Erlacher Höhe legt Pflegeheimpläne auf Eis

Eigentlich sollten im Herbst die Bauarbeiten für das neue Gebäude in Großerlach beginnen, doch der Vorstand hat jetzt die Reißleine gezogen. Hauptgrund ist neben unerwarteten Kostensteigerungen der akute Mangel an Pflegekräften.

Erlacher Höhe legt Pflegeheimpläne auf Eis

So soll das neue Pflegeheim in Erlach aussehen. Ob und wann es gebaut wird, ist allerdings wieder ungewiss. Visualisierung: Norbert Goerlich/ARP Architektenpartnerschaft Stuttgart GbR

Von Kornelius Fritz

Großerlach. Vor wenigen Wochen bekam Wolfgang Sartorius Post. Der Brief vom Baurechtsamt enthielt die Genehmigung für den Bau eines neuen Pflegeheims auf der Erlacher Höhe. Nach dreijähriger Planungszeit könnte es nun also endlich losgehen, im Herbst sollten eigentlich die Bagger anrollen. Werden sie aber nicht, denn in letzter Minute hat der Vorstand des diakonischen Sozialunternehmens die Reißleine gezogen und das Projekt gestoppt.

Für die Entscheidung nennt Wolfgang Sartorius, der die Erlacher Höhe seit mehr als 27 Jahren leitet, zwei Gründe. Da sind zum einen die Kosten, die mittlerweile deutlich über den vor zwei Jahren geschätzten elf Millionen Euro liegen dürften. Neben dem allgemeinen Preisanstieg in der Baubranche kommt in diesem Fall noch ein weiterer Faktor hinzu, nämlich der Wegfall der KfW-Förderung für Gebäude der Effizienzhausstufe 55. Dadurch fehlen der Erlacher Höhe 1,6 Millionen Euro, die für die Finanzierung fest eingeplant waren.

Wesentlich schwerer wiegt allerdings der zweite Grund: „Wir wissen nicht, woher wir das Personal nehmen sollen“, sagt Pressesprecherin Andrea Beckmann. Das bestehende Pflegeheim, das die Erlacher Höhe seit 18 Jahren betreibt, hat 30 Plätze, das neue sollte 60 Plätze haben. Doch schon jetzt muss der Träger kämpfen, um in seiner Einrichtung noch einen geregelten Betrieb aufrechtzuerhalten. „Wir hatten zuletzt viele Personalwechsel“, erzählt Sartorius, zudem seien auch immer wieder Pflegekräfte krankheitsbedingt ausgefallen. Doch neue Pflegerinnen und Pfleger zu finden, werde immer schwieriger, obwohl die Erlacher Höhe nicht nur Tariflöhne bezahlt, sondern auch mit allerlei Zusatzleistungen lockt, etwa mit einer preisgünstigen Wohnung.

Neben der etwas abgeschiedenen Lage im Schwäbischen Wald erweist sich bei der Personalsuche auch die besondere Klientel der Erlacher Höhe als Problem. Denn bei den Bewohnern des Pflegeheims handelt es sich um ehemals Wohnsitzlose – fast alles Männer, die zum Teil einen recht rauen Umgangston pflegen. Nicht jede Pflegekraft ist für diese Arbeit gemacht. „Man muss schon psychisch belastbar sein“, weiß Wolfgang Sartorius. Angesichts des bereits bestehenden Personalmangels erscheint dem Vorstand der Erlacher Höhe eine Verdopplung der Kapazitäten momentan utopisch. Zu groß ist das Risiko, dass man in eineinhalb Jahren zwar einen schicken Neubau hätte, die 60 Plätze aber gar nicht belegen könnte. „Eine Investitionsruine können wir uns nicht leisten“, stellt Sartorius klar.

Die Erlacher Höhe hat schon eine halbe Million Euro in die Planung investiert

Dabei mangelt es nicht am Bedarf. Fast täglich bekomme man Anfragen, berichtet Andrea Beckmann. Durch das Leben auf der Straße, oft in Kombination mit Suchtproblemen, werden ehemals Wohnsitzlose oft deutlich früher pflegebedürftig als Menschen, die ein bürgerliches Leben geführt haben. Die Bewohner im Heim der Erlacher Höhe sind im Schnitt noch keine 70 Jahre alt. Trotzdem gibt es in Baden-Württemberg nur noch eine weitere Einrichtung, die sich auf diese Zielgruppe spezialisiert hat. Und in anderen Heimen kann man diese Menschen nicht ohne Weiteres unterbringen. Viele seien „verhaltensoriginell“, sagt Sartorius, das führe beim Zusammenleben unter einem Dach häufig zu Konflikten.

Dass die Erlacher Höhe vorerst keinen Beitrag zur Lösung des Problems leisten kann, bedauert Wolfgang Sartorius sehr: „Da sind Menschen unversorgt, das treibt mich um.“ Deshalb hofft er sehr, dass er die Pläne für den Pflegeheimneubau so schnell wie möglich wieder aus der Schublade holen kann, zumal die Erlacher Höhe bis heute schon rund eine halbe Million Euro in die Planung investiert hat.

Spätestens bis Ende 2025 muss auf jeden Fall eine Lösung gefunden werden: Dann endet nämlich die Betriebserlaubnis für das bestehende Pflegeheim, weil das alte Gebäude nicht mehr alle Vorgaben der neuen Landesheimbauverordnung erfüllt.

Erlacher Höhe

Hilfen Die Erlacher Höhe besteht bereits seit 1891 und ist ein überregionaler Verbund diakonischer Einrichtungen. An 16 Standorten in Baden-Württemberg bietet das Sozialunternehmen Hilfsangebote für Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Ein Schwerpunkt liegt bei der Betreuung von Menschen ohne festen Wohnsitz.

Unternehmen Das Sozialunternehmen erzielt einen Jahresumsatz von rund 21 Millionen Euro und hat etwa 375 Beschäftigte. Mit ihren Hilfsangeboten erreicht die Erlacher Höhe täglich etwa 1600 Personen.