Der ewige Thronfolger ist endlich König – und kann nicht so viel bewirken wie er sich vielleicht wünschen würde. Und noch ein zweites Problem dürfte Charles III. umtreiben: Großbritanniens Jugend fremdelt mit der Monarchie.
König Charles III. und Königin Camilla beim „State Opening of Parliament“.
Von Theresa Schäfer
Man könnte fast glauben, bei Netflix habe man es sich zum Ziel gesetzt, König Charles III. möglichst unangenehme Geburtstagspräsente zu machen. Als der britische Monarch im vergangenen Jahr 74 wurde, stand die Ausstrahlung der brisanten Doku „Harry & Meghan“ kurz bevor, in der sein Zweitgeborener dreckige Wäsche wusch. Zwei Tage nach Charles’ 75. Geburtstag an diesem Dienstag veröffentlicht der Streamingdienst die sechste und letzte Staffel des Windsor-Epos „The Crown“, in dem der heutige König bekanntermaßen nicht eben schmeichelhaft porträtiert wird.
Doch insgesamt ist es ruhiger geworden ums Hause Windsor, das seit dem Abgang von Prinz Harry und Herzogin Meghan, vom britischen Boulevard auf das griffige Schlagwort „Megxit“ gebracht, im Jahr 2020 von innerfamiliären Turbulenzen ordentlich durchgerüttelt wurde. Zuletzt hat das Störfeuer aus dem kalifornischen Montecito, wo die Sussexes inzwischen leben, aber nachgelassen. Zwischen der US-amerikanischen Westküste und London hat sich großes, wahrscheinlich ziemlich erbittertes Schweigen breitgemacht. Die „Yellow Press“ stürzt sich indes weiterhin mit Gusto auf jede, noch so kleine transatlantische Differenz. Zum Beispiel die Frage, ob Harry und Meghan nicht eingeladen sind zu der kleinen Geburtstagsfeier, die Charles zum 75. geplant hat, oder die Einladung nach London ausschlugen.
Drei Tage „pomp and circumstance“
Sechs Monate ist es her, dass König Charles III. in der Westminster Abbey gekrönt wurde. Drei Tage lang erging sich Großbritannien in „pomp and circumstance“. Sichtlich war man im Palast aber auch darum bemüht, der uralten Krönungszeremonie ein modernes, inklusives Gewand zu geben: Ein Gospelchor sang, alle Religionen, alle Landesteile, alle Kulturen hatten ihren Auftritt. Nicht alter Adel saß in der Londoner Kathedrale, sondern Menschen, die sich durch gesellschaftliches Engagement auszeichneten. Am Montag nach der Krönung waren Britinnen und Briten dazu aufgerufen, sich beim „Big Help Out“ an Aktionen zu beteiligen, die anderen zugute kommen.
Am Krönungstag gab es aber auch Proteste von Monarchiekritikern, die unter dem Motto „Not my King“ in London auf die Straße gingen. Einige Demonstranten wurden festgenommen. Wenn König Charles und Königin Camilla durch ihr Königreich reisen, werden sie häufig von solchen Protesten empfangen. Seit dem Tod von Queen Elizabeth II. ist vor allem unter jungen Leuten die Diskussion über den Sinn der Monarchie neu entbrannt. Doch laut einer Umfrage aus dem September wollen 62 Prozent der Briten auch weiterhin in einem Königreich leben. 60 Prozent der Befragten sind mit König Charles zufrieden – beliebter sind nur sein Sohn Prinz William (74 Prozent Zustimmung), seine Schwester Prinzessin Anne (73 Prozent) und seine Schwiegertochter Prinzessin Kate (72 Prozent). Doch bei den Jüngeren ist die Liebe zu den Royals erkaltet: Unter den 18- bis 24-Jährigen sprachen sich in der Umfrage nur 37 Prozent für die Monarchie aus.
Was kann Charles bewirken?
In einer konstitutionellen Monarchie hat der König keine echte Macht, er kann nur durch Gesten und Worte wirken. Nach seinem Besuch in Kenia Anfang November zeigten sich einige enttäuscht, weil Charles sich nicht deutlicher für die Verbrechen entschuldigt habe, die im Namen des Empire in der ehemaligen britischen Kolonie begangen wurden. Doch der König muss sich jede seiner Reden von der Downing Street absegnen lassen.
Viele hatten die Hoffnung, ein „grüner König“ Charles könnte Tempo machen beim Klimaschutz. Schließlich war er schon Umweltschützer, als man damit noch als schrullig galt. Doch die Regierung Truss versagte dem König im vergangenen Jahr kurzerhand die Teilnahme an der Weltklimakonferenz. Bei der COP 28 im Dezember in Dubai wird er aber dabei sein. Schwer dürfte dem König auch die erste Ankündigung gefallen sein, die Premierminister Rishi Sunak ihm bei seiner „King’s Speech“ zur Parlamentseröffnung vergangene Woche in den Mund legte. Charles musste verkünden, dass seine Regierung die Förderung neuer Öl- und Gasfelder in der Nordsee massiv ausweiten werde. Der König tat’s – mit stoischer Miene.
Am 14. November 1948 kommt Prinz Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor in London zur Welt.
Der kleine Junge ist der älteste Sohn von Thronfolgerin Elizabeth und ihrem Ehemann Philip – und damit Anwärter auf den britischen Thron.
Die Londoner sollen vor Freude über den royalen Nachwuchs auf den Straßen vor dem Buckingham Palace getanzt haben.
Zwei Jahre später kommt Prinzessin Anne zur Welt – mit Abstand bekommt Charles dann noch zwei Brüder: den zehn Jahre jüngeren Andrew und den 14 Jahre jüngeren Edward.
Charles hat keine leichte Kindheit. Der Junge leidet unter dem strengen Protokoll bei Hofe und dem Druck, der als Thronfolger auf ihm lastet.
Er habe sich als Kind oft einsam und verloren gefühlt, gibt Charles später zu.
Wichtigste Bezugsperson für den jungen Charles ist seine Großmutter, Queen Mum.
Auf dem Internat Gordonstoun soll der Prince of Wales gestählt werden – eine harte und einschneidende Erfahrung für den jungen Prinzen.
Das Verhältnis zu seinen Eltern beschreibt Charles als eher kühl. Sein Vater Prinz Philip hält ihn für einen Träumer und Romantiker. Angeblich soll sich der Herzog von Edinburgh seiner Tochter Anne immer näher gefühlt haben.
Als junger Erwachsener legt sich Charles den Ruf eines Playboy-Prinzen zu.
Seine Mutter Elizabeth dürfte über das turbulente Liebesleben ihres Sohnes besorgt gewesen sein. Erst die Kindergärtnerin Lady Diana Spencer scheint angemessen, die Frau des zukünftigen Königs zu werden.
Was Diana allerdings nicht weiß: Charles’ Herz ist schon lange vergeben. 1970 lernt der Prinz Camilla Shand kennen. Zwei Jahre sind sie ein Paar, Hoffnungen auf eine Ehe macht Camilla sich nie. 1973 heiratet Camilla den Offizier Andrew Parker Bowles – im Dunstkreis des Prinzen bleibt sie aber auch dann.
Charles und Diana heiraten am 29. Juli 1981 in der St. Paul’s Cathedral in London.
Die Märchenhochzeit schlechthin verfolgen Millionen an den Fernsehgeräten.
Die Ehe des Wales’ scheint perfekt: Wie bestellt kommt 1982 mit William auch ...
... der Thronerbe auf die Welt.
1984 kommt zum „heir“ (Erbe) noch der „spare“ (Ersatz): Prinz Harry wird geboren.
Doch Diana und Charles sind nicht glücklich. Ihr Mann sei kühl und rücksichtslos, erzählt die Prinzessin Vertrauten.
Mitte der 80er Jahre nimmt Prinz Charles seine Beziehung zu Camilla wieder auf – und auch Diana hat außereheliche Affären.
Ende der 80er Jahre ist auch dem unaufmerksamsten Beobachter klar: In dieser Ehe läuft einiges schief.
1992 kommt es zum Bruch: Charles und Diana gehen von nun an getrennte Wege, vier Jahre später wird das Paar geschieden.
Dem öffentlich ausgetragenen Rosenkrieg folgt ein zähneknirschender Waffenstillstand – den Söhnen zuliebe. Diana findet in Dodi Al-Fayed eine neue Liebe. Das Glück ist jedoch nur von kurzer Dauer.
Bei einem Autounfall in Paris stirbt Diana 1997 mit nur 37 Jahren. Charles eilt nach Frankreich, um den Sarg seiner Ex-Frau nach England zu holen.
Vereint in der gemeinsamen Trauer findet er wieder ein engeres Verhältnis zu seinen Söhnen.
Liebevoll kümmert sich der alleinerziehende Vater um William (rechts) und Harry.
Hinter den Kulissen arbeitet Prinz Charles daran, seine Beziehung zu Camilla endlich auch offiziell leben zu dürfen. 1999 zeigen sich die beiden erstmals öffentlich.
Schließlich gibt auch die Queen ihren Widerstand auf und 2005 geben sich Charles und Camilla das Ja-Wort.
Die Herzogin von Cornwall, jahrelang als „The Rottweiler“ geschmäht, ist damit endlich in der royalen Familie angekommen.
Mit Camilla an seiner Seite ist Prinz Charles entspannter geworden und wirkt weniger steif als in jungen Jahren.
Jahrelang ist Charles bevorzugtes Ziel des britischen Spottes: Der unglückliche Schlaks mit den langen Ohren - immer im Schatten seiner übermächtigen Mutter.
Dabei ist die Sehnsucht des Prinzen nach dem Thron bei weitem nicht so groß wie von den Medien angenommen.
Charles weiß sich zu beschäftigen - Umweltschutz und nachhaltige Landwirtschaft werden zu seinen Herzensangelegenheiten.
Der Einsatz für mehr Nachhaltigkeit verbindet Prinz Charles auch mit seinem Sohn, Prinz William.
Prinz Charles wird in die Geschichte eingehen als jener Thronfolger, der die meiste Zeit seines Lebens im Wartestand verbrachte.
Doch schon vor dem Tod der Queen vollzog sich im britischen Königshaus eine leise Wachablösung: Prinz Charles und Herzogin Camilla übernahmen peu à peu immer mehr Aufgaben.
Charles wird die Monarchie anders führen als seine Mutter: Ihm schwebt eine „slimmed down monarchy“ vor – ein Königshaus, das vor allem von seiner Kernfamilie vertreten wird. Zu dumm, dass der besonders beliebte Harry zusammen mit seiner Frau Meghan dem Rest der Windsors den Rücken kehrte.
Der Beziehung zwischen Vater und Sohn tat der „Megxit“ nicht gut – erbitterte Vorwürfe sendete Harry über den Atlantik in Richtung Charles.
Mit 73 Jahren verliert Charles seine geliebte „Mummy“ – Queen Elizabeth II. stirbt mit 96 Jahren. Und aus dem Prinzen von Wales wird King Charles III.
Am 6. Mai wird Charles III. in der Westminster Abbey gekrönt. Drei Tage ergeht sich Großbritannien in „pomp and circumstance“.
Auch Camilla bekommt eine Krone aufs Haupt gedrückt: Aus der als „The Rottweiler“ verschmähten Geliebten des Prinzen wird Queen Camilla – mit Zustimmungswerten, die sich früher niemand hätte vorstellen können.
Ist Charles III. der König, den eine Welt im ökologischen Wandel braucht? Galt der Prince of Wales früher als Spinner, weil er mit seinen Blumen sprach, ist er jetzt ein Klimavorbild. Doch wie viel kann er wirklich bewegen?