Gibt es bald den von Wissenschaftlern designten Menschen? Der Deutsche Ethikrat hält die Techniken noch für zu wenig ausgereift – und fordert weltweit gültige wissenschaftliche und ethische Standards.
Berlin /EPD - Knapp ein halbes Jahr nach Berichten über die Geburt genveränderter Zwillinge in China hat der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme zu Eingriffen in die menschliche Keimbahn vorgelegt. Das nationale Gremium, das Bundesregierung und Bundestag berät, lehnt Experimente wie den des Forschers He Jiankui, dessen Versuch nach wie vor nicht veröffentlicht ist, ab. Wegen ihrer unabsehbaren Risiken seien solche Eingriffe derzeit ethisch unverantwortlich, heißt es in einer am Donnerstag in Berlin vorgestellten Stellungnahme des Ethikrats.
Die Experten sind sich dabei aber auch einig, dass sie solche Eingriffe nicht grundsätzlich und für alle Zeit ausschließen. Die menschliche Keimbahn sei nicht unantastbar, heißt es in der ersten von insgesamt sieben einstimmig beschlossenen Empfehlungen des Ethikrats. Wegen der derzeit nicht absehbaren Risiken wird darin aber ein internationales Moratorium gefordert. Wissenschaftler wie He würden dann eine „rote Linie“ überschreiten, wie es die Medizin-Ethikerin Alena Buyx, die die Arbeitsgruppe im Ethikrat leitete, formulierte. Sie stünden dann außerhalb eines Konsenses über Forschungsstandards.
Hintergrund der Stellungnahme des Ethikrats sind die noch recht jungen Entdeckungen im Bereich des sogenannten Genome Editing. Mit dem Verfahren lässt sich die DNA in Lebewesen verändern, präzise und im Vergleich zu früheren Verfahren einfacher und kostengünstiger. Forscher hoffen durch die neuen Methoden auf Fortschritte bei der Vermeidung schwerer Erbkrankheiten wie Mukoviszidose oder gegen Krankheiten wie Malaria oder Aids.
Die bisherigen Verfahren gelten nach mehrheitlicher Auffassung noch nicht als präzise und sicher genug, um die Anwendung beim Menschen zu rechtfertigen. Sie sind zudem ethisch umstritten, weil der Eingriff tiefgreifend ist: Veränderungen in der Keimbahn würden an die nächste Generation weitervererbt, also dauerhaft festgeschrieben. Mehrfach hatten daher auch Wissenschaftler selbst in den vergangenen Jahren ein Moratorium für Eingriffe, die das menschliche Erbgut verändern, gefordert. Ein entsprechendes Abkommen gibt es aber bis heute nicht. Der Ethikrat forderte nun Bundesregierung und Bundestag erneut dazu auf, sich für eine Debatte darüber einzusetzen. Dabei schlägt er vor, nicht nur eine Nutzen-Risiko-Analyse zu führen, sondern Grundwerte wie Menschenwürde, Wohltätigkeit, Gerechtigkeit und Verantwortung zum Maßstab zu machen. Keine Einstimmigkeit gibt es laut Buyx, ob in Deutschland Forschung an Embryonen möglich sein sollte. Der Ethikrat legt in seiner Stellungnahme nahe, dass die Möglichkeiten der sogenannten Genom-Chirurgie für eine klinische Anwendung am Menschen weiter erforscht werden sollten, weil sie Chancen für die Vermeidung schwerer Erbkrankheiten bergen. In Deutschland ist dies durch das strenge Embryonenschutzgesetz aber nicht möglich. Eine Mehrheit im Gremium sei dafür, dies möglich zu machen, sagte Buyx.