Der Meister der verrückten Boote

BKZ an Bord Mit einem eigenen Boot will unsere Redaktion am 8. Juli bei der Murr-Regatta starten. Im Vorfeld haben wir uns Tipps von einem echten Profi geholt: Henry Haußner hat schon mehr als ein Dutzend Mal den Kreativpreis für das originellste Gefährt gewonnen.

Der Meister der verrückten Boote

Die Minions auf großer Fahrt im Jahr 2014: Mit viel Liebe zum Detail gestalten Henry Haußner (hinten) und sein Team jedes Jahr ein neues Boot. Das soll nicht nur schön aussehen, sondern auch den Felsbrocken in der Murr standhalten. Archivfoto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Die Murr-Regatta wird zwar vom Backnanger Jugendzentrum (Juze) organisiert, doch das heißt nicht, dass nur junge Leute an dem Spaßrennen teilnehmen. Zu den Murr-Regatta-Veteranen gehört Henry Haußner. Der gebürtige Sachse, der nach der Wende von Leipzig nach Backnang gezogen ist, hat seit 1999 keine Murr-Regatta verpasst. Nur dabei zu sein, wäre dem Installateurmeister, der sein Alter nur mit „Ü50“ angibt, allerdings zu wenig. Er fährt auf Sieg – nicht beim Tempo, aber um den sogenannten Kreativpreis, den die Veranstalter jedes Jahr für das schönste Boot vergeben. Mehr als ein Dutzend Mal haben Haußner und seine Crews diesen Preis schon gewonnen. Dafür stecken sie viel Zeit und Mühe in den Bau ihrer Boote.

Die stehen jedes Jahr unter einem anderen Motto: Gerne lässt sich Henry Haußner dabei von aktuellen Kinofilmen inspirieren. So waren er und sein langjähriger Steuermann Werner Ufschlag schon als Minions, Ninja Turtles und Star-Wars-Krieger auf der Murr unterwegs. Früher gingen sie auch schon als Neandertaler, römische Legionäre oder ägyptische Pharaonen ins Rennen.

Etwa zwei Monate vor der Murr-Regatta trifft sich das Team, zu dem auch die beiden Partnerinnen Silvia Ufschlag und Nadine Michel gehören, um den Bootsbau zu planen. Dabei muss das Gefährt zunächst einmal eine wichtige Voraussetzung erfüllen: Es muss schwimmen. In den ersten Jahren haben Henry Haußner und seine damals noch wechselnden Mitstreiter verschiedene Konstruktionen getestet: Aus Brettern, Kanistern und Stangen zimmerten sie sich die abenteuerlichsten Modelle. Sogar ein ausrangiertes Bettgestell (Motto: „Die Bettmans“) und ein umgebautes Dixi-Klo wurden zu Wasser gelassen.

Requisitensuche im Bekanntenkreis

Seit einigen Jahren setzt Haußner allerdings auf Surfbretter als Unterbau. Die haben kaum Tiefgang und liegen stabiler im Wasser als Kanister. Ausrangierte Boards findet er meist im Internet. In seiner Garage zersägt er diese dann in mehrere Teile, setzt sie neu zusammen und verklebt sie mit Epoxidharz. An der Unterseite montiert der Bootsbauer dann noch zwei Wasserrohre als Kufen. Das sei nötig, um die Wehre unbeschadet zu überstehen: „Vor allem das Wehr beim Aldi ist eine Herausforderung. Da gibt es richtige Felsen“, erzählt der Hobbykapitän. Dort hat er schon viele Konkurrenzboote zerschellen sehen. Ihm ist das noch nie passiert, was auch daran liegen dürfte, dass beide Erbauer gelernte Handwerker sind. „Mein Kollege ist Mechaniker, der kümmert sich um die Feinheiten. Ich bin mehr fürs Grobe zuständig“, beschreibt der Installateur die Aufgabenverteilung.

Wenn der schwimmende Untersatz fertig ist, geht es an die Gestaltung. Jetzt sind Kreativität und Erfindungsreichtum gefragt, denn bei allem Ehrgeiz soll das Boot auch keine Unsummen kosten. Im Freundes- und Bekanntenkreis macht sich das Team deshalb auf die Suche nach passenden Requisiten und Materialien. „Man muss halt überall Leute kennen. Irgendeiner hat immer was“, erzählt Haußner. Zum Beispiel alte Papierkörbe, die zu Minions umgestaltet werden, oder den Deckel einer Regentonne, der mit der passenden Bemalung zum Schild von Captain America wird. Auch die Kostüme müssen natürlich zum Motto passen. Diese nähen Silvia Ufschlag und Nadine Michel zum Teil selbst, einige bestellen sie auch im Internet, wo sie sie nach ihrem Einsatz auch wieder weiterverkaufen.

Schon der Bootsbau ist für die befreundeten Paare immer ein großer Spaß. „Wir grillen dazu oder holen uns Pizza“, erzählt Henry Haußner. Auch die Nachbarn kommen dann gerne mal auf ein Bier vorbei, um den Baufortschritt zu begutachten. Etwa vier Wochenenden werden jedes Jahr für den Bootsbau eingeplant, jeweils von Freitagabend bis Sonntagnachmittag.

Seine Jungfernfahrt hat das schwimmende Gefährt dann erst bei der Murr-Regatta: „Früher haben wir die Boote vorher noch getestet, aber mittlerweile vertrauen mir die anderen“, erzählt Haußner und lacht. Während der Fahrt will er den zahlreichen Zuschauern am Ufer dann auch immer ein bisschen Show bieten. Deshalb achtet er darauf, dass seine Boote nicht breiter als 1,10 Meter sind, denn dann kann er damit an der Bleichwiese mit Karacho die schmale Fischtreppe hinuntersausen. Auch ein paar Feuerwerkskörper sind meistens an Bord, die mit großem Getöse gezündet werden.

Unterwegs ist Kondition gefragt

Als entspannten Ausflug auf dem Wasser darf man sich die fünf Kilometer lange Fahrt von Oppenweiler-Zell bis zum Juze aber nicht vorstellen. Wegen der vielen Steine und Felsen müsse man höllisch aufpassen, erzählt der erfahrene Murrkapitän. Bei Niedrigwasser müssen die Besatzungen auch immer wieder von Bord gehen und ihre Boote durchs Wasser ziehen. Im vergangenen Jahr mussten sie diese sogar über quer liegende Bäume heben. „Im Ziel sind wir immer richtig groggy. Das geht auf die Kondition“, erzählt Haußner. Alkoholische Getränke gibt es bei ihm an Bord deshalb auch nur in überschaubaren Mengen.

Nach dem Rennen zerlegen Henry Haußner und Werner Ufschlag ihr Werk dann auch gleich wieder, denn ein Boot, das einmal den Kreativpreis gewonnen hat, darf laut Reglement kein zweites Mal bei der Murr-Regatta starten. Lediglich einzelne Teile, etwa die Unterkonstruktion, werden wiederverwendet. An die Kapitänsrente denken die nicht mehr ganz jungen Murr-Regatta-Profis noch lange nicht. „Wir wollen das pflegen, solange es geht“, kündigt Haußner an. Auch dieses Jahr werden sie wieder ein neues Boot bauen. Zu welchem Thema? „Das ist noch topsecret!“