Der zweite Mann, der sich ebenfalls als Pizzabote ausgab, ist bislang unbekannt. Symbolfoto: stock.adobe/ okanakdeniz
Von Heike Rommel
Backnang. Vor dem Stuttgarter Landgericht ist gestern der Prozess gegen einen der Räuber angelaufen, die im Dezember 2020 einen 66-Jährigen in einem Backnanger Industriegebiet als falsche Pizzaboten überfallen haben. Das Opfer hat bereits am ersten Prozesstag vor dem Landgericht als Zeuge ausgesagt.
Angeklagt ist ein 30-Jähriger, der vor der Untersuchungshaft seit dem 25. August 2021 ohne festen Wohnsitz war. Wovon er vor seiner Festnahme gelebt hat, wollte der in Stuttgart geborene gelernte Maler dem Vorsitzenden Richter Volker Peterke nicht sagen. Die Staatsanwältin legte dem Beschuldigten zur Last, sich am Abend des 19. Dezember zusammen mit einem unbekannten Mittäter als Pizzabote ausgegeben zu haben. Als sie der Hausbewohner hereinließ, fesselten und knebelten sie ihn.
Der 66-jährige Backnanger hat vor Gericht bereits geschildert, was ihm passiert ist. Er meinte auch, den Angeklagten wiederzuerkennen, als er ihm gegenübergestellt wurde. Von Richter Peterke zu seinem „aufregenden Erlebnis“ befragt, erzählte der Geschädigte, der Raubüberfall, von dem er einen Mittelohrriss und angebrochene Rippen davongetragen habe, sei „schon nicht einfach“ für ihn gewesen. „Es war schon dunkel“, erinnerte sich der 66-Jährige an jenen Freitagabend, als wegen Corona ab 20 Uhr Ausgangssperre verhängt war. Genau um 20 Uhr habe es geklingelt und „Pizzaservice“ durch die Sprechanlage getönt. Das könne er nicht sein, schickte der Backnanger die zwei angeblichen Pizzaboten wieder weg.
Den Code für den Tresor haben die Räuber von dem Backnanger erzwungen
Kurz darauf klingelte es wieder bei ihm und die falschen Boten sagten, es handle sich um die richtige Adresse. Kaum die Tür aufgemacht, wurde der Backnanger zu Boden gebracht und dort gefesselt und geknebelt. „Bargeld, Bargeld, Bargeld“, hätten die Täter gesagt und ihm etwa 600 Euro sowie seine Zentralschlüssel aus der Hosentasche gezogen. Der eine habe auf ihn aufgepasst und der andere habe den Tresor nicht öffnen können. Den Code für den Tresor hätten ihm die Räuber abgepresst, bevor der zweite Mann Papiere, Goldbarren sowie 500 bis 1000 Euro Bargeld herausgenommen habe. Dann hätten ihm die falschen Pizzaboten sein T-Shirt über den Kopf gezogen und seien geflüchtet. Er selbst habe sich zu seinem einzigen, relativ weit weg wohnenden Nachbarn schleppen können und dieser habe die Polizei verständigt.
„War keine Hilfe in Sicht?“, fragte Richter Peterke. „Da können Sie schreien, wie Sie wollen“, beschrieb der Backnanger das Industriegebiet, wo er hinterher die Schlösser an 17 Türen auswechseln lassen und die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen musste.
Der Angeklagte meinte, nicht er, sondern der Mittäter habe die Pizza überreicht. Dagegen sprachen Spuren vom Angeklagten auf dem Pizzakarton, den er nur beim Kauf in der Hand gehabt haben wollte. Vom Vorsitzenden Richter bekam er „Strafrabatt“ in Aussicht gestellt, wenn er den Namen des Mittäters nennt.
Der Backnanger Unternehmer jedenfalls sah in dem Angeklagten durchaus den Räuber vor sich, der am Boden durchgehend ein Knie auf seinen Kopf und ein Knie auf seine Brust presste, bis der andere die Beute an sich bringen konnte.
Mit dem Backnanger Raub war für den Beschuldigten die Anklage noch lange nicht zu Ende. In der Nacht auf den 24. Juli 2020 habe er mit einem anderen die Schaufensterscheibe eines Mobilfunkladens in Stuttgart-Weilimdorf eingeschlagen und Bargeld sowie zwei Smartphones gestohlen, das räumte er auch ein.
Mit Gartenschere und Schaufel in ein Casino eingebrochen
Ein vollumfängliches Geständnis legte der angeklagte Räuber auch darüber ab, dass er drei Tage später mit einer Schaufel und einer Gartenschere in ein Casino in Sersheim (Kreis Ludwigsburg) eingebrochen ist und etwa 6000 Euro Bargeld aus mehreren Spielautomaten geholt hat. Am 24. August 2021 war die schwere Einbruchsdiebstahl- und Raubserie zu Ende.
Tags drauf kam der Maler ins Untersuchungsgefängnis Stuttgart-Stammheim. Dort mache er sich seinen eigenen Angaben nach gerade dadurch nützlich, dass er die Zellen streicht.