Leonie und Timo Deuschinger haben am Bühlhauweiher in Althütte geheiratet. Dort umrahmen Vogelgezwitscher und Froschgequake die Zeremonie. Foto: Helene Tänzer
Von Simone Schneider-Seebeck
Rems-Murr. Laut einer repräsentativen Umfrage vom Zeitraum Dezember 2020 bis Januar 2021 gaben 94 Prozent der 1653 Paare, die in den vergangenen zwölf Monaten geheiratet hatten, an, den Bund des Lebens auf dem Standesamt geschlossen zu haben. Und da dieser besondere Tag sprichwörtlich als der schönste des Lebens gilt, bieten so einige Städte und Gemeinden heutzutage neben dem Trauzimmer im Rathaus auch etwas außergewöhnlichere Orte an, um sich das Jawort zu geben.
Vielleicht hat die Gemeinde allerdings bereits den Vorzug eines Rathauses, das in einem außergewöhnlichen Gebäude residiert. So wie etwa in Oppenweiler. Hier befinden sich Rathaus, Standesamt und Trauzimmer in einem Wasserschloss, inmitten einer grünen Parklandschaft. Über 200 Jahre zählt das barocke Bauwerk und es ist der einzige achteckige Vertreter seiner Art in Europa, gekrönt von einem Turmzimmer mit prachtvollem Ausblick in die weite Umgebung. Über eine Wendeltreppe erreicht man das helle Trauzimmer. „Hier ist es wie unter freiem Himmel zu heiraten – nur mit Dach“, strahlt Standesbeamtin Antje Welz. Die zahlreichen Fenster lassen sich auf Wunsch öffnen, dann hört man nur das Rauschen und Springen der Fontänen im Schlosssee. Der Blick fällt auf Wälder, Hügel, den Ort – malerisch. Es ist, als würde man über allem Irdischen schweben. „Der Raum ist sehr ruhig“, sagt Antje Welz. „Das muss er auch sein. Es gibt genug Emotionen, die hier herumschwirren.“ Wohl wahr! Was für ein erhebendes Gefühl muss es für die Braut sein, wenn sie in festlicher Garderobe die schmale Treppe emporschwebt und sie der Bräutigam in Empfang nimmt, um dann gemeinsam nach vorne zu ihrem Platz zu schreiten.
Die Wochenendtermine für dieses Jahr sind schon ausgebucht
Etwa 130 bis 160 Trauungen finden hier jährlich statt, für die beschauliche Gemeinde Oppenweiler ist das nicht gerade wenig. Noch ist das architektonische Schmuckstück von Johann Andreas Traitteur ein Geheimtipp, die zahlreichen auswärtigen Heiratswilligen erfahren vor allem über Mund-zu-Mund-Propaganda davon und sind gern bereit, den fälligen Aufpreis zu zahlen. In diesem Jahr sind bereits alle Samstagstermine ausgebucht, doch unter der Woche sind durchaus noch Trauungen drin. Dramen hat Welz bisher noch keine erlebt und sofern sich welche angebahnt hatten, konnte die Situation gut gelöst werden: „Mir ist es wichtig, dass die Paare sich aufgehoben fühlen.“ Die Zahl der Trauungen spricht sicher dafür.
Für naturliebende Romantiker ist der Bühlhauweiher genau der richtige Ort. Im Rathaus Althütte hatte man sich schon länger Gedanken darüber gemacht, einen Trauort im Freien anzubieten. „Seit Mai 2016 werden vor dieser wunderschönen und einzigartigen Kulisse standesamtliche Hochzeiten angeboten“, berichtet Reinhold Sczuka, Bürgermeister in Althütte. „Mit schönem Vogelgezwitscher und einem klangvollen Froschkonzert im Hintergrund kann sich das Brautpaar in romantischidyllischer Umgebung das Jawort geben.“ Und das machen die Althütter offensichtlich sehr gern. Etwa 90 Prozent der Ehen werden mittlerweile an diesem idyllischen Ort geschlossen.
Leonie Deuschinger und ihr Mann Timo gehören dazu. Erst im Juni konnten sie bei perfektem Sommerwetter ihre Hochzeit hier feiern. „Wir mögen die Natur und verbinden viel mit diesem Ort“, so die Tochter von Bürgermeister Reinhold Sczuka. Ein weiterer Vorteil – unter freiem Himmel lassen sich die Coronamaßnahmen wesentlich einfacher umsetzen, das gebe auch ein Gefühl der Sicherheit.
Zurück zur Natur liegt nicht nur in Althütte im Trend. Zwar bietet der Trauplatz in Berglens Teilort Öschelbronn kein ausgewiesenes Biotop, dafür jedoch eine wunderschöne Aussicht auf die seit Jahrhunderten gepflegte Streuobstkultur im Kreis. Seit knapp vier Jahren hat sich die romantisch gestaltete Wiese mit zwei großen verschlungenen Ringen zu einem sehr nachgefragten Hochzeitsort entwickelt. Wer es lieber urig mag, der kann im Heimatmuseum in Oppelsbohm den gemeinsamen Lebensweg beginnen.
Heiraten in luftiger Höhe – das geht im Backnanger Stadtturm
In Backnang kann man zwar nicht im Freien heiraten, doch dafür hoch über der Stadt. Im Wahrzeichen der Murr-Metropole, dem Stadtturm, der Ende des 17. Jahrhunderts zunächst durch einen Brand zerstört und dann wiederaufgebaut wurde, stehen für Heiratswillige sogar gleich zwei außergewöhnliche Räumlichkeiten zur Wahl, um den Bund fürs Leben zu schließen. Wer einen abenteuerlichen Aufstieg nicht scheut, darf sich seit 2003 in luftiger Höhe mit Aussicht auf die Stadt ewige Treue schwören. Die vorherige Begehung ist jedoch Pflicht, zudem werden Trauungen hier nur in den etwas wärmeren Monaten angeboten. Immerhin neun Ehepaaren war 2018 und 2019 die Aussicht über Backnangs Dächer etwas sportliche Betätigung wert. Wer nicht ganz so hoch hinaus möchte, bleibt im unteren Geschoss. Der gotische Chor im Stadtturm ist der Überrest der ehemaligen Pfarrkirche St. Michael aus dem 13. Jahrhundert und bietet einen besonders feierlichen Rahmen für eine standesamtliche Trauung. Als besonderes Schmuckstück mittelalterlicher Architektur gilt er durch das neunstrahlige Gewölbe und die originellen Kapitelle, was 2018 und 2019 zwölf Paare zu schätzen wussten. Da dieser Raum ein Teil der Städtischen Galerie ist, steht er jedoch nicht immer zu Verfügung.
Das Belvedere-Zimmer im Wasserschloss in Oppenweiler ist unter anderem aufgrund des Rundumblicks in den Schlossgarten bei Brautpaaren überaus beliebt. Standesbeamtin Antje Welz verzeichnet weit mehr als 100 Hochzeiten im Jahr. Foto: Gemeinde Oppenweiler