Der Prozess um den Mordfall in Allmersbach im Tal am Stuttgarter Landgericht geht weiter. Archivfoto: A.Becher
Von Bernhard Romanowski
ALLMERSBACH IM TAL/STUTTGART. Eine Terrasse mit sommerlichen Sitzmöbeln, Weingläser vom Vorabend stehen noch auf dem Tisch. „Es sah alles nach einem gemütlichen Samstagabend aus“, schilderte ein Beamter des Polizeireviers Backnang gestern am Stuttgarter Landgericht einen Einsatz vom Morgen des 21. Juni des vergangenen Jahres. Von den Kollegen in Waiblingen waren die Backnanger Beamten informiert worden, dass es in einer Wohnung in Allmersbach im Tal sehr wahrscheinlich zu einem Verbrechen gekommen sei und der Täter sich noch in der Wohnung aufhalten könnte.
In voller Schutzausrüstung betraten die drei Beamten das Gebäude in Allmersbach vom Nachbargrundstück aus und dann über die besagte Terrasse. In der mit Blutspuren übersäten Wohnung fanden sie die leblosen Körper der 41-Jährigen Bewohnerin und ihrer neunjährigen Tochter. Wie der Beamte im Zeugenstand schilderte, hatte ein Waiblinger Kollege den Hinweis zu der Tat von einem Ehepaar bekommen, dass sich offenbar am Morgen danach bei der Polizei gemeldet hatte. Demnach soll es sich um die Eltern des damals 36-jährigen Mundelsheimers handeln, der sich vor der 19. Strafkammer des Landgerichts für die Tat zu verantworten hat. Das Ehepaar macht als Angehörige des Angeklagten allerdings Gebrauch vom Zeugnisverweigerungsrecht. Doch kurz nach der Tat hatte der Angeklagte per Whatsapp eine Nachricht an mehrere Adressaten geschickt: Er sei Amok gelaufen und hoffe, die beiden Opfer hätten es nicht überlebt. Er habe dann auch in Gaildorf vor der Tür seiner in Trennung mit ihm lebenden Frau gestanden, um sie „zu erlösen“, wie er schrieb. Das sei ihm nicht gelungen, teilte er seinem Umfeld in der Nacht vom 20. zum 21. Juni 2020 mit. Die Nachricht ging demnach auch an seine Eltern. Der polizeiliche Zeuge bezog sich jedenfalls auf einen Kollegen, als er sagte, dass die Eltern wohl aufgrund der Nachricht ihres Sohnes nach Allmersbach gefahren seien, dort aber nicht in die Wohnung gelangen konnten und erst daraufhin die Polizei verständigten.
Die Todesbotschaft des Angeklagten fand unterschiedliche Resonanz.
Zum Erhalt dieser Nachricht und zu ihrer Reaktion darauf wurden gestern auch drei Zeugen befragt, die sich als langjährige Freunde des Angeklagten beschrieben. Was wirklich passiert war in jener Nacht, sei ihnen erst klar geworden, als anderntags weitere Mitteilungen im Bekanntenkreis kursierten und Polizeihubschrauber über Mundelsheim und Umgebung schwebten. Einer der Zeugen hatte die nächtliche Nachricht des Angeklagten sogar erst so verstanden, dass es sich um die Tötung zweier Hammel aus dessen Herde handelte. Wie sie auf Nachfrage von Richter Norbert Winkelmann beteuerten, hätten sie nie gedacht, dass ihr Freund zu einer solchen Tat fähig gewesen wäre, gaben die drei Zeugen zu verstehen. „Offen, hilfsbereit, positiv verrückt“ – so beschrieben sie den Angeklagten. Erst auf Nachhaken des Richters räumten sie ein, dass dieser über seltsame Marotten verfüge, dass er mitunter fast zwanghaft Dinge von der Straße aufhebe, Reste vom Boden oder vom Teller anderer Leute esse und Tierschädel sammle, wie es bereits andere Zeugen schon erwähnt hatten. Ob der Angeklagte seine Schafe, die er eine Zeit lang hielt, selber schlachtete oder schlachten ließ, wurde auch auf Nachfrage des Gerichts nicht ganz deutlich, wohl aber, dass er über den Vorgang der Tötung der Tiere öfters gesprochen hatte.
Ein aggressives Verhalten des Angeklagten anderen Menschen gegenüber bestätigten die drei Zeugen ihrem Mundelsheimer Kumpel nicht. Sie sprachen allenfalls von einigen wenigen Verbalaggressionen, die der Angeklagte mit Bezug auf seinen damaligen Chef geäußert haben soll. Ein gutes Verhältnis seinen beiden in Gaildorf lebenden Kindern gegenüber attestierten ihm seine Freunde gestern nicht. Sie gaben aber auch an, mit ihm kaum über Gefühls- und Beziehungsdinge gesprochen zu haben, da dies unter Männern nicht üblich sei, so ein Zeuge, der ebenfalls in Mundelsheim lebt. Die Frage, wie der Angeklagte an die Adresse seiner baldigen Ex-Frau in Gaildorf gekommen ist, wurde gestern gelöst. Eine ehemalige Freundin der Gaildorferin war als Zeugin erschienen. Bei ihr hatte die Noch-Gattin des Angeklagten eine Zeit lang gewohnt, bevor sie mit der Tochter der Zeugin und deren Ex-Mann nach Gaildorf zog. Die Zeugin gab an, deren neue Adresse dem Angeklagten mitgeteilt zu haben, weil sie es nicht richtig fand, dass dieser seine Kinder nicht sehen durfte.
Mehrfach nachgefragt wurde gestern auch, was es mit den Kennzeichen der beiden Autos des Angeklagten auf sich habe. Sie tragen neben dem Unterscheidungszeichen (Stadt/Kreis) auch die Initialen des Angeklagten und jeweils zwei Ziffern. Diese Kombinationen könnten auch als rechtsradikale Grußformeln verstanden werden, so ein Vertreter der Nebenkläger. Zumal der Mundelsheimer eines seiner Autos Adolf und das andere Eva nenne, wie die Zeugen auch bestätigten. Dies hatte auch der Bruder und Onkel der beiden Allmersbacher Opfer in seiner Befragung schon mitgeteilt. Von den mit dem Angeklagten befreundeten Zeugen war gestern aber nicht viel dazu zu erfahren. Es handle sich schlicht um dessen Lieblingszahl, sagten sie. Richter Winkelmann schob weiteren Mutmaßungen über die Bedeutung der Kennzeichen vorerst einen Riegel vor. „Wir sind hier nicht in der 18. Strafkammer“, sagte er mit Bezug auf die Kammer des Stuttgarter Landgerichts, die sich mit sogenannten Staatsschutzsachen befasst.