Ermittlungsgruppe Kinderpornografie: Auf Tätersuche im Internet

Auch im Rems-Murr-Kreis geht die Ermittlungsgruppe Kinderpornografie in Waiblingen der Verbreitung verbotener Netzinhalte nach. Soziale Medien wie Facebook und Whatsapp bescheren den Ermittlern immer mehr Arbeit.

Ermittlungsgruppe Kinderpornografie: Auf Tätersuche im Internet

Eva Fritz (von links), Michael Hunger und Lea Bareiß von der Waiblinger Ermittlungsgruppe Kinderpornografie knien vor einem ganzen Haufen von Geräten, die jüngst nach einem Hinweis aus dem direkten Umfeld eines Beschuldigten aus dem Rems-Murr-Kreis beschlagnahmt wurden. Foto: Bernhard Romanowski

Von Bernhard Romanowski

Waiblingen. Mehrere Tower-PCs, Laptops, Festplatten und weiteres Gerät, mittlerweile alles fein säuberlich abgepackt und minutiös beschriftet: Was den Ermittlern nun ins Netz gespült wurde, lässt den Laien nur staunen. Die Menge an Material ist aber nichts, was die Mitarbeiter der Kriminalpolizei in Waiblingen nicht schon häufiger gesehen hätten. Nur die Art und Weise, wie sie davon erfahren haben, ist eher die Ausnahme. Jemand aus dem Umfeld des Beschuldigten aus dem Rems-Murr-Kreis hatte der Polizei eine Speicherkarte aus dessen Besitz zukommen lassen, der die Waiblinger Polizisten sofort aktiv werden ließ. So stießen sie dann auch auf die ganzen Gerätschaften, auf denen sich Unmengen an kinderpornografischem Material befinden und die nun nach Auswertung der Inhalte in der Asservatenkammer als gerichtsrelevante Beweise aufbewahrt werden.

Der erste Fall von Kinderpornografie im Internet liegt schon um die 20 Jahre zurück

Die Ermittlungsgruppe Kinderpornografie mit Sitz in der Waiblinger Kriminalpolizeidirektion existiert seit März 2021 und ist für das ganze Polizeipräsidium Aalen zuständig, also für die Landkreise Rems-Murr, Schwäbisch Hall und Ostalb. Michael Hunger leitet die Ermittlungsgruppe. Der erste Fall von Kinderpornografie im Internet, den der Kriminalhauptkommissar zu bearbeiten hatte, liegt mittlerweile schon um die 20 Jahre zurück. Vor dieser Zeit fanden sich solche Inhalte eher in irgendwelchen Schmuddelheftchen oder später dann auf VHS-Kassetten, die unter der Ladentheke gehandelt wurden. Doch dann kam das Internet und mit ihm kamen ungeahnte Möglichkeiten eben auch für Menschen, die Interesse an kinderpornografischen Inhalten haben. „Ich weiß noch, es war der Internetzugang, den viele von der damaligen Werbung mit Boris Becker her kennen. Es gab damals keinen Experten für so was, also habe ich den Computer samt Drucker des Täters mitgenommen und die Beweismittel auch mit dessen Drucker ausgedruckt. Das hat dann auch irgendwie geklappt“, erinnert sich Hunger. Zu Beginn des Internetzeitalters lief vieles noch anonym im Netz, was die Täter in Sicherheit wiegte. Zumindest fühlten sie sich in Sicherheit. Doch da hat sich eben viel getan, nicht nur die technische Seite betreffend sondern auch, was die gesetzlichen Regelungen betrifft.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das seit Ende 2017 gilt und auch als Facebook-Gesetz bekannt ist, soll der Eindämmung der strafbaren Inhalte im Internet wie etwa der sogenannten Hass-Postings, aber eben auch der Kinderpornografie in den sozialen Netzwerken dienen. Es verpflichtet die Provider, also die Anbieter der Netzdienste wie Facebook, Youtube und Twitter, solche Inhalte einer Behörde zu melden, die wiederum das Bundeskriminalamt informiert, wenn es sich um Inhalte handelt, die in Deutschland ins Netz gestellt oder verbreitet wurden. Lassen sich die verbotenen Inhalte einer IP-Adresse aus dem Einzugsgebiet des Polizeipräsidiums Aalen zuordnen, werden Hunger und sein Team aktiv.

Die Zahl der Fälle steigt seit 2012 kontinuierlich an

Die meiste Arbeit bereitet dem Waiblinger Team also eine Unmenge von Anzeigen aus den USA, weil dort die namhaften großen Provider sitzen. „Zurzeit häufen sich leider auch Meldungen über Fälle, bei denen Nutzerkonten bei Diensten wie Facebook gehackt wurden, um darüber auch Kinderpornografie zu verbreiten“, berichtet Hunger. Auf diese Weise gerät der Inhaber des betreffenden Accounts automatisch unter Verdacht, weil diese Bilder oder Videos über den amerikanischen Server fließen. Dort wird eine Anzeige geschrieben und das Bundeskriminalamt informiert. Michael Hunger und seine Kollegin Eva Fritz raten deshalb, sich gleich zu melden, wenn der Account gehackt wurde. „Weil wir sonst unter Umständen mit einer Anzeige wegen Kinderpornografie anrücken. Und das ist ja dann nicht unbedingt so ein schönes Erlebnis, wenn die Kripo bei einem läutet“, so Hunger. Auch von diesem Phänomen abgesehen steigt die Zahl der Fälle von Kinderpornografie seit 2012 kontinuierlich an, so der Hauptkommissar. Waren es 2004 vielleicht vier Anzeigen im Jahr mit Bezug zum Rems-Murr-Kreis, ging es mit der zunehmenden Digitalisierung, der Einrichtung der Meldestelle in den USA und der Einführung von Messengerdiensten wie Whatsapp stetig höher auf mittlerweile einige Hundert Anzeigen pro Jahr, wie Hunger und seine Kollegin Fritz beim Besuch unserer Zeitung in Waiblingen erläutern.

Der jüngste Verdächtige war acht Jahre alt

„Was natürlich auch eine Rolle spielt: Im Laufe der Jahre haben wir es mit vielen Kindern und Jugendlichen zu tun, also mit Tatverdächtigen unter 21, so könnte man es formulieren. Mittlerweile ist das Einstiegsalter etwa acht Jahre, wenn die Kinder das erste Handy kriegen“, so Hungers Beobachtung. „So alt war auch der jüngste Verdächtige, den wir hatten“, bestätigt Eva Fritz.

„Die Eltern lassen ihr Kind nicht selten einfach gewähren, und so ein Kind macht dann im Internet alles, was es will, und stößt unweigerlich auch auf die schlechten Dinge. Das ist nur eine Frage der Zeit“, mahnt Hunger. Doch was dann aus kindlicher Neugierde daraus entsteht, sei unkalkulierbar und rufe eben mitunter auch die Polizei auf den Plan. Bei einer Wohnungsdurchsuchung wird freilich mit den Eltern geredet und zumeist stellt sich schnell heraus, wie die Sache in Wirklichkeit gelaufen ist. Dennoch sollten Eltern vermeiden, in diese unangenehme Situation zu geraten, meinen Fritz und Hunger. Der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie sind zum 1. Juli 2021 vom Vergehen zum Verbrechen hochgestuft worden und werden entsprechend verfolgt. Denn im Vorfeld einer Untersuchung wissen Polizei und Staatsanwaltschaft ja nicht, dass es sich um ein Kind handelt, das mit dem eigenen Handy oder dem der Eltern rumgespielt hat, da die Handyverträge üblicherweise über die Eltern laufen. Diese stehen dann eben auch im Fokus der Ermittlung.

Standardmäßig wird nach Kindesmissbrauch geschaut

„Wenn wir vor der Tür stehen, haben wir den Durchsuchungsbefehl dabei und dürfen uns also auch die Wohnung und die Geräte darin anschauen. Standardmäßig wird dann auch nach Kindesmissbrauch geschaut. Man weiß ja vorher nicht, was in dieser Familie los ist“, so beschreibt Hunger das Vorgehen und betont: „Das gehört dazu. Denn jedes missbrauchte Kind, das wir übersehen, wäre eins zu viel.“ Auch im Umgang mit Whatsapp und Co. raten Hunger und Fritz zu einem bedachtsamen Umgang. Man sollte sich schon genau angucken, in welchen Chatgruppen man Mitglied ist und möglichst auch den automatischen Download der Inhalte, die dort geteilt werden, am Handy deaktivieren. Werden in solch einer Gruppe verbotene Inhalte geteilt, sollte man sich umgehend davon distanzieren und gegebenenfalls die Polizei einschalten.

Und wie sieht nun der Job der Ermittlergruppe im Alltag aus? Eva Fritz, die als Sachbearbeiterin der Ermittlungsgruppe Kinderpornografie seit deren Einrichtung im März 2021 dabei ist, schildert es so: „Viele Leute denken, dass wir den ganzen Tag am Computer sitzen, Bilder und Videos anschauen und dann wieder nach Hause gehen.“ Tatsächlich aber umfasse das Aufgabenfeld weitaus mehr.

Wenn ein Fall mitsamt Durchsuchungsbeschluss die Ermittlungsgruppe erreicht, hat Fritz als erstes die Aufgabe, die Durchsuchung vorzubereiten, Informationen über die betreffenden Personen zu sammeln und dann ein Team mit drei anderen Kollegen zusammenzustellen, in dem verschiedene Fälle zusammen an einem festgelegten Durchsuchungstag abgearbeitet werden. „Wir gehen dann von Wohnanschrift zu Wohnanschrift, durchsuchen die Wohnungen, stellen die uns relevant erscheinenden Datenträger sicher und sind anschließend damit beschäftigt, alles zu verschriftlichen, was wir festgestellt haben. Vielleicht hat sich der Beschuldigte schon geäußert, dann machen wir noch eine Belehrung und Vernehmung.“

Die Staatsanwaltschaft entscheidet, was passiert, wenn alle Ermittlungen getätigt wurden

Ebenso gehört eine sogenannte erkennungsdienstliche Behandlung zum Job, wenn die rechtlichen Bedingungen dafür vorliegen, den Beschuldigten gleich am Durchsuchungstag mitzunehmen. „Da es sich um einen Verbrechenstatbestand handelt, ist das in 99,9 Prozent der Fälle so, dass wir direkt Bilder machen, Fingerabdrücke und Speichelprobe nehmen, also quasi einmal das Komplettpaket.“ Im Nachgang werden die von den Ermittlern eingesammelten Datenträger an die Spezialisten weitergereicht, die das Datenmaterial für eine Auswertung durch die Ermittler aufbereiten. Wenn die Daten dann bereitstehen, nehmen Fritz und ihre Kollegen die Auswertung selber vor: „Ich schaue mir das nicht am Handy an, sondern am dienstlichen Computer, an dem man inkriminierte Daten anschauen darf.“ Wenn sie feststellt, dass sich verbotenes Material darunter befindet, hält sie das in einer Anzeige fest. Datenträger mit inkriminierten Dateien bekommen die Beschuldigten nicht mehr zurück.

„Letztlich entscheidet die Staatsanwaltschaft, was mit den Asservaten passiert. Sie entscheidet auch, was weiter geschieht, wenn alle Ermittlungen getätigt wurden“, so die 31-Jährige: „Die Auswertung ist also nur ein Teil meiner Arbeit. Es ist wirklich eine bunte Mischung und ich kann aus voller Überzeugung sagen, dass das in keiner Weise monoton ist.“ Sie komme jeden Tag hoch motiviert zur Arbeit, „weil wir hier wirklich sinnvolle Arbeit verrichten“.

Frauen in der Überzahl

Verstärkung gesucht In der Ermittlungsgruppe ist man weiter auf Personalsuche und würde sich über Verstärkung freuen, wie deren Leiter Michael Hunger betont.

Software hilft „Was viele abschreckt, ist die Vorstellung, sich den ganzen Tag übelste Inhalte ansehen zu müssen“, weiß Hunger. Doch durch die neuen digitalen Werkzeuge werde hier allerdings vieles erleichtert.

Mehr Frauen Hunger hatte sich seinerzeit mehr Frauen in der Ermittlungsgruppe gewünscht. Mittlerweile sind sie sogar in der Überzahl – ein Vorteil, wie Hunger betont.

Gleiche Arbeit Die Tätigkeit der Waiblinger Ermittler hat viel mit pornografischen Inhalten zu tun. Das ist weder für Männer noch für Frauen ganz einfach. Aber Männer neigen hier dazu, ein schlechtes Gewissen zu entwickeln, weil es Pornografie ist, so Hunger: „Wenn man als Mann sieht, dass die Frauen mit den gleichen Inhalten umgehen, dann wird es zur normalen Arbeit.“

Emotional stabiler „Außerdem hat sich das Betriebsklima wesentlich verbessert und mir scheint, dass Frauen in unserem Arbeitsfeld stabiler sind als Männer“, so Hungers Beobachtung.