Ein Treffer für die Ewigkeit

Der russische Eishockey-Star Alexander Owetschkin schreibt NHL-Geschichte: Mit nun 895 Treffern bricht er den Torrekord von Wayne Gretzky, der ihm wie andere Prominente Beifall klatscht. Die Nähe des 39-Jährigen zu Wladimir Putin gibt der Bestmarke jedoch einen Beigeschmack.

Ein Treffer für die Ewigkeit

Das Match wurde für mehr als zehn Minuten unterbrochen, um Alexander Owetschkins historischen Treffer zu würdigen.

Von Heiko Oldörp

New York - Alle anderen sprangen auf, Alexander Owetschkin tauchte ab. Er schlitterte bäuchlings über das Eis der UBS Arena in New York. Denn er hatte soeben für seine Washington Capitals getroffen. Mal wieder. Wie so oft seit seinem ersten Spiel in nordamerikanischen Eishockey-Profiliga NHL vor mittlerweile fast 20 Jahren. Doch dieser Treffer zum 1:2 war anders als alle 894 vorherigen. Er war nicht so wichtig, denn die Capitals verloren bei den New York Islanders 1:4, aber er war historisch.

Zum 895. Mal hat Owetschkin den Puck in ein NHL-Tor geschossen – so oft wie kein anderer in der Ligageschichte. Bis zur Partie am Sonntag war er gleichauf gewesen mit Wayne Gretzky. Doch nun ließ „The Great Eight“, wie der 39-jährige Russe in Anlehnung an seine Rückennummer acht auch genannt wird, in seiner 1487. NHL-Begegnung die weltweit wohl bekannteste Eishockey-Legende Wayne „The Great One“ Gretzky hinter sich.

Als sein Schlagschuss in der 28. Spielminute ins Netz zischte, wurde die ausverkaufte Arena zum Epizentrum der Emotionen. Alexander Owetschkin riss den Mund weit auf, seine Mitspieler stürmten auf ihn zu, Gegenspieler gratulierten, die Fans skandierten „Owi, Owi!“. Und oben in einer der VIP-Logen klatschte Gretzky Beifall. „Ich bin begeistert, freue mich für ihn. Alex ist ein echter Wettkämpfer, und dies ist ein großartiger Tag für den Eishockeysport“, sagte der 64-Jährige im ersten von vielen Interviews an diesem Tag.

Auch Owetschkin versuchte, sein Tor einzuordnen. „Was für ein Augenblick für den Eishockeysport, meine Familie, mich selbst, den Verein und meine Mitspieler. Das ist riesig“, meinte er. Das Spiel wurde nach seinem historischen Treffer für mehr als zehn Minuten unterbrochen, um den Moskauer und seinen besonderen Moment entsprechend zu würdigen.

Am 5. Oktober 2005 hatte Owetschkin in seinem ersten NHL-Spiel erstmals getroffen. Nun, am 6. April 2025 – insgesamt 7123 Tage später –, war er Rekordtorschütze der stärksten Eishockeyliga der Welt geworden. Rekorde seien dazu da, um gebrochen zu werden, betonte Gretzky. Aber ob es jemals einen Spieler geben werde, der Owetschkins Bestmarke knacken könne? Er sei sich da nicht sicher, so der Kanadier.

Zum Vergleich: Leon Draisaitl (29) spielt seine elfte NHL-Saison. Der Kölner im Trikot der Edmonton Oilers ist seit Jahren einer der Topstars der Liga und aktuell mit 52 Treffern der beste Torschütze der Saison. Dennoch liegt Draisaitl mit seinen 399 Karriere-Toren noch 496 Treffer hinter Owetschkin zurück. Was der in seinem Alter noch leiste, sei „einfach unglaublich“, so Draisaitl anerkennend.

Nach Owetschkins geschichtsträchtigem Tor spielte die Liga auf dem Videowürfel Glückwünsche anderer Superstars ein. Michael Phelps und LeBron James gratulierten ebenso wie Tom Brady, Simone Biles, Michael Jordan oder auch Snoop Dogg und Danny DeVito. Kritische Stimmen gab es keine. Sie waren auch im Vorfeld nur vereinzelt zu vernehmen.

Dabei gibt es eine durchaus kritikwürdige Seite bei Owetschkin, die seiner Bestmarke einen Beigeschmack gibt – seine Nähe zu Wladimir Putin, der sich auch mit Glückwünschen meldete: „Lieber Alexander Owetschkin. Ich gratuliere Ihnen zu diesem außergewöhnlichen Rekord. Sie haben Legenden übertroffen“, ließ der russische Staatspräsident in einer vom Kreml veröffentlichten Mitteilung ausrichten. „Dieser Erfolg ist nicht nur Ihr persönlicher Erfolg, sondern auch eine echte Feierlichkeit für die Fans in Russland und im Ausland.“

Owetschkin ist der Vorzeigeprofi des russischen Machthabers, der neben Judo auch Eishockey zu seinen großen Passionen zählt. Er hat zwar stets betont, sich nicht politisch äußern zu wollen. Doch er hat eben auch seinen Instagram-Account, auf dem ihm 1,6 Millionen Menschen folgen. Und sein Profilbild dort zeigt ihn mit Putin.

Owetschkin hat auch Videos des Staatspräsidenten hochgeladen, er hat Putin im Wahlkampf 2018 unterstützt, und er war sich auch nicht zu schade, Kreml-Propaganda auf seinem Kanal zu teilen. So veröffentlichte Owetschkin am 28. August 2014 ein Foto, auf dem er einen Zettel mit der Botschaft „Rettet Kinder vor Faschismus“ hochhält. Mit dieser Indoktrination hatte Putin damals unter anderem die Annexion der Krim gerechtfertigt.

Als Russland im Februar 2022 die Ukraine überfiel, sagte Owetschkin das, was Athleten in solchen Situationen oft sagen. Er sprach davon, dass es keinen Krieg geben dürfe, dass alle zusammen in Frieden leben müssten. Doch all das wirkte eher wie eine vorgefertigte Meldung einer PR-Agentur als ein ernst gemeintes Anliegen. Zumal Owetschkin auch deutlich machte: „Putin ist mein Präsident.“

Doch nun könnte ausgerechnet Owetschkins letzter Karriere-Traum wegen seines Freundes Putin platzen: der Gewinn der olympischen Goldmedaille. Aufgrund des Ukraine-Krieges hat der Eishockey-Weltverband IIHF Russland und Belarus von allen Wettbewerben ausgeschlossen – vorerst bis zur Saison 2025/26. Somit wird Owetschkin, der im September seinen 40. Geburtstag feiert, bei den in zehn Monaten beginnenden Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo fehlen.