Ein Blick in die Reihen der Kommunalparlamente zeigt: Frauen sind unterrepräsentiert. Aus dem Gleichstellungsatlas der Bundesregierung geht hervor, dass 2017 in den Kreistagen und Gemeinderäten im Bundesdurchschnitt 27 Prozent Frauen saßen. Im Ländle sieht es mit 20 Prozent noch düsterer aus, so eine Auswertung von Spiegel online vom 17. März 2019. Bei diesem Thema kommt man in Backnang stets auf Felicitas Zeller zu sprechen. Sie war die erste Frau im Gemeinderat der Stadt. 1919 trat sie ihr Amt an.
Felicitas Zeller (Zweite von rechts) war in Backnang eine bekannte Persönlichkeit. Ihr Ehemann, der Arzt Heinrich Zeller, steuert den Wagen. Das Foto ist dem 2018 erschienenen Buch „Backnang – Eine Zeitreise in historischen Bildern“ von Peter Wolf entnommen. Repro: P. Wolf
Von Ingrid Knack
BACKNANG. Sie hatte sieben Kinder, stand ihrem Mann, dem Arzt Heinrich Zeller, in der Praxis zur Seite und engagierte sich sozial: Felicitas Zeller. Die Backnangerin half zudem bei der Armenfürsorge und beim Roten Kreuz. 1916 bekam sie das Charlottenkreuz verliehen, weil sie sich um Kriegsverwundete gekümmert hatte. Beim Kirchengemeinderat war sie außerdem Mitglied. Bei der ersten Gemeinderatswahl nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1919 ließ sie sich als Kandidatin der Liste der Liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) aufstellen und wurde auch gleich gewählt. Dem Backnanger Gemeinderat gehörte sie bis 1922 an.
Stephanie Eble schreibt in ihrem Beitrag „Mit Freuden hindurch – Felicitas Zeller, die erste Frau im Backnanger Gemeinderat“ im Jahrbuch 1999, Band 7: „Die Gemeinderatswahlen von 1919 waren in zweifacher Hinsicht etwas Besonderes. Es waren nicht nur die ersten demokratischen Kommunalwahlen nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918, sondern vor allem auch die ersten, an denen Frauen teilnehmen durften.“
Felicitas Zeller, geborene Werner, die 1867 in Ingelfingen bei Künzelsau geboren wurde, zögerte nicht lange und sprang nach ihrer Wahl ins kalte kommunalpolitische Wasser. Mittlerweile lebte Zeller schon einige Zeit in Backnang. 1891 hatten sie und ihr Mann ein gemietetes Haus mit Stall und Scheune in der heutigen Eduard-Breuninger-Straße (früher Kronenstraße) bezogen. Dort eröffnete der Mediziner Zeller auch eine Praxis. Bald waren die Räumlichkeiten für die Familie aber zu klein und die Zellers zogen in die Albertstraße um, nun in das eigene Haus. Als sich Felicitas Zeller aufs kommunalpolitische Parkett begeben wollte, hatte sie noch sechs Konkurrentinnen. Stephanie Eble: „Jede der insgesamt fünf angetretenen Listen konnte mindestens eine Frau vorweisen. Das war für eine Gemeinde dieser Größe recht außergewöhnlich.“ Zellers DDP, auf deren Liste die „Sanitätsratsehefrau“ an dritter Stelle stand, rief die Wählerinnen dazu auf, ihre Stimmen abzugeben, und priesen ihre Kandidatin besonders an: „Und auch die Frauen sind jetzt zur Mitarbeit berufen, sie dürfen nicht säumen und nicht fehlen an der Wahlurne. Wir schlagen eine Frau vor, welcher die Verhältnisse unserer Stadt aus jahrzehntelanger Berührung mit allen Kreisen wohlbekannt sind, welche die Nöte und Anliegen der Mütter, die Sorge einer Hausfrau und die vielen Fragen der Erziehung und Heranbildung kennt.“
Ihre Konkurrentinnen schaffen es nicht ins Gremium
Felicitas Zeller war die einzige Frau, die es 1919 in den Backnanger Gemeinderat schaffte. Wie Eble schreibt, hat die „kleine Frau von hagerer Gestalt“ wohl nicht damit gerechnet, gewählt zu werden. Wiederholt habe sie es bedauert, die einzige Frau in der Gemeindevertretung zu sein. „Und dann scheinen sie doch ernsthafte Selbstzweifel geplagt zu haben, ob sie dieser Aufgabe gewachsen war.“ An ihre Schwester Antonie schrieb sie etwa: „Seit ich weiß, daß mir ein solches Amt anvertraut werden soll, empfinde ich meine Unzulänglichkeit viel deutlicher. Nun muß es eben mit Gottes Hilfe gehen.“ Felicitas Zeller war zu jener Zeit 51 Jahre alt, vier ihrer Kinder waren bereits erwachsen und aus dem Haus. Doch sie musste noch für die anderen Kinder im Alter zwischen neun und zwölf Jahren da sein und arbeitete in der Praxis ihres Mannes als Arzthelferin.
Im Gemeinderat setzte sie sich vor allem für soziale Themen ein. Im Armenausschuss kümmerte sie sich um die Verteilung von Lebensmitteln und die Unterstützung Bedürftiger. Eble: „Neben dem Armenausschuss war Frau Zeller auch in einem Ausschuss vertreten, der Brennholz an Minderbemittelte verteilen sollte. Weiterhin engagierte sich Felicitas Zeller auch im evangelischen Ortsschulrat, in den sie 1919 in geheimer Abstimmung mit hoher Stimmenzahl gewählt worden war.“ Dass Felicitas Zeller sich bei den Wahlen 1922 nicht mehr um ein Amt bewarb, führt Eble auf die doch hohe Belastung für die toughe Frau zurück, die neben ihrem Hausfrauendasein auch einen Beruf hatte und Ehrenämter bekleidete. Später wurde nach ihr eine Treppe benannt. So kamen die Backnanger zur Felicitas-Zeller-Staffel.
Bei den Kandidaten für die Gemeinderäte in Backnang und Umgebung handelt es sich um 221 Frauen und 502 Männer. Bezogen auf die einzelnen Kommunen stellt sich der Frauen- und Männeranteil unter den Bewerbern folgendermaßen dar:
Allmersbach im Tal: 7 Frauen, 21 Männer
Althütte: 8 Frauen, 29 Männer
Aspach: 15 Frauen, 34 Männer
Auenwald: 18 Frauen, 49 Männer
Backnang: 80 Frauen, 138 Männer
Burgstetten: 5 Frauen, 19 Männer
Großerlach: 7 Frauen, 18 Männer
Kirchberg an der Murr: 19 Frauen, 35 Männer
Murrhardt: 21 Frauen, 45 Männer
Oppenweiler: 9 Frauen, 19 Männer
Spiegelberg: 2 Frauen, 14 Männer
Sulzbach an der Murr: 8 Frauen, 31 Männer
Weissach im Tal: 22 Frauen, 50 Männer