oder Jahreskarten beziehungsweise Scool-Abos haben.