Eigene Backbone-Pläne bleiben Faustpfand

Landrat Sigel setzt beim Aufbau eines Breitbandnetzes im Kreis große Hoffnungen auf die Zusammenarbeit mit der Telekom

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN. Der Landkreis stellt seine Pläne für schnelles Internet an Rems und Murr vorerst zurück – bis zum Herbst. Bis dahin sollte klar sein, ob die Telekom ihre Zusage realisiert, für ein leistungsfähiges Glasfasernetz in der Region zu sorgen, wie dies gestern in Stuttgart verkündet wurde. Bisher hatte der Landkreis Pläne verfolgt, im Schulterschluss mit den benachbarten Landkreisen und dem Verband Region Stuttgart ein eigenes Backbone-Netz aufzubauen. Dieses wäre dann nicht mehr erforderlich.

Landrat Richard Sigel unterstrich gestern im Umwelt- und Verkehrsausschuss, die bisherige Strategie sei richtig gewesen, um Druck aufzubauen: Wenn es zu dem lange Zeit befürchteten Marktversagen beim Breitbandausbau käme, wäre man bereit gewesen, das Thema vonseiten der öffentlichen Hand anzupacken.

Sigel fand sich dabei gleichwohl in einer zwiespältigen Situation – „zwischen Gasgeben und Handbremse“, wie er sagte. Und auch jetzt will er die Sache nicht für komplett abgehakt ansehen: Bisher handle es sich seitens der Telekom um eine reine Absichtserklärung. Er erinnerte an Defizite in der Vergangenheit, die das Unternehmen nun mit einem Schlag ausräumen wolle, indem es in der Region über eine Milliarde Euro investiert. Doch für Sigel ist diese Zusage erst endgültig eingetütet, wenn die Telekom die entsprechenden Verträge mit allen 179 Städten und Gemeinden in der Region abgeschlossen hat. Dennoch: „Die Telekom lässt sich auf Verbindlichkeit ein“, schilderte der Erste Landesbeamte Michael Kretzschmar seinen positiven Eindruck.

„Wir machen jetzt schon einen Richtungswechsel“, wunderte sich Jürgen Hofer (FDP/FW): Anfangs sei es doch darum gegangen, dass man nicht in Abhängigkeit kommen wolle. Wenn man aber nun, nachdem die Telekom einsteigt, noch einmal den Hebel umlegen wolle, so warnte er, „läuft uns die Zeit weg“. Man müsse jetzt rasch die nötigen Strukturen in der Region und im Kreis aufbauen. Klaus Riedel (SPD) unterstrich derweil – ebenso wie zuvor Willy Härtner (Grüne) – die Bedeutung eines leistungsfähigen Netzes als Daseinsvorsorge.

„Wir hoffen stark“, mahnte auch Albrecht Ulrich (Freie Wähler), „dass wir es mit der Telekom hinkriegen.“ Die eigene Planung für die Datenautobahn stellt aus seiner Sicht ein Faustpfand dar, über das der Landkreis nach wie vor verfügt. Ähnlich sprach auch Christoph Jäger (CDU) von einer Drohkulisse, die der Landkreis aufgebaut habe. Gleichzeitig äußerte er sich zuversichtlich: „Jetzt sind wir in der richtigen Richtung unterwegs.“ Wichtig sei, dass keine Doppelstrukturen aufgebaut und auch die Ressourcen der Privatwirtschaft genutzt würden.

„Wir hängen meilenweit hinterher“, beklagte Jäger gleichzeitig mit Blick auf andere Länder, die beim schnellen Internet riesigen Vorsprung haben. Dass diese Klage nicht den Landkreis trifft, unterstrich Landrat Sigel. Er hielt fest: „Wir haben ordentlich Dampf gemacht.“

Zugang zu Glasfasernetz soll

verbindlich gesichert werden

Gestern haben sich die fünf Landkreise um Stuttgart, die Landeshauptstadt und die Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart mit der Deutschen Telekom auf eine Kooperation geeinigt: Gemeinsam soll ein verbindlicher Plan zum Breitbandausbau in der Region entwickelt werden. Konkret: Bis 2025 sollen alle Gewerbe-, Dienstleistungs- und Industrieunternehmen in Gewerbegebieten sowie 50 Prozent der Privathaushalte Zugang zu einem glasfaserbasierten Breitbandanschluss haben. Bis 2030 sollen dann 90 Prozent der Privathaushalte an das Glasfasernetz angeschlossen sein.

Die Kooperation mit der Telekom stelle eine Chance dar: Im Rems-Murr-Kreis könne eine zukunftsfähige digitale Infrastruktur entstehen, resümierte Sigel nach der Unterzeichnung der Absichtserklärung. Die Priorität liege für ihn auf den ländlichen unterversorgten Kommunen, Gewerbestandorten und Schulen. Durch die Kooperation gewinnen der Landkreis sowie die Städte und Gemeinden Planungssicherheit. Der schnelle und erhöhte eigenwirtschaftliche Ausbau der Telekom verringere die Kosten für öffentlich finanzierte Ausbauaktivitäten. Insgesamt knapp 300 Millionen Euro kostet der Breitbandausbau im Kreis. Knapp 200 Millionen Euro übernimmt davon die Telekom. In der Region fallen Kosten von 1,1 Milliarden Euro an. Die öffentliche Hand steuert weitere 500 Millionen Euro bei, teils durch Fördermittel von Bund und Land, teils durch Einsparungen, die die Telekom bei der Mitverlegung beziehungsweise Nutzung vorhandener Leerrohre erzielt. Dem Kreistag soll der Vertrag mit der Telekom bis 19. November zur Beschlussfassung vorgelegt werden.