Ein zweites Zuhause für Lebensmittel

Foodsharing ist im Rems-Murr-Kreis längt nicht so verbreitet wie in manchen Großstädten. Lediglich vier sogenannte Fairteiler gibt es. Als Alternative hat ein Backnanger Ehepaar die Facebook-Gruppe „Lebensmittelrettung Rems-Murr-Kreis“ gegründet.

Ein zweites Zuhause für Lebensmittel

Bärbel und Stefan Gabriel sind gegen Lebensmittelverschwendung aktiv geworden. Weil sie zurzeit in ihrem Garten viel Gemüse ernten können, verschenken sie manches davon. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Nach Angaben der Verbraucherzentrale landen in Deutschland jährlich rund 12 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Im privaten Bereich sind es pro Kopf etwa 75 Kilogramm jährlich. „Der verschwenderische Umgang mit Lebensmitteln wirkt sich sowohl negativ auf die Umwelt und die Ressourcen als auch auf die Versorgung vor allem der Bevölkerung in den ärmeren Ländern aus“, heißt es auf deren Webseite. Schließlich werden für alle produzierten Lebensmittel Ressourcen wie Wasser, Boden und Energie eingesetzt. Um dem entgegenzuwirken, haben sich im Rems-Murr-Kreis verschiedene Initiativen eingesetzt.

Die Webseite des Vereins Foodsharing verzeichnet im Rems-Murr-Kreis beispielsweise vier sogenannte Fairteiler. Dabei handelt es sich um Räume, Regale, zum Teil auch Kühlschränke, in denen überschüssige aber noch essbare Lebensmittel abgegeben und abgeholt werden können. Das Angebot schwankt meist, und auch die Regeln sind nicht überall gleich. Auf der Seite des Fairteilers in Winnenden-Höfen finden sich regelmäßige Einträge zu den aktuellen Inhalten des Schranks. Hier können Backwaren, Obst, Gemüse und Trockenwaren gebracht werden. In Schwaikheim beim Vereins Integrations- und Nachhilfe gelten bestimmte Öffnungszeiten. Von 6 bis 22 Uhr können sich Nutzer hier mit Lebensmitteln versorgen oder diese vorbeibringen. Vor Ort gibt es auch einen Kühlschrank, daher werden auch viele Milchprodukte sowie Obst und Gemüse angeboten.

Im nördlichen Rems-Murr-Kreis findet sich kein Eintrag bei Foodsharing

Der Fairteiler im Waiblinger Jakob-Andreä-Haus besteht aus einem Kühlschrank, auch dieser unterliegt gewissen Öffnungszeiten. Diese seien zum Teil davon abhängig, wann der Hausmeister Urlaub hat. Wenn der Kühlschrank leer ist, wird er vom Hausmeister ausgesteckt, um Strom zu sparen. An die Nutzer ergeht der Hinweis: „Einfach wieder einstecken und anschalten, wenn etwas hineingelegt wird!“ Ein weiterer Fairteiler findet sich in Waiblingen-Hohenacker (im Eingangsbereich der Sport- und Gemeindehalle). Im nördlichen Rems-Murr-Kreis findet sich hingegen kein Eintrag auf der Foodsharing-Karte.

Welche Möglichkeiten aber haben Bewohner des Landkreises, die nicht unbedingt in der Nähe eine Fairteilers wohnen? Eine Alternative haben Bärbel und Stefan Gabriel geschaffen. Im Februar haben sie auf Facebook die Gruppe „Lebensmittelrettung Rems-Murr-Kreis“ gegründet, die inzwischen schon mehr als 300 Mitglieder verzeichnet. „Nachhaltigkeit ist nicht nur Strom und Wasser zu sparen“, sagt Bärbel Gabriel. Sie habe sich Gedanken darüber gemacht, wie sie ihren Lebensstil nachhaltiger gestalten kann. Dass viele Menschen Essen wegwerfen, weil sie zu viel davon gekauft haben oder weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, war ein Ansatzpunkt. Was, wenn man solche Lebensmittel einfach an andere verschenkt? Gäbe es eine Plattform dafür, könnten so viele Ressourcen geschont werden. Gesagt, getan. Auf die Idee ihres Mannes Stefan hin, gründeten beide die Facebook-Gruppe zum Foodsharing. Die Entwicklung gestalte sich positiv. „Für die kurze Zeit haben wir relativ viele Mitglieder“, schätzt Bärbel Gabriel den Erfolg der Gruppe ein. „Aber die Zahl der Beiträge könnte gerne noch etwas größer sein.“ Auch sei der Umgangston angenehm, als Administratoren müssen die Gabriels selten aktiv werden. „Ab und zu kommen Fragen rein, ob auf der Seite auch Möbel eingestellt werden dürfen.“ Das verneinen die beiden, schließlich gebe es genügend Flohmarktgruppen für diesen Zweck.

Die reiche Ernte aus dem eigenen Garten findet dankbare Abnehmer

Das Angebot ist vielfältig: Mal wird Kaffee angeboten, mal Bananen, mal Vanillesoße. Gewürze sind ebenso zu finden wie Leberwürste. Auch die Gabriels haben schon Lebensmittel eingestellt. „Als ich vom Weihnachtsbacken noch viele Zutaten übrig hatte, habe ich die gepostet“, erzählt die Waldremserin. Ein Mann aus Schorndorf habe sich dafür interessiert. Weil sie sowieso unterwegs nach Plüderhausen war, habe sie sich in der Nähe seines Wohnorts getroffen und die Waren übergeben. Problemlos habe das geklappt, der Mann sei sehr erfreut gewesen. Ein anderes Mal bot das Paar Gemüse aus dem eigenen Garten an. „Wir haben mehr geerntet, als wir selbst verarbeiten können“, erklärt Bärbel Gabriel. Auch die Zucchini, Kohlrabi und Blumenkohlköpfe haben Abnehmer gefunden.

Wo man sich für eine Übergabe trifft, bleibt den Nutzern selbst überlassen, da wollen die Gründer der Gruppe sich nicht einmischen. Sie selbst wählen dafür einen neutralen Ort – das stärkt das Sicherheitsgefühl beider Seiten. Und gerade in Coronazeiten sei es manchem womöglich unangenehm, Fremde ins Haus einzuladen.

Nach ihren Zielen für die Gruppe befragt, zeigt sich Bärbel Gabriel bescheiden: „Wir lassen das auf uns zukommen und freuen uns, wenn mehr Leute mitmachen.“ Anfangs hätten beide noch Lebensmittelmärkte angefragt, ob sie womöglich ihre überschüssige Waren anbieten möchten. „Oftmals gibt es da aber Verbindungen zur Tafel und da wollen wir nicht reingrätschen“, erklärt sie. Sollte sich aber einmal ein Geschäft dafür interessieren, Lebensmittel einzustellen, so werde das natürlich gern gesehen, fügt sie an.