An einer Gemeinschaftsschule, wie hier an der Tausschule in Backnang, können die Schüler in verschiedenen Fächern auf unterschiedlichem Niveau unterrichtet werden. Das kommt bei den Eltern nach der Coronazeit gut an. Archivfoto: Alexander Becher
Von Kornelius Fritz
Backnang. Bis Ende März hatten die Eltern von Kindern in der vierten Grundschulklasse Zeit, um ihre Tochter oder ihren Sohn an einer weiterführenden Schule anzumelden. Die Zahlen der Schulen im Rems-Murr-Kreis liegen dem Staatlichen Schulamt in Backnang mittlerweile vor. Sie zeigen eine deutliche Verschiebung von den Realschulen zu den Gemeinschaftsschulen. Wurden im vergangenen Jahr noch 1149 Viertklässler an einer Realschule angemeldet, waren es jetzt nur noch 1068. Prozentual ging der Anteil des Jahrgangs, der auf eine Realschule wechselt, von 33,1 auf 30,4 Prozent zurück. Gleichzeitig stiegen die Anmeldungen an den Gemeinschaftsschulen von 815 auf 892, das entspricht 25,3 Prozent des Jahrgangs (Vorjahr: 23,5 Prozent).
Leicht gestiegen ist auch der Anteil der Gymnasiasten von 42,5 auf 43,5 Prozent. Werkrealschulen spielen im Rems-Murr-Kreis kaum noch eine Rolle: An den drei letzten Einrichtungen dieser Art in Plüderhausen, Alfdorf und Rudersberg wurden insgesamt nur noch 23 Kinder angemeldet.
Schulamtsleiterin Sabine Hagenmüller-Gehring freut sich über die steigenden Zahlen an den Gemeinschaftsschulen: „Diese Schulart hat an Renommee gewonnen und sich inzwischen etabliert“. Obwohl dort genau wie an den Realschulen ein mittlerer Bildungsabschluss möglich ist, hatten viele Gemeinschaftsschulen als ehemalige Haupt- und Werkrealschulen in den ersten Jahren mit Vorbehalten zu kämpfen. Doch die scheinen überwunden: „Es gibt kein grundsätzliches Misstrauen mehr“, hat die Schulamtsleiterin festgestellt. Im Rems-Murr-Kreis ist die vor zehn Jahren eingeführte Schulart sogar besonders beliebt: Die Anmeldezahlen liegen hier laut Hagenmüller-Gehring um rund zehn Prozent über dem Landesdurchschnitt.
Nur zwei fünfte Klassen an der Schickhardt-Realschule
Auch an den Backnanger Gemeinschaftsschulen ist der positive Trend erkennbar: Sowohl die Mörikeschule als auch die Gemeinschaftsschule in der Taus haben mehr als 40 Anmeldungen und können problemlos zwei fünfte Klassen bilden. An der Tausschule reichte es im vergangenen Jahr nur zu einer. Schulleiter Jochen Nossek sieht einen Zusammenhang mit der Coronapandemie: Durch die langen Homeschooling-Phasen hätten etliche Kinder noch Lücken. Das individuellere Lernen an der Gemeinschaftsschule komme ihnen entgegen. „Außerdem haben die Eltern inzwischen gemerkt, dass auch wir ihre Kinder zu einem guten Realschulabschluss führen können“, sagt Nossek. Selbst Kinder, die mit einer Hauptschulempfehlung von der Grundschule kämen, würden bei ihm nicht selten den mittleren Bildungsabschluss schaffen.
Die Conrad-Weiser-Schule in Aspach meldet mit 44 Anmeldungen sogar einen neuen Rekordwert. Während man vor einigen Jahren noch um die Zweizügigkeit bangen musste, hat Schulleiterin Heidi Ahlers inzwischen andere Sorgen: „Wir sind räumlich am Limit und warten dringend auf einen Anbau.“ Ahlers freut sich vor allem darüber, dass immer mehr Aspacher Eltern ihre Kinder an der Schule vor Ort anmelden. Erfahrungsgemäß wächst die Klassengröße im Lauf der Jahre noch, weil Schüler hinzukommen, die zum Beispiel am Gymnasium überfordert waren.
Weniger glücklich sind die Schulleiterinnen und Schulleiter vieler Realschulen. In Backnang verzeichnet vor allem die Schickhardt-Realschule einen deutlichen Schülerschwund: Vor zwei Jahren hatte sie noch 73 Anmeldungen, im vergangenen Jahr waren es 51 und jetzt nur noch 43. Die eigentlich dreizügige Realschule kann deshalb zum zweiten Mal in Folge nur noch zwei fünfte Klassen bilden. Die neue Schulleiterin Maria-Teresa Vizziello bleibt aber gelassen: „Wir haben deshalb keine Ängste“. Die rückläufigen Anmeldezahlen führt sie unter anderem darauf zurück, dass Infoveranstaltungen zuletzt nur digital möglich waren. So sei es schwierig gewesen, die Eltern der Viertklässler zu erreichen, um ihnen die Schule und ihre Angebote vorzustellen.
Auch Vizziello rechnet damit, dass die Schülerzahlen durch Zugänge von den Gymnasien noch steigen werden. So sei es auch durchaus möglich, dass die Dreizügigkeit in einer höheren Klassenstufe doch noch erreicht werde.
Relativ stabil ist die Lage an den beiden Backnanger Gymnasien: Sowohl das Max-Born-Gymnasium (MBG) als auch das Gymnasium in der Taus werden mit vier fünften Klassen ins neue Schuljahr starten. „Wir können alle Schüler aufnehmen, die sich bei uns angemeldet haben“, erklärt der Schulleiter des Tausgymnasiums, Udo Weisshaar. Das Gymnasium im Backnanger Norden hatte zuletzt starken Zulauf, weil es seit 2013 das einzige G-9-Gymnasium im Rems-Murr-Kreis ist. Die Schülerinnen und Schüler haben dort auf dem Weg zum Abitur also ein Jahr mehr Zeit. Dem Max-Born-Gymnasium hat das aber nicht geschadet, weshalb nun beide an räumliche Grenzen stoßen. „Wir werden nächstes Schuljahr wahrscheinlich einen Fachraum als Klassenzimmer nutzen müssen“, erklärt Christoph Nesper, stellvertretender Schulleiter am MBG. Auch am Tausgymnasium werde es langsam eng, sagt Rektor Weisshaar. Die Schulleitung sei deshalb bereits in Gesprächen mit der Stadt, wie die räumliche Situation verbessert werden könne.
Grundschulempfehlung
Vor der Wahl der weiterführenden Schule bieten die Grundschulen den Eltern der Viertklässler eine Beratung an. Anschließend erhalten diese auch eine schriftliche Empfehlung, die an der neuen Schule vorgelegt werden muss. Seit dem Schuljahr 2012/13 ist die Grundschulempfehlung aber nicht mehr bindend. Die Eltern können frei entscheiden, an welcher Schule sie ihr Kind anmelden.
Gemeinschaftsschulen
Hier können die Schülerinnen und Schüler in jedem Fach auf der für sie am besten geeigneten Niveaustufe lernen. Ein Wechsel von einer Niveaustufe in eine andere ist jederzeit möglich.
An den Gemeinschaftsschulen kann sowohl der Haupt- als auch der Realschulabschluss erworben werden. Eltern und Kinder können sich die Wahl des angestrebten Schulabschlusses bis zur 8. Klasse offenhalten.
Realschulen Seit 2019 gibt es auch hier die Möglichkeit, neben der Mittleren Reife den Hauptschulabschluss zu machen. Allerdings wird an der Realschule in den Klassen 5 und 6 ausschließlich auf mittlerem Niveau unterrichtet und bewertet. Nach der Orientierungsstufe wird anhand der Noten entschieden, ob die Kinder auf mittlerem Niveau oder dem zum Hauptschulabschluss führenden grundlegenden Niveau weiterlernen.