Bei einem Ereignis wie zum Beispiel Starkregen könnten viele Menschen auf die Hilfe von Ehrenamtlichen angewiesen sein. Auf dem Foto wird der Ernstfall im oberen Murrtal geprobt, im Rahmen einer kreisweiten Übung. Archivfoto: Tobias Sellmaier
Von Anja La Roche
Rems-Murr. Die Überflutungen im Ahrtal, die Coronapandemie, die vielen Flüchtlinge im Zuge des Ukrainekriegs – die jüngsten Krisen haben gezeigt, wie wichtig Personen sind, die im Ernstfall alles stehen und liegen lassen und zur Hilfe eilen. „Wenn etwas Größeres ist, brauchen wir jeden Einzelnen“, sagt Florian Hambach, Beauftragter für die Malteser im Rems-Murr-Kreis. Als sich die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer der katholischen Hilfsorganisation bei der Flutkatastrophe im Ahrtal eingesetzt haben, sei klar geworden, dass der Bevölkerungsschutz auf eine solidere Grundlage gestellt werden müsse. Deshalb fordert der Landesverband der Malteser nun die Finanzierung eines neuen bundesweiten Dienstformats, das mehr Menschen motivieren soll, sich längerfristig ehrenamtlich zu engagieren. Grundsätzlich berichten die hiesige Hilfsorganisationen allerdings von einer stabilen Nachwuchssituation.
57 Ehrenamtliche im Bereich Bevölkerungsschutz
„Wir sind derzeit 57 Ehrenamtliche im Bereich Bevölkerungsschutz“, beschreibt Hambach die aktuelle Personalsituation im Kreis. „Wir sind gut aufgestellt.“ Im Falle eines Einsatzes wären sie zufrieden, wenn davon 15 bis 20 Personen einspringen können, um die zwei vom Landkreis gestellten Fahrzeuge zu nutzen. Um ein größeres Back-up an Helfern im Katastrophenfall aufzubauen, sei es allerdings notwendig, die Leute länger an sich zu binden. „Wir arbeiten viel mit Schulsanitätsdiensten zusammen“, erklärt Hambach das zentrale Instrument, mit dem die Malteser ihren Nachwuchs generieren. Das sei allerdings nur bedingt nachhaltig, weil viele der jungen Leute nur ein Jahr nach der Schule bleiben und sich dann vollends ihrem Studium oder ihrer Ausbildung widmen. Eine weitere Schwierigkeit sei, dass viele der aktiven Ehrenamtlichen in Berufen arbeiten, in denen sie im Ernstfall gar nicht wegkönnen. Dabei gehe es etwa um Berufe im Gesundheitsbereich oder bei der Polizei.
Vier Jahre würden sich die Freiwilligen bei den Maltesern selbst verpflichten
Das neue Dienstformat, das die Malteser den Gesellschaftsdienst für Bevölkerungsschutz nennen, soll hierbei langfristig Personal rekrutieren. Und auch Menschen ansprechen, die zum Beispiel eine Bankausbildung gemacht haben oder als Lehrer arbeiten. Vier Jahre würden sich die Leute im Rahmen des Gesellschaftsdiensts den Maltesern verpflichten, so der Vorschlag. Konkret versprechen die Teilnehmer damit, Fortbildungen und Übungen von mindestens 40 Stunden pro Jahr zu absolvieren. Und sie verpflichten sich dazu, alle behördlich angeordneten Einsätze und Übungen wahrzunehmen. Auch eine Variante in Vollzeit möchten die Malteser im Rahmen eines solchen Diensts anbieten.
Die Ausbildung würde sich nicht wirklich ändern, erklärt Hambach. Vielmehr gehe es um die Finanzierung. Dadurch, dass der Bund die Ausbildung der Teilnehmer übernehmen würde, müssten sie die Lehrstunden nicht am Wochenende oder in ihrem Urlaub leisten. Sondern sie würden eine Lohnersatzzahlung oder eine Aufwandsentschädigung erhalten, je nachdem ob sie berufstätig sind oder nicht. Das soll auch die Ungleichbehandlung zwischen Helfern der staatlichen und privaten Hilfsorganisationen reduzieren.
Durch das neue Dienstformat sollen langfristig größere Material- und Personalreserven aufgebaut werden. Mehr qualifizierte Helfer sollen im Notfall bereit sein, um sowohl im medizinischen, pflegerischen als auch technischen Bereich Hilfe leisten zu können. „Es geht darum, Leute für den Katastrophenfall vorzubereiten“, fasst Hambach das Anliegen zusammen.
Wenn beispielsweise Tausende Menschen aufgrund einer Naturkatastrophe ihr Heim verlieren, könnten die ausgebildeten Leute etwa eine Unterbringung in einer Turnhalle auf die Beine stellen. Oder sie könnten sich im pflegerischen Bereich qualifizieren und einspringen, „wenn zum Beispiel ein Pflegeheim evakuiert werden muss“.
Bei den anderen Hilfsorganisationen ist die Vorbereitung auf größere Einsätze ebenfalls ein Thema. „Ein großes Helferpotenzial ist wichtig, denn der Bevölkerungsschutz dient dazu, die Auswirkungen schwerer Notlagen zu begrenzen und zu bewältigen“, sagt Christian Siekmann vom Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). 55 Helfer des DRK-Kreisverbands Rems-Murr waren 2021 im Ahrtal aktiv und 70 haben bislang im Ankunftszentrum in Waiblingen geholfen, die ankommenden ukrainischen Geflüchteten zu versorgen.
Das Interesse an einer Sanitätsausbildung hat zugenommen
Das DRK ist mit insgesamt rund 900 aktiven Ehrenamtlichen die größte Hilfsorganisation im Landkreis. Die positive Nachricht ist auch hier, dass es gut aussieht, was den Nachwuchs angeht. „Wir haben gute Zahlen, sogar bessere als vor Corona“, berichtet Siekmann. In den vergangenen Jahren habe das Interesse an einer Sanitätsausbildung zugenommen. Initiativen, die den Nachwuchs im Bevölkerungsschutz fördern, begrüße das DRK dennoch, sagt Siekmann. „Das betrifft unter anderem die gesellschaftliche Aufwertung dieser Tätigkeit als auch die Freistellung von Einsatzkräften durch den Arbeitgeber im Einsatz und bei Aus- und Fortbildungen.“
Auch bei den Backnanger Ortsgruppen der Organisation Technisches Hilfswerk (THW), bei der freiwilligen Feuerwehr sowie der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) gibt es genügend Nachwuchs. „Wir sind die vergangenen Jahre leicht wachsend“, berichtet Steffen Hoffmann vom THW. Mehr als 80 Personen sind derzeit in Backnang einsatzbefähigt, haben also die notwendigen Impfungen und Ausbildungen. Mit den Alt- und Reservehelfern sowie rund 25 Junghelfern im Alter zwischen sechs und 17 Jahren sind es über 150 Personen. „Mehr Personal ist natürlich grundsätzlich schön, aber dafür brauchen wir auch den Platz, die Einsatzleiter und das Material“, sagt Hoffmann. Neben den alltäglichen Einsätzen, bei denen sie Polizei und Feuerwehr unterstützen, steht auch bei ihnen der Katastrophenschutz oben an. Das THW Backnang hat vergangenes Jahr etwa mehrere Transportfahrten nach Polen, Rumänien und Moldawien geleistet, um kriegsbetroffene Ukrainer zu unterstützen.
Zusammenarbeit mit Kindergärten und Schulen
Dass es gut läuft mit dem Nachwuchs, liegt laut Hoffmann auch an den vergangenen Krisen. Den Menschen wäre dabei bewusst geworden, wie wichtig der Bevölkerungsschutz ist. „So blöd es klingt, aber die ganzen Naturkatastrophen sind die beste Werbung für uns“, sagt er. Ein weiteres zentrales Instrument, um neuen Nachwuchs zu generieren, sei zudem die Zusammenarbeit mit Kindergärten und Schulen. Ob die Interessierten dann zum THW kommen, einer staatlichen Organisation, oder zu einem anderen Hilfsverband gehen, sei irrelevant. „Wenn sich bei uns beispielsweise jemand meldet, der gerne schwimmt, dann leiten wir ihn an das DLRG weiter“, sagt er. Das Vorhaben der Malteser sieht Hoffmann, der auch Landessprecher für das THW ist, daher auch als positives Signal für die anderen Organisationen im Bevölkerungsschutz.