„Häute und Morgen“ heißt die neue Ausstellung in der Galerie der Stadt Backnang. Junge Studenten und Absolventen der Klasse Cordula Güdemann von der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart stellen aus. Bei einem Vorabrundgang präsentierten sie ihre Arbeiten. Vernissage ist heute um 20 Uhr.
Vor dem Bild von Ivan Zozulya mit dem Titel „Warum es so ist, wie es ist“: Ivan Zozulya, Agnes Mrowiec und Nina Joanna Bergold waren bei der Vorabpräsentation dabei. Foto: P. Wolf
Von Claudia Ackermann
BACKNANG. Er beobachte regelmäßig, was an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart passiert, so Martin Schick, Leiter der Städtischen Galerie Backnang. „Schließlich ist sie eines der wichtigsten künstlerischen Zentren in der Region.“ Größere Gemeinschaftsausstellungen von Absolventen hat es in Backnang schon gegeben. Dieses Mal wolle man sich auf sechs Studenten und Absolventen fokussieren. Cordula Güdemann, die seit 1995 Professorin für Malerei an der Akademie ist, hatte 2004 eine Einzelausstellung in der Galerie. In Absprache mit ihr wurden die sechs Studenten und Absolventen ihrer Klasse für die aktuelle Werkschau ausgewählt.
Nina Joanna Bergold, 1980 in Ludwigsburg geboren, hat ihr Studium bereits beendet. Von ihr ist die Installation aus Teichfolie im Gotischen Chor. Den großen Scherenschnitt, der aus einem zusammenhängenden Stück besteht, hat sie speziell für diesen außergewöhnlichen Raum geschaffen. Durch die Hängung entsteht aus der zweidimensionalen Arbeit die dreidimensionale Wirkung. Figuren hängen wie in Netzen und scheinen sich vom Mittelpunkt aus in Richtung der Fenster bewegen zu wollen. „The big escape (Ausbrecherinnen)“ ist der Titel. An Häute erinnert das Material.
Dreidimensionale Objekte, die aus Thermoplast gefertigt werden, stellt die Studentin Alessia Schuth aus Villingen-Schwenningen aus. Fast lebensgroß ist die sitzende Figur aus Linien, die mit einem Spritzverfahren sozusagen in die Luft gezeichnet werden. Mehrere Objekte sind auf verschiedenen Ebenen in der Galerie ausgestellt. Im Obergeschoss befindet sich eine schwarze liegende Figur, die auf blondes Kunsthaar gebettet ist.
Filigrane Formen,
Linien und Muster
Die Körperform aus dem Kunststoff weist filigrane Formen, Linien und Muster auf, die wiederum aufs Thema Haut verweisen. Doch der Titel der Ausstellung ist ein Wortspiel und bezieht sich auch auf das „Heute und Morgen“. Figuren, die unter Verwendung von Schaufensterpuppen entstanden sind, tragen Social-Media-Embleme auf den Körpern aus Spritzmaterial, das den Betrachter durch die Figuren durchsehen lässt.
Bei den Studenten und Absolventen handelt es sich um eine internationale Mischung von Jungkünstlern. Yongchul Kim stammt aus Südkorea, hat dort bereits Kunst studiert und als Künstler gelebt. Beim Studium in Stuttgart ergeben sich für ihn neue Möglichkeiten und Einflüsse. Ein Raum in der Galerie ist einer Serie von düsteren Bildern gewidmet. Wasser taucht als wiederkehrendes Motiv auf. Eine archaische Szene zeigt den Untergang eines Schiffswracks. Auf dem Bild sind ein Asiate im traditionellen Sarong und eine Person auf einem Plastikstuhl mit Kapuzenjacke zu sehen. Erinnerungen verbindet er mit Motiven aus der Gegenwart.
Erinnerungen an seine Heimat in der Ukraine verarbeitet Ivan Zozulya in seinen Bildern. Auf einem großformatigen Werk in Mischtechnik auf Leinwand taucht wiederholt ein Cousin (Siebdruck) auf. Andere Familienmitglieder sind abstrahiert gemalt. „Warum es so ist, wie es ist“ heißt der Titel des Bildes. Ivan Zozulya arbeitet in zwei Phasen, erläutert er beim Rundgang. Kleine, tagebuchartige Arbeiten in Mischtechnik entstehen: „Dann nehme ich Anlauf und beginne, die großen Bilder zu machen.“ Und wie wirkt die Professorin Güdemann in die Arbeit hinein? „Sie stellt immer wieder überraschende Fragen“, so der Student. Das finde er sehr wichtig. Ob es Bestätigung sei oder nicht, merke er oft erst später. „Man selber ist nah an der Arbeit dran – sie hat die Distanz.“ Auch der Äthiopier Nigatu Tsehay Molla beschäftigt sich in seinen Bildern mit seiner Kultur. Die Frage der Befindlichkeiten und Erfahrungen der Menschen schwingt mit. Seine Arbeiten, die oft dunkelhäutige Männer mit freien Oberkörpern darstellen, entstehen aus seinem Kopf nach Erinnerungen. Sie haben keine fotografische, sondern verzerrte Perspektiven.
Drei verschiedene Serien sind von Agnes Mrowiec aus Polen ausgestellt. Viele Farbschichten überlagern sich und fließen zusammen. Teile von Figuren, wie Hände und Füße, lösen sich in der nächsten Serie wieder in zerstückelte Flächen mit Farbexplosionen auf. Mit Veränderungen setzt sie sich auseinander. 1985 ist sie als Kind von Polen nach Deutschland gekommen. Traumatische Erlebnisse arbeitet sie in ihren Bildern auf: „Die Welt ist in ein Chaos gestürzt, und plötzlich soll man jemand anderes sein“, sagt die Absolventin der Güdemann-Klasse, die inzwischen in Köln lebt und arbeitet.