Ana, Lukas und Stefan Pfisterer verbringen die gemeinsame Zeit gerne mit Spielen wie Uno. Samuel, das dritte und jüngste Kind im Bunde, ist an diesem Tag auf dem Flohmarkt an der Plaisirschule unterwegs. Foto: Alexander Becher
Von Kai Wieland
Backnang. „Grün!“, ruft Ana Pfisterer (11) fröhlich, als sie sich bei ihrer Partie Uno mit Bruder Lukas (13) und Papa Stefan Pfisterer (46) eine Farbe wünschen darf – woraufhin Lukas sogleich mit einer Richtungswechselkarte kontert.
Stefan Pfisterer lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Ein Richtungswechsel ist für den Backnanger kein unbekanntes Terrain, denn welche Karten das Leben für ihn bereithalten würde, war für den einstigen Fahrer bei der Gärtnerei Dänzer wohl kaum abzusehen. Mittlerweile ist er nämlich nicht nur alleinerziehender Vater dreier Kinder, sondern kümmert sich als Tagesvater zudem um den Nachwuchs anderer.
Schon nach der Geburt von Lukas nahm Stefan Pfisterer viel Elternzeit in Anspruch. Bei Ana schlüpfte er dann noch mehr in die Erziehungsrolle und arbeitete ab da nur noch in Teilzeit. Bei Samuel (8) schließlich, der an diesem Tag den Flohmarkt an der Plaisirschule unsicher macht und deshalb nicht bei der Uno-Runde mitmischt, schöpfte er die ganze Elternzeit aus.
Vor allem die Mutter der Kinder muss sich rechtfertigen
Schwergefallen sei ihm das Zuhausebleiben nicht, weil es aus finanziellen Gründen Sinn gemacht habe, erklärt Stefan Pfisterer. „Ich war pragmatisch. Warum hätte ich mich darauf versteifen sollen, arbeiten zu gehen, obwohl meine Frau mehr verdient hat?“
Das klingt logisch und scheint doch nach wie vor keine Selbstverständlichkeit zu sein. Zwar habe er sich in seinem Umfeld nicht dafür rechtfertigen müssen, beruflich zugunsten der Kinder kürzerzutreten, seine damalige Frau aber sehr wohl. „Die Leute haben sie gefragt, wie sie bloß ihre Kinder im Stich lassen kann“, erzählt Stefan Pfisterer kopfschüttelnd. „Dabei hat sie das ja gar nicht getan hat. Ich war doch da.“
Nicht mehr so flexibel als Alleinerziehender
Im Jahr 2016 trennte sich das Paar jedoch, seitdem zieht Stefan Pfisterer die Kinder größtenteils alleine auf: ein schwerwiegender Einschnitt. Stressige Momente habe er zwar auch vor der Trennung erlebt, davon könnten schließlich alle Eltern berichten, sagt der Backnanger. „Es gibt immer Tage, an denen man abends froh ist, wenn die Kinder im Bett sind und man etwas Ruhe hat.“ Nach der Trennung wurde die Bewältigung des Alltags jedoch wesentlich anstrengender, weil er mit den vielfältigen Aufgaben nun zumeist allein war. Die Eltern von Stefan Pfisterer leben bei Heilbronn und helfen aus, wenn Not am Mann ist, aber auch das muss erst organisiert werden und erfordert Planung. „Man ist eben nicht mehr so flexibel und weniger spontan. Wenn mich ein Freund anruft und fragt, ob ich etwas unternehmen will, stellt sich immer die Frage, was man mit den Kindern macht.“
Bei aller Energie, die ihm jene Phase abverlangte, möchte Stefan Pfisterer trotzdem keine Sekunde mit seinen Kindern missen: „Es ist wirklich eine Zeit, die man nicht mehr nachholen kann, und die ist auch nicht bezahlbar.“ Außerdem mache sich allmählich die zunehmende Selbstständigkeit der Kinder bemerkbar, was ebenfalls vieles vereinfache. „Lukas zum Beispiel macht schon vieles allein und kann sich auch selbst beschäftigen. Das hilft natürlich.“
Der Job als Tagesvater passt ideal in die Abläufe
Angesichts der Anstrengungen des Vaterdaseins erscheint es auf den ersten Blick überraschend, dass Stefan Pfisterer sich darüber hinaus auch noch um die Kinder anderer Menschen kümmert. Tatsächlich erwies sich die Tätigkeit als Tagesvater aber als ideale Lösung für seine Situation. Als nach der Trennung und dem Ende der Elternzeit nämlich ein neuer Job hermusste, erwog der alleinerziehende Vater seine Möglichkeiten.
„Mein Fenster für eine Tätigkeit war etwa 9 bis 12 Uhr. Wenn man dann noch die Fahrtzeit dazurechnet, ist da nichts Sinnvolles zu finden.“ Außerdem habe man bei drei Kindern ständig Fehlzeiten, etwa aufgrund von Krankheit. Er fasste daher den Entschluss, dass nur eine Tätigkeit in den eigenen vier Wänden infrage kommt. Eine Freundin schlug ihm unter diesen Gesichtspunkten den Job als Tagesmutter vor. Einige Infoveranstaltungen und Seminare später war Stefan Pfisterer bereit, der Idee eine Chance zu geben.
Mit Erfolg: Seit 2017 geht er nun dem Beruf nach, den er auch auf sich selbst bezogen als Tagesmutter bezeichnet. „Ich finde, dass es einfach so heißt. Die offizielle Begrifflichkeit ist Tagespflegeperson, aber bei dem Wort bekomme ich immer einen Knoten in die Zunge.“
Vorbehalte der Eltern
Der Einstieg in den neuen Job erforderte Durchhaltevermögen. Neben den offiziellen Voraussetzungen – darunter ein Gesundheitszeugnis vom Arzt, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis und das Hospitieren in einem Kindergarten – seien ihm zunächst auch Vorbehalte entgegengeschlagen, das eigene Kind einem Mann zu überlassen. Oftmals seien es wohl gerade die Väter, die sich durch eine solche Konstellation in ihrer Rolle bedroht fühlten, vermutet Stefan Pfisterer.
Allerdings findet sich auch die umgekehrte Perspektive: „Derzeit bringt zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter ihr Kind zu mir, und sie schätzt gerade die männliche Komponente, die ich einbringen kann. Da ist es also ein Vorteil.“
Einen bedeutenden Unterschied zwischen mütterlicher und väterlicher Erziehung sieht Stefan Pfisterer allerdings gar nicht. „Es gibt Unterschiede zwischen Menschen und Erziehungsstilen, aber weniger zwischen Mann und Frau“, findet er. Man könne beispielsweise nicht ein Konzept wie Montessori nehmen und es einfach jedem Kind überstülpen, damit werde man den individuellen Bedürfnissen und Charaktereigenschaften der Kinder oftmals nicht gerecht. Daher wirbt er dafür, sich stattdessen weiterzubilden und verschiedene Methoden und Konzepte zu erlernen, um aus diesen dann den richtigen Umgang für das jeweilige Kind zu finden. Allerdings räumt Stefan Pfisterer ein, dass dies nicht jedem liege: „Man braucht letztendlich schon ein Händchen für Kinder.“
Als Tagesvater beliebt: seine Plätze sind ausgebucht
Und das scheint der Backnanger zu haben, denn die Akzeptanz für den Tagesvater nahm im Laufe der Zeit stetig zu, sodass mittlerweile die Nachfrage größer sei als das Angebot. Während das erste Tageskind noch über den Tageselternverein an Stefan Pfisterer vermittelt wurde, finden mittlerweile immer mehr Menschen auch auf privatem Weg zu ihm, sei es durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder über soziale Netzwerke wie Facebook. In der Regel sind Stefan Pfisterers drei Plätze daher ausgebucht, erst ab August kann er wieder ein neues Kind aufnehmen.
Es handelt sich dabei um Kinder unter drei Jahren, also vor dem Kindergartenalter. In der Regel sind sie vormittags unter der Obhut von Stefan Pfisterer, wenn der eigene Nachwuchs in der Schule ist. In den Ferien könne es aber durchaus auch mal vorkommen, dass sechs bis sieben Kinder im Haus seien. Reibungen gäbe es dabei aber keine. „Lukas, Ana und Samuel spielen auch mit den Tageskindern, je nach Alter natürlich. Lukas hat mit seinen 13 Jahren eher andere Interessen, aber auch er ist sehr gut im Umgang mit ihnen. Es ist für uns einfach eine gewisse Normalität geworden.“