Auch die Mopsfledermaus wurde in Backnang nachgewiesen. Sie gehört sie zu den seltensten Fledermausarten in Deutschland und ist vom Aussterben bedroht. Foto: Nabu/D. Nill
Von Kornelius Fritz
Backnang. Durch den Abriss einer ehemaligen Schlosserei an der Eugen-Adolff-Straße wollte die Stadt Backnang im Sommer 2019 ihr Luftproblem lösen. An der viel befahrenen Straße waren davor regelmäßig die Stickoxid-Grenzwerte überschritten worden. Ohne die alten Gewerbehallen, so hoffte man, werde die Straße besser belüftet, damit sich das Schadstoffproblem buchstäblich in Luft auflöst.
Doch schon nach wenigen Tagen mussten die Abbrucharbeiten wieder gestoppt werden. Ein Experte hatte in dem verlassenen Gebäude nämlich Kot einer streng geschützten Langohrfledermaus (Foto) gefunden. Erst ein Jahr später konnten die Arbeiten fortgesetzt werden, mit einer Ausnahmegenehmigung der oberen Naturschutzbehörde.
Diese war aber an Bedingungen geknüpft: So musste die Stadt Maßnahmen zum Populationserhalt der fliegenden Säugetiere ergreifen und in der näheren Umgebung Ersatzquartiere in Form von Nistkästen schaffen.
Um ähnliche Überraschungen bei künftigen Baustellen zu vermeiden, beschloss man im Rathaus, die Sache systematisch anzugehen und ein sogenanntes Fledermauskonzept erarbeiten zu lassen. „Es soll eine Planungshilfe für uns und für private Investoren sein“, erklärt der Leiter des Stadtplanungsamts, Tobias Großmann. Denn in den kommenden Jahren stehen etliche größere Bauprojekte auf der Agenda, zum Beispiel auf dem IBA-Gelände im Westen der Stadt. Es sei daher besser, sich schon heute um den Artenschutz zu kümmern, als erst dann zu reagieren, wenn bedrohte Tierarten entdeckt werden.
„Batlogger„ zeichnet Rufe der Fledermäuse auf
Zunächst ging es aber darum festzustellen, welche Fledermausarten es in Backnang überhaupt gibt und wo diese leben. Um das herauszufinden, beauftragte die Stadt die Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung aus Filderstadt. Biologinnen des Instituts verbrachten im vergangenen Jahr mehr als 40 Nächte in Backnang. Auf der Suche nach den lichtscheuen Tieren zogen sie mit Ultraschalldetektoren und Nachtsichtgeräten durch die Straßen. An fünf Stellen installierten sie auch so genannte „Batlogger“, das sind Geräte, die die Ultraschalllaute der Fledermäuse aufzeichnen und für das menschliche Ohr hörbar machen.
Anhand ihrer typischen Rufe ließen sich einige Arten bereits zweifelsfrei identifizieren, erklärt die Fledermausexpertin Katja Wallmeyer, andere könne man an ihrem Flug- und Jagdverhalten erkennen. Außerdem fingen sie und ihr Team auch einige Fledermäuse mit Netzen. Nachdem sie deren Art bestimmt und die Tiere mit einem Peilsender ausgestattet hatten, wurden diese wieder freigelassen.
Das Ergebnis der Bestandserhebung fällt für Backnang erfreulich aus: In dem Untersuchungsgebiet, das vom Murrtalviadukt bis zur alten Spinnerei reicht, konnten die Expertinnen zwölf verschiedene Fledermausarten nachweisen, darunter auch einige besonders gefährdete Arten wie die Mopsfledermaus oder das Große Mausohr. Wenn man bedenke, dass es in Deutschland insgesamt nur etwa 25 verschiedene Fledermausarten gebe, sei das ein guter Wert, erklärt Wallmeyer. Zwar sei es nicht möglich, alle Quartiere in der Stadt ausfindig zu machen, zumal manche Arten diese auch häufig wechseln. Immerhin zehn Habitate konnten die Expertinnen aber lokalisieren. So fanden sie etwa eine Zwergfledermauskolonie in einem Gebäude an der Fabrikstraße und im Bereich der alten Spinnerei leben mehr als 20 Wasserfledermäuse in einem Durchlass, wo die Weißach unter einem Gebäude durchfließt. Wobei Wasser auch für die meisten anderen Arten eine wichtige Rolle spielt: „Die Murr ist das wichtigste Jagdrevier“, erklärt Katja Wallmeyer, denn entlang des Flusses fänden die Fledermäuse die meisten Insekten.
Stadt plant eine Fledermausscheune
Damit sich die geflügelten Tiere auch weiterhin in Backnang wohlfühlen, empfiehlt die Expertin, die bekannten Quartiere möglichst zu erhalten und weitere zu schaffen. Das sei oft mit geringem Aufwand möglich, zum Beispiel indem man kleine Öffnungen in den Dachstühlen privater und öffentlicher Gebäude lasse. Diese könnten so gestaltet werden, dass nur Fledermäuse, aber keine Tauben oder Marder hineinkommen, erklärt Wallmeyer. Auch alte Bunker und Stollen sollten nicht komplett abgeriegelt werden, da Fledermäuse dort gerne ihren Winterschlaf machen. Zusätzlich könnte die Stadt auch eine eigene Fledermausscheune bauen, um dort gezielt bedrohte Tierarten anzusiedeln. Außerdem empfiehlt die Biologin, die Lichtquellen, wo es möglich ist, zu reduzieren (siehe Infotext).
Bei Stadtverwaltung und Gemeinderat stoßen die Vorschläge auf offene Ohren. „Wir sind erfreut, dass es in Backnang noch eine solche Artenvielfalt gibt und wissen jetzt, was wir noch tun können“, sagt Tobias Großmann. Die Idee mit der Fledermausscheune findet der Amtsleiter beispielsweise gut: Der neue Park, der auf dem IBA-Gelände entstehen soll, wäre dafür in seinen Augen ein geeigneter Standort. Im Erdgeschoss eines solchen Holzbaus könnte sich Großmann auch noch eine kleine Ausstellung mit Infotafeln rund ums Thema Fledermäuse vorstellen.
Auch unter den Stadträten gibt es viele Fledermausfreunde: „Das sind wahnsinnig süße und liebe Tiere“, schwärmte etwa Grünen-Fraktionschef Willy Härtner. Heinz Franke (SPD) und Gerhard Ketterer (CDU) regten an, die Untersuchung auch noch auf andere Teile des Stadtgebiets auszuweiten. Das sei durchaus denkbar, entgegnete Baudezernent Stefan Setzer. Man habe sich im ersten Schritt allerdings auf die Bereiche beschränkt, in denen in den nächsten Jahren größere bauliche Entwicklungen geplant seien. Dafür sieht sich die Stadtverwaltung mit ihrem Fledermauskonzept nun gut gerüstet. „Artenschutz ist mittlerweile verpflichtendes Recht“, weiß Tobias Großmann. Wenn man schon heute proaktiv neue Quartiere schaffe, werde man auch leichter eine Genehmigung bekommen, falls mal wieder ein Gebäude abgerissen werden soll, in dem sich Fledermausspuren finden.
Dunkle Zonen Fledermäuse sind nicht nur nachtaktiv, sie mögen generell kein Licht. Deshalb meiden sie stark beleuchtete Bereiche. Um ihre Lebensbedingungen zu verbessern, sollte es deshalb auch in Städten dunkle Zonen geben, erklärt Biologin Katja Wallmeyer. Dies gelte vor allem für Bereiche, wo sich ohnehin keine Menschen aufhalten, etwa die Wasseroberfläche der Murr.
Straßenbeleuchtung Bei den Straßenlaternen sollte man darauf achten, dass diese nicht zu weit oben angebracht sind und ihr Licht nicht nach allen Seiten streuen, sondern nur nach unten abstrahlen.
Austausch Die Stadt Backnang setzt laut Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann bereits bei allen neueren Straßenlaternen nach unten gerichtete LED-Strahler ein.
Ältere Leuchten sollen in den nächsten Jahren Schritt für Schritt ersetzt werden. „Wir nehmen das auf jeden Fall ernst“, versichert der Amtsleiter.