Ein Blutbad aus Rache für ein Blutbad?

Sri Lankas Regierung: Anschläge als Reaktion auf antimuslimisches Attentat in Neuseeland – Islamischer Staat bekennt sich

Von Agnes Tandler

Sri Lanka galt bislang nicht als Land mit einer gewaltbereiten Islamistenszene. Doch dass alle sieben Attentäter von der Tropeninsel stammen, überrascht Experten nicht.

Dubai/Colombo „Selbst während des Bürgerkriegs habe ich keine solchen Begräbnisse gesehen“, sagt Shameera Rodrigo, Priester der St.-Sebastian-Kirche in Negombo. Sri Lanka trauert um die Opfer der blutigen Osteranschläge auf Kirchen und Hotels, bei denen mindestens 321 Menschen ums Leben kamen – davon 45 Kinder. In Negombo, wo über hundert Gläubige bei der Ostermesse starben, fand am Dienstag die erste Massenbeerdigung statt. Fast jedes zweite Haus des Orts hat einen Toten begraben.

Am Dienstag kursierten verstörende Videoauszeichnungen, die offenbar den Selbstmordattentäter zeigen, wie er mit einem großen Rucksack zum Seiteneingang der Kirche in Negombo läuft. Er stoppt kurz, um einem Kind über den Kopf zu streichen, und setzt dann seinen Weg fort. Sekunden später zündet er seinen Sprengsatz.

Am Ostersonntag attackierten sieben Selbstmordattentäter fast gleichzeitig drei Kirchen und vier Hotels. Sri Lankas Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene sagte, dass Islamisten die Anschlagsserie aus Rache für das Moscheemassaker im neuseeländischen Christchurch verübt hätten. Im März tötete ein Rechtsextremist dort in zwei Moscheen 50 Menschen. „Vorläufige Untersuchungen haben ergeben, dass die Geschehnisse in Sri Lanka ein Vergeltungsschlag für den Angriff auf Muslime in Christchurch waren“, sagte Wijewardene. Verantwortlich sei die islamistische Gruppe National Tawheed Jamath (NTJ). Die Organisation habe aber Hilfe eines internationalen Netzwerks gehabt, so der Minister. Wenig später bekannte sich die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) zu der Attentatsserie, ohne Beweise zu liefern. Der IS hatte zahlreiche Kämpfer aus Sri Lanka für den Krieg in Syrien rekrutiert. Die Organisation hat in der Vergangenheit Anschläge auf Kirchen in Indonesien, auf den Philippinen und in Ägypten verübt.

Die weitgehend unbekannte NJT war bislang nicht auf dem Radar der Behörden in Sri Lanka aufgetaucht. Die 2014 im Osten der Insel gegründete Gruppe galt mehr als Spinnertrupp, der das Burka-Tragen für Frauen durchsetzen wollte. Doch ihr Gründer, Zahran Hashim alias Abu Ubaida, soll der Selbstmordattentäter gewesen sein, der sich im schicken Restaurant des Shangri-La-Hotels in die Luft sprengte. Sein Bruder soll den Anschlag im Cinnamon-Grandhotel verübt haben. Die beiden Brüder stammen aus einer reichen Familie von Gewürzhändlern. Alle sieben Selbstmordattentäter waren Bürger von Sri Lanka. Offenbar war noch ein Anschlag auf ein fünftes Hotel in Colombo geplant gewesen. Am Dienstag schloss das Shangri-La ohne eine Vorwarnung seine Türen für Gäste.

Indien und die USA hatten Sri Lanka bereits Anfang April konkrete Warnungen zukommen lassen, wonach die NJT zu Ostern Anschläge plane. Doch die Regierung in Sri Lanka, die sich zehn Jahre nach dem Bürgerkrieg im Land mehr Sorgen um eine Wiedergeburt der Tamil-Tiger-Separatisten machte, nahm die Warnungen offenbar nicht besonders ernst.

Die bei Urlaubern beliebte Tropeninsel im Indischen Ozean war bislang von islamistischem Terror verschont geblieben. Sri Lankas muslimische Gemeinschaft, die zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht, gilt als moderat und trat bislang nicht durch radikale Ansichten in Erscheinung. Doch in den letzten Jahrzehnten war das Leben für Muslime keineswegs rosig gewesen. Während des Bürgerkrieges hatten tamilische Separatisten im Norden und Osten des Landes große Teile der muslimischen Bevölkerung brutal vertrieben. Nach Ende des Bürgerkriegs waren es die siegreichen Singhalesen, die mehrheitlich buddhistisch sind, die die Muslime ausgrenzten, angriffen und schikanierten. Bei mehrtägigen antimuslimischen Ausschreitungen wurden 2014 mindestens vier Menschen getötet und 80 verletzt.

All dies bietet einen idealen Nährboden für eine Radikalisierung junger Muslime. Dies blieb auch der muslimischen Gemeinschaft selbst nicht verborgen. Hilmy Ahamed, Vizepräsident des Muslim-Rates von Sri Lanka, hatte die Behörden bereits vor drei Jahren persönlich vor der NJT gewarnt, nachdem er auf ihre Hassbotschaften in den sozialen Medien gestoßen war. Es gab zudem auch Sorgen, dass Kämpfer des IS, die aus dem Mittleren Osten nach Sri Lanka zurückgekehrt sind, eine neue Gefahr für die Tropeninsel darstellen könnten.

Besonders tragisch an der Attentatsserie ist, dass das Land gerade dabei war, die Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Der Tourismus boomt. Doch diese Entwicklung könnte nun zu Ende gehen. Unter den Toten sind auch 38 Touristen.