Der Stern hat sich erst mal erledigt

Motorflugbegeisterte vom Luftsportverein Backnang-Heiningen setzen ein Zeichen: Der rote Stern der russischen Luftwaffe ist nun unter der Nationalflagge der Ukraine verschwunden. Die Jak 52 hat eine Geschichte in beiden Ländern, die sich nun in einem Krieg gegenüberstehen.

Der Stern hat sich erst mal erledigt

Matthias Greber ist einer der Besitzer dieses Flugzeugs mit russisch-ukrainischer Vergangenheit. Nun wurde dem Flugzeug die ukrainische Flagge verpasst. Fotos: Alexander Becher

Von Andreas Ziegele

Backnang. Seit rund sieben Jahren befindet sich die zweisitzige Jakowlew Jak 52 im gemeinsamen Besitz von vier Vereinsmitgliedern des Luftsportvereins Heiningen. Sie gehört Matthias Greber, dem Vorsitzenden des Vereins, Alfred Kohler, der im Hauptberuf Flugkapitän bei Condor ist, Philipp Debus, selbstständiger Flugzeugwart und Werkstattleiter des Vereins, sowie einem Luftwaffenoffizier der Bundeswehr, dessen Name hier nicht genannt werden soll. Alle vier haben einen Kunstflugschein und sind somit in der Lage, diese Maschine auch zu fliegen.

Auffällig an diesem ehemaligen sowjetischen Militärflugzeug war bis vor einigen Wochen auch ein fünfzackiger roter Stern der russischen Luftwaffe am Heck, dem Rumpf und auf den Tragflächen. Nun ist dort die Nationalflagge der Ukraine zu sehen. Zum Überkleben des Sterns kam es, nachdem Alfred Kohler seine Mitbesitzer gefragt hatte: „Wer möchte mit der Maschine und dem russischen Stern im Moment irgendwo hinfliegen?“ Keiner wollte das und so verschwand der Stern hinter der ukrainischen Flagge. „Wir möchten damit keine Politik machen und haben auch nichts gegen Russen“, betont Matthias Greber. „Allerdings wollen wir schon zeigen, dass wir den Krieg nicht in Ordnung finden und sehen unsere Aktion deshalb als einen symbolischen Akt.“ Die Beflaggung von Flugzeugen ist nicht geregelt und daher ist auch keine Genehmigung bei einem Wechsel notwendig.

Dabei hat die Jak 52 eine Geschichte in beiden Ländern, die sich jetzt in einem Krieg gegenüberstehen. Die Maschine, die auf dem Heininger Flugplatz steht, wurde in den 80er-Jahren als sogenannter Trainer für russische Jetpiloten gebaut und kam dort in der Ausbildung zum Einsatz. Den gleichen Zweck erfüllte das Fluggerät dann ab dem Jahr 2001 bei der ukrainischen Luftwaffe. Wie lange sie dort im Einsatz war, kann Matthias Greber nicht genau sagen: „Diese Jak 52 ist aber schon viele Jahre in Deutschland.“ Die Heininger Sportflieger haben die Maschine aus Privatbesitz im norddeutschen Rottenburg an der Wümme gekauft. Den Wert der Jak beziffert Greber „auf ungefähr 70000 bis 80000 Euro“. „Für relativ wenig Geld bekommt man viel Aluminium“, sagt Greber nicht ganz ernst gemeint. Wer eine solche Maschine heute erstehen will, muss dafür tief in die Tasche greifen. „Derzeit gehen die Preise für Flugzeuge dieser Art durch die Decke“, sagt der Vereinsvorsitzende. Warum das so ist, weiß er nicht, hat aber eine Vermutung: „Ich glaube, einige Leute haben momentan viel Geld und wissen nicht, wohin damit. Dann kaufen sie eben ein bewegliches Gut.“ Der Wertzuwachs, der hier erhofft wird, ist vergleichbar mit dem Markt für automobile Oldtimer.

Eine Begründung für den Anschaffungspreis ist mit Sicherheit aber auch die Verarbeitung der Jak 52 und ihrer Gesamtmetallkonstruktion. „Sie ist militärisch verarbeitet. Sehr viele Bleche sind mit geschnittenen Gewinden versehen und verschraubt und nicht genietet. Aber mit dem Kauf allein ist es noch nicht getan. Alle 750 Flugstunden und mindestens einmal jährlich muss die Maschine wie alle Flugzeuge überprüft werden. Die Jak 52 in Heiningen hat eine litauische Zulassung, wie auf dem Kennzeichen LY am Heckflügel zu erkennen ist. „In Deutschland gibt es für diesen Flugzeugtyp keine Musterzulassung“, erläutert Matthias Greber. Mit Ausnahme von Deutschland kann die Maschine in vielen Ländern zugelassen werden. „Wir hatten schon ein russische, san-marinesische und eine polnische Zulassung“, sagt er. Aufgrund der litauischen Zulassung kommen nun einmal im Jahr für ein bis zwei Tage drei litauische Mechaniker zur Inspektion der Maschine nach Heiningen. Greber: „Dabei wird die Maschine nahezu komplett zerlegt und wieder zusammengebaut.“ Dafür gibt es dann ein Zertifikat vergleichbar mit einer Tüv-Plakette, und die Jak 52 kann wieder ein Jahr geflogen werden.

Die Flugeigenschaften sind es auch, die Matthias Greber fast ins Schwärmen geraten lassen. „Die Jak ist treuherzig und ehrlich zu fliegen. Sie liegt wie ein Brett in der Luft.“ Das liegt nach seinen Worten am Gewicht und an der besonderen Flügelform. Greber selbst fliegt schon seit zwölf Jahren diesen Flugzeugtyp und verweist auch auf die Kunstflugeigenschaften. „Sie ist voll kunstflugtauglich bei G-Kräften von plus 7G bis minus 5G“, erklärt er. Beim Standstart ist es dann allerdings mit der vermeintlichen Ruhe beim Flug vorbei. Mit merkwürdigem Pfeifen und Zischen erwachen die 360 PS des Neun-Zylinder-Sternmotors zum Leben. Der Anlasser funktioniert dabei mit Druckluft – eine Lochscheibe füllt nacheinander die Zylinder mit Luft und bringt so den Motor in Gang. Auch die Bremsen, Klappen und das Fahrwerk werden pneumatisch betrieben. Aber für den begeisterten Flieger ist das kein Lärm, sondern ein „dunkler, angenehm grollender Sound“.

Der Stern hat sich erst mal erledigt

Matthias Greber (rechts) und Günter Ziegler auf dem Hangar in Heiningen. Ihre Aktion wendet sich nicht gegen Russen, aber gegen den Krieg Putins gegen die Ukraine.

Technische Daten

Die Jak 52 in Zahlen Sie hat einen benzinbetriebenen 9-Zylinder-Sternmotor mit elf Litern Hubraum. Das Tankvolumen beträgt 120 Liter. Der Verbrauch: 60 Liter pro Reiseflugstunde. Länge: 7,74 Meter. Leergewicht: 1015 Kilogramm. Steiggeschwindigkeit: 7,0 Meter pro Sekunde. Startrollstrecke: 170 Meter. Landerollstrecke: 300 Meter.