Reform - Das Bundeskabinett plant höhere Mietzuschüsse für Geringverdiener und bekommt dafür viel Applaus.
Berlin Hunderttausende Haushalte in Deutschland bekommen Wohngeld vom Staat, weil sie sich ansonsten ihre Wohnung nicht leisten könnten. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett eine Reform des Wohngeldes auf den Weg gebracht. Ein Überblick.
Frage: Was genau ist das Wohngeld?
Antwort: Es handelt sich um eine Sozialleistung, die bei den Gemeinde- oder Kreisverwaltungen beantragt werden kann und von Bund und Ländern finanziert wird. Mieter erhalten einen Mietzuschuss, Eigentümer selbst genutzter Immobilien einen Lastenzuschuss. Die Berechnung erfolgt auf Grundlage von Haushaltsgröße, Gesamteinkommen und der Höhe der Wohnkosten. Voraussetzung für das Wohngeld ist, dass der Haushalt über ein eigenes Einkommen verfügt.
Frage: Was hat die Große Koalition jetzt vor?
Antwort: Die Höhe des Wohngeldes soll an die allgemeineEntwicklung von Mietenund Einkommen in Höhe der Inflation angepasst werden. Das Innen- und Bauministerium prognostiziert, dass ein Zwei-Personen-Haushalt im Durchschnitt statt 145 Euro Wohngeld pro Monat 190 erhalten wird. Das Wohngeld soll alle zwei Jahre steigen.
Frage: Sind noch weitere Veränderungen geplant?
Antwort: Ja. Die Regierung will die Formel zur Berechnung des Wohngeldes so verändern, dass künftig mehr Haushalte profitieren. Ohne Reform dürfte es nach einer Prognose des Ministeriums im kommenden Jahr rund 480 000 Bezieher geben, mit Reform werden es circa 660 000 Haushalte sein. Die Koalition will überdies die Arbeitsanreize verbessern, zusätzliches Einkommen soll weniger stark angerechnet werden. Geplant ist zudem eine regional gestaffelte Anhebung der Höchstbeträge. Die sogenannten Mietenstufen für Gemeinden und Kreise, die die regional unterschiedlichen Mietniveaus widerspiegeln, sollen aktualisiert werden.
Frage: Wie teuer wird die Reform?
Antwort: Die Bundesregierung rechnet damit, dass sich die Wohngeldausgaben des Staates im kommenden Jahr auf rund 1,2 Milliarden Euro belaufen werden. Das wären 214 Millionen Euro mehr als bisher.
Frage: Was sind die nächsten Schritte?
Antwort: Nach dem Beschluss im Bundeskabinett vom Mittwoch sind nun der Bundestag und der Bundesrat am Zuge. Die Regierung hofft, dass ihre Reform am 1. Januar 2020 in Kraft treten kann. Da die Länder an der Finanzierung des Wohngeldes zur Hälfte beteiligt sind, muss der Bundesrat zwingend zustimmen. Minister Horst Seehofer sagte, er gehe von einer breiten Unterstützung in der Länderkammer aus.
Frage: Sind auch die Kommunen und die Wohnungswirtschaft zufrieden?
Antwort: Größtenteils ja. Die Kommunen und Landkreise haben ein Interesse daran, dass möglichst viele Bedürftige im Wohngeldsystem bleiben und nicht in andere ergänzende Sozialleistungen rutschen – denn das entlastet Gemeinden und Kreise finanziell. Der Wohnungswirtschaftsverband GdW bezeichnete den Gesetzentwurf zum Wohngeld am Mittwoch als „zentralen Beitrag für mehr Gerechtigkeit am Wohnungsmarkt“. Der Mieterbund begrüßte die geplante Anhebung des Wohngeldes und die nun vorgesehene automatische Anpassung. Er forderte jedoch, auch die Heizkosten zu berücksichtigen. Außerdem müsse das Klimawohngeld endlich kommen, damit die deutlich höheren Mieten für energetisch sanierte Wohnungen bezuschusst werden können.
Frage: Wie stellt sich die Situation beim Wohngeld in Baden-Württemberg dar?
Antwort: Ende 2017 bezogen bundesweit rund 592 000 Haushalte Wohngeld, davon 62 300 im Südwesten. Das waren 1,2 Prozent der Privathaushalte in Baden-Württemberg, was in etwa dem Durchschnitt des alten Bundesgebietes (ohne Berlin) entsprach. Im Südwesten lag das durchschnittlich gezahlte Wohngeld bei 170 Euro. Die meisten Bezieher leben in Ein-Personen-Haushalten.
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.wohngipfel-im-kanzleramt-geringverdiener-sollen-mehr-wohngeld-bekommen.75f12005-6477-4172-a5ad-3823c3a2f90e.html