Das Wohngebiet Hohengehren im Ortsteil Heutensbach der Gemeinde Allmersbach im Tal ist eines der Areale, deren Baubestimmungen die Gemeindeverwaltung gerne auf aktuellen Stand bringen würde. Foto: Gemeinde
Von Bernhard Romanowski
Allmersbach im Tal. Es ist schon fast eine Art Lehrstück zu den Themen Demokratieverständnis, Kommunalpolitik und Kommunikation, die jüngst in der Turn- und Versammlungshalle in Allmersbach im Tal zu erleben war. In der Sitzung des Gemeinderats ging es unter anderem darum, wie sich das Wohngebiet Hohengehren im Ortsteil Heutensbach baulich weiter entwickeln soll. Hier stand vordergründig die Bauleitplanung für das Gebiet zur Debatte. Dabei wurde aber offenbar, dass die Ratsarbeit kein immer leichtes Unterfangen ist.
Zur Erläuterung des Themas ist ein kleiner Zeitsprung zurück in den Dezember notwendig: Die Gemeindeverwaltung hatte damals die Anwohner aus dem Bereich Bergstraße, Hohengehren, Schönblick und Hohlgasse zu einem Workshop zur Zukunft des Wohngebiets Hohengehren eingeladen. Mit dabei waren auch Verantwortliche der Dorfgemeinschaft Heutensbach sowie Mitglieder des Gemeinderats. In den vergangenen Jahren hatten nämlich immer mehr Grundstückseigentümer bei Sanierungsmaßnahmen Ausnahmen oder Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans im Bereich Hohengehren beantragt. „Dies spricht dafür, dass die dort getroffenen Festsetzungen den heutigen Wohnraumbedürfnissen nicht mehr entsprechen. Ein Bebauungsplanverfahren würde Festsetzungen der heutigen Wohnraumbedürfnisse beinhalten und damit Einzelfallentscheidungen entbehrlich machen“, so der Gedanke der Gemeindeverwaltung.
Schon früh die Bürgerinnen und Bürger mit einbezogen
Zu einem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt, nämlich noch bevor ein formales Verfahren gestartet oder ein konkreter Bauantrag eingereicht worden war, wollte Bürgermeisterin Patrizia Rall die Bürgerinnen und Bürger mittels Workshop am Verfahren beteiligen. Über die Hälfte der 42 Eigentümer folgte der Einladung zum Austausch von Anregungen, Ideen und Wünschen. Der Stadt- und Landschaftsplaner Jochen Roos gab bei dem Workshop einen Überblick über den Istzustand der derzeit bestehenden vier Bebauungspläne, die zumeist noch aus den 1960er-Jahren stammen.
Insgesamt umfasst das Wohngebiet Hohengehren eine Fläche von knapp vier Hektar, von der 1,5 Hektar überbaut sind. Roos nannte planungsrechtliche Ansatzpunkte, wie man die heutigen Wünsche und den modernen Bedarf an Wohnraum in einem Bebauungsplan mit Blick auf Grundflächenzahl, Geschossigkeit, Dachformen, Gebäudehöhen und die Festsetzung von Wohneinheiten umsetzen kann. In einer moderierten Fragerunde äußerten zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Bedenken und Anregungen zur baulichen Entwicklung des Wohngebiets. Nach dem Austausch in großer Runde wurde in vier Kleingruppen inhaltlich tiefer diskutiert.
Punkte, die immer wieder genannt wurden, waren die Themen Verkehr und Parken sowie der Wunsch, eine einheitliche Begrenzung der Wohneinheiten pro Gebäude für das Gebiet festzulegen. Bei der Dachform wurden Stimmen sowohl für eine Vielfältigkeit wie auch für eine Beibehaltung der Satteldachform geäußert. Auch über die Begrenzung der Geschossigkeit und der Gebäudehöhen wurde kontrovers diskutiert.
Unentschlossenheit in der jüngsten Sitzung
Nun ein Sprung zurück zur jüngsten Gemeinderatssitzung in Allmersbach. Das Gremium sollte über die Bauleitplanung für Hohengehren entscheiden: Belässt man es bei den alten Regelungen, die der Verwaltung und den Antragstellern viel Aufwand bereiten und mitunter auch Investoren und ihren Plänen Tür und Tor offenlassen aufgrund der alten Festsetzungen? Oder beschließt man, eine neue Bauleitplanung für das Gebiet zu entwerfen, über deren genauen Inhalt man sich dann später noch abstimmen würde?
Interessant ist hierbei der Punkt, dass der Verwaltung mittlerweile ein Positionspapier von einer Interessensgemeinschaft „Eigentümer Wohngebiet Hohengehren Heutensbach“ vorliegt. Die Unterzeichner sprechen sich darin – grob gesagt – dafür aus, alles so zu belassen, wie es ist und keine Änderung des Bebauungsplans vorzunehmen. Das ist auch deshalb interessant, weil einige der Unterzeichner wohl selber bereits Befreiungen vom noch bestehenden Bebauungsplan beantragt und umgesetzt haben, es aber künftig wohl nicht so gerne sehen würden, wenn man anderen das auch genehmigt. „Ich muss mich doch sehr wundern, warum einige Leute gegen eine Bebauungsplanänderung sind, obwohl sie im Workshop dafür plädiert haben“, merkte Bürgermeisterin Rall am Dienstag zudem in Richtung Zuschauerraum an, wo sich Bürgerinnen und Bürger aus dem besagten Wohngebiet niedergelassen hatten, um der Debatte zu folgen. Das sorgte zumindest bei einigen Ratsleuten offenbar für Entscheidungsschwierigkeiten. Während Eberhard Kümmel von der NLAH-Fraktion die forsche Idee aufwarf, doch gleich einen Bebauungsplan zu gestalten, der als Blaupause für weitere Gebiete in Allmersbach gelten könne, bremste seine Fraktionskollegin Rebecca Reicherz lieber ab: „Und wenn der Bedarf in ein paar Jahren wieder anders aussieht? Sollen wir nicht lieber noch warten?“ Sie war nicht die einzige in der Sitzung, die mit einem Beschluss in der Sache haderte.
„Das Ganze betrifft mich nicht. Warum soll ich bestimmen, wie andere bauen dürfen?“, meldete sich Timo Herbst von der UWV zu Wort. „Dazu stelle ich Ihnen die ketzerische Frage: Warum sitzen Sie dann hier?“, so die Erwiderung der Bürgermeisterin. Schließlich sei er gewählt worden, um solche Dinge abzuwägen und zu entscheiden. Nicht zuletzt dafür bekomme er sein Sitzungsgeld, so Rall. „Sie machen es sich ganz schön einfach“, reagierte Herbst schmollend.
Irgendwann beantragte NLAH-Fraktionssprecher Eberhard Bauer das Ende der Debatte. Außer ihm, der Bürgermeisterin und drei seiner Fraktionskollegen stimmte aber niemand dafür. Es kamen anschließend noch ein paar Fragen zum grundsätzlichen Prozedere einer Bauleitplanung, dann sprach die Bürgermeisterin die fast schon erlösenden Worte: Die Diskussion zeige, dass noch ein großer Aufklärungsbedarf in der Sache bestehe. Sie forderte die Gemeinderäte auf, sich im Nachgang der Sitzung innerhalb ihrer Fraktion noch einmal zu dem Thema zu beraten.
Von Bernhard Romanowski
Es schien irgendwie der Wurm drin zu sein beim Tagesordnungspunkt 9. Nicht dass die Gemeinderäte es sich sonst leicht machen und die Tagesordnung quasi im Schweinsgalopp abarbeiten. In Allmersbach wird sehr wohl das Für und Wider jeder Sachentscheidung sorgfältig bedacht und bei Bedarf auch länger debattiert. Doch die Diskussion zum Wohngebiet Hohengehren wollte an diesem Abend partout nicht in einen Beschluss münden. Lag es an der Komplexität des Themas Bauleitplanung, das in der Tat kein einfacher Stoff ist? Oder waren es doch eher Gründe menschlicher Natur, die hier eine Rolle spielten? Jedenfalls schien die Präsenz einiger Anwohner und Eigentümer aus dem Wohngebiet das ein oder andere Ratsmitglied doch arg zu verunsichern. Dabei ging es ja nicht das erste Mal um bauleitplanerische Themen im Allmersbacher Rat. Bislang sah sich aber kein Gemeinderat plötzlich außerstande, Entscheidungen dazu zu fällen. Zumal es hier ja noch gar nicht um konkrete Bestimmungen ging. Sondern erst einmal darum, ob man die Bebauungsvorgaben überhaupt modernisieren will. Bürgermeisterin Rall reagierte indessen sehr souverän und machte noch einmal deutlich, wozu die Gemeinderäte ihr Mandat von den Wählerinnen und Wählern erhalten haben. Dass der Entscheidungswille nicht unter der Bürgernähe leiden darf, schien manchem Ratsmitglied nicht mehr bewusst zu sein.
b.romanowski@bkz.de