„Derzeit sind noch nicht alle Plätze belegt“

Notübernachtungsstelle für Wohnungslose in Backnang hat noch Kapazitäten frei – Momentan noch kein Bedarf für Kältebus im Rems-Murr-Kreis

Frost, Temperaturen im Minusbereich und kein Dach über dem Kopf: Wohnungslose leiden zu dieser Jahreszeit mehr als jeder andere Mensch. Während es in Großstädten wie etwa Stuttgart sogenannte Kältebusse gibt, bietet in Backnang die Erlacher Höhe Notübernachtungsplätze – diese sind aber aktuell nicht alle belegt.

„Derzeit sind noch nicht alle Plätze belegt“

Wohnungslose gibt es auch im Rems-Murr-Kreis. Tagsüber sieht man sie ab und an auf den Straßen, doch nachts finden die meisten einen Platz in einer Notunterkunft und müssen bei Minustemperaturen nicht draußen schlafen. Foto: Imago

Von Silke Latzel

BACKNANG. Es gibt vermutlich nur wenige Menschen, die Temperaturen um den Gefrierpunkt herum angenehm finden – und die Mehrzahl ist froh, wenn sie wieder in ihrem warmen Zuhause sind, sich einen Tee kochen und in eine dicke Decke einmummeln können. Doch was, wenn man kein solches Zuhause hat und – aus welchen Gründen auch immer – auf der Straße lebt?

„Wir haben derzeit nicht mehr Zulauf als im Sommer“

Anton Heiser, Abteilungsleiter der ambulanten Hilfen Rems-Murr beim Sozialunternehmen Erlacher Höhe, kennt sich mit diesem Thema aus. Und er weiß, dass die Situation der Obdachlosen in Backnang und Umgebung eigentlich nicht mit der in Großstädten zu vergleichen ist: „Es gibt hier nicht viele Wohnungslose, die um diese Jahreszeit noch draußen sind, vor allem nachts.“ Man versuche die Menschen, von denen bekannt ist, dass sie auf der Straße leben, schon vorab zu erreichen und sie in Unterkünften unterzubringen. „In Backnang gibt es beispielsweise eine Notübernachtungsstelle mit vier Plätzen, dort könnten wir bei Bedarf noch weitere Matratzen reinlegen und so noch mehr Menschen aufnehmen.“

Das sei momentan allerdings nicht nötig, denn „soweit ich weiß, sind die vier Betten aktuell gar nicht alle belegt. Wir haben hier gerade nicht mehr Zulauf als im Sommer auch“, so Heiser. In der Notunterkunft steht neben Schlafplätzen auch ein Aufenthaltsraum mit Küchenzeile zur Verfügung. Ob die Plätze in den kommenden Tagen alle belegt sein werden, wisse man natürlich auch nicht im Voraus: „Die große Unbekannte ist wie immer die Temperatur draußen.“

Heiser könne zwar nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass es irgendwo im Rems-Murr-Kreis tatsächlich Obdachlose gibt, die in Bahnhöfen oder unter Brücken schlafen, aber man sei mit und in vielen Netzwerken unterwegs. „Und wenn jemand auf Wohnungslose treffen würde, die auch nicht in einer Notunterkunft schlafen könnten, dann wäre uns das bekannt. Wir sind natürlich keine Straßensozialarbeiter und laufen nachts auch nicht durch die Städte, aber wir haben die Situation im Auge.“

Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ist beim Thema Kälte und Wohnungslosigkeit aufmerksam. Christian Siekmann, beim DRK-Kreisverband Rems-Murr zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, sagt: „Das Thema Kältebus ist durchaus interessant und wir sind immer auf der Suche nach Ideen und Angeboten, die auch für unseren Kreisverband interessant sein könnten. Sollte es hier Bedarf geben, werden wir die Angelegenheit prüfen. Allerdings ist ein DRK-Kältebus für den Rems-Murr-Kreis derzeit kein Thema, da es aufgrund der eher ländlichen Struktur im Kreis hier deutlich weniger Bedarf gibt als in Stuttgart.“

Wie viele Menschen, die tatsächlich „auf der Straße leben“, es im Rems-Murr-Kreis eigentlich gibt und wie viele somit von der Kälte betroffen sein könnten, lässt sich statistisch nicht erfassen, das bestätigen sowohl Heiser als auch Siekmann. Der DRK-Sprecher: „Vom Landratsamt Rems-Murr wissen wir, dass die meisten Menschen sich immer wieder nur tageweise auf der Straße befinden und vorübergehend in Notübernachtungen oder bei Bekannten unterkommen können.“

Auch Heiser sagt, dass man keinen genauen Überblick habe: „Solche Zahlen zu ermitteln, ist sehr schwer. Wenn man nachts jemanden auf der Straße sieht, dann ist der Fall klar. Aber nur weil sich jemand tagsüber draußen aufhält, bedeutet das nicht automatisch, dass derjenige nicht irgendwo übernachten kann.“

Info
Was ist ein Kältebus?

Ein Kältebus ist ein Angebot in der Obdachlosenhilfe. Zwischen November/Dezember und Februar/März fahren haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen nachts durch Großstädte und suchen Obdachlose auf. Die Mitarbeiter bieten Hilfe in Form von heißen Getränken, Kleidung oder einem warmen Schlafsack an.

Wer aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht selbst in der Lage ist, eine Notschlafstelle aufzusuchen, bekommt das Angebot, in eine Notübernachtung gebracht zu werden. Erfolgreich ist das Konzept natürlich nur, wenn es von den Obdachlosen akzeptiert wird.

Das Stuttgarter Rote Kreuz stellt seit Dezember 2013 mit einem eigenen Fahrzeug und ehrenamtlichen Kräften den Kältebus in Stuttgart. Der Kältebus kümmert sich um hilfsbedürftige Wohnungslose im Stadtgebiet Stuttgart. Er kommt bei Temperaturen ab 0 Grad Celsius zum Einsatz und fährt von 22 bis 2 Uhr von Stuttgart-Vaihingen, -Mitte bis nach -Bad Cannstatt und -Hedelfingen 13 Stationen im ganzen Stadtgebiet an. Die Route ändert sich täglich – je nach Meldungen vom Sozialamt, Streetworkern oder Anrufen über die Kältebus-Hotline.