„Allen Menschen recht getan ist eine Kunst, die keiner kann.“ Dieses alte Sprichwort bewahrheitet sich besonders immer dann, wenn Schnee fällt und der Winterdienst ausrückt oder ausrücken sollte. Stets gibt es Autofahrer, die schimpfen. Zu Recht oder Unrecht, ist nicht selten auch Ansichtssache. Verantwortliche weisen Kritik zurück.
Darüber freuen sich Autofahrer: Ein Schneeräumfahrzeug, das rasch die Straßen befahrbar macht, wie hier in Sulzbach an der Murr. Archivfoto: E. Layher
Von Florian Muhl
BACKNANG/AUENWALD. Des einen Freud, des anderen Leid: Kaum hatte das neue Jahr begonnen, schon wurde es so richtig weiß. Am Freitag, 4. Januar, hatte die BKZ die Warnung des Deutschen Wetterdiensts (DWD) am Nachmittag über Facebook weitergegeben. Der Wetterdienst warnte vor heftigem Schneefall im Rems-Murr-Kreis. Und genau so kam es dann auch. Die ersten Kommentare ließen nicht lange auf sich warten: „...oh Gott...es hat mol gschneit...und des au no Ofang Januar...des gibt’s doch gar net...“ und „Wenn jeder ein bissel umsichtig fährt, ist das Autofahren kein Problem. Wir hatten schon mehr Schnee und das Leben ging weiter“ war auf Facebook zu lesen, oder auch: „Einmal etwas Schnee und schon geht hier die Welt unter und man schiebt Panik.“ Oder: „Habt ihr alle keine Winterreifen? Das bisschen Schnee da...“
Aber es gab auch folgenden Kommentar: „Wie wäre es einfach mit Räumdienst? Überall funktioniert es, nur im Rems-Murr-Kreis nicht.“ BKZ-Leser und -Redakteure, die außerhalb wohnen, beispielsweise in Ludwigsburg oder Esslingen am Neckar, und mit dem Auto nach Backnang pendeln, haben schon ähnliche Erfahrungen gemacht. Man merke genau, wo sich die Kreisgrenze befindet. Auf der einen Seite funktioniere der Winterdienst (schneller) als auf der anderen Seite.
Nur eine Woche später, am Samstag, 12. Januar: wieder heftiger Schneefall. Und ein heftiger Unfall, über den die Polizei die Medien nicht informiert hat. Aber BKZ-Leser Klaus Grau aus Auenwald hat sich jetzt an die Redaktion gewandt. „Gegen 18 Uhr hat ab zirka 400 Meter starker Schneefall eingesetzt. Folge: spiegelglatte Fahrbahnen. Die Schneeräumfahrzeuge sind nicht ausgerückt“, schrieb er, und: „Gegen 19 Uhr hat sich ein Unfall zwischen Lippoldsweiler und Sechselberg mit einen Schneeräumfahrzeug und einem Bus aufgrund spiegelglatter Straße zugetragen, mehrere Busse und Verkehrsteilnehmer, darunter auch ein Reisebus, ein Rettungswagen, der nicht anfahren konnte.“ Eine Straßensperrung am Kreisel in Lippoldsweiler und von Sechselberg her habe gefehlt. So seien etliche Verkehrsteilnehmer zur Unfallstelle gelangt und mussten umdrehen, da kein Durchkommen war. Die Feuerwehr Auenwald sei ausgerückt und die Straße sei für mindestens fünf Stunden gesperrt gewesen.
Auf Nachfrage bestätigt die Polizei den Unfall. Warum dieser den Medien nicht mitgeteilt worden war, wisse man nicht. Gegen 19 Uhr ist demnach ein 58 Jahre alter Dacia-Fahrer, der auf der K1907 von Sechselberg in Richtung Lippoldsweiler unterwegs war, rund 500 Meter nach Ortsausgang Sechselberg ins Rutschen gekommen, weil er nach Angaben der Polizei zu schnell fuhr. Er geriet in den Gegenverkehr und stieß mit dem Citroën eines 46 Jahre alten Mannes zusammen. Beide Autos waren stark beschädigt und nicht mehr fahrbereit, den Gesamtsachschaden beziffert die Polizei auf 6000 Euro. Die Straße war blockiert, das Abschleppfahrzeug sei wegen der schwierigen Straßenverhältnisse nicht durchgekommen, ein Räumfahrzeug wurde durch einen umgestürzten Baum ausgebremst, so wurde schließlich noch die Feuerwehr hinzugezogen.
„Klar ist, dass wir nicht alle Straßen so optimal räumen können“
Auenwalds Bürgermeister Karl Ostfalk weist die Kritik, zu wenig unternommen zu haben, zurück: „Den ganzen Tag über gab es deutliche Plusgrade und Regen. Nicht ansatzweise Schneeregen. Nicht zu erkennen, auch nicht in unserer Wettervorhersage, dass unmittelbarer Einsatz bevorsteht.“ Um 22.27 Uhr habe er folgende Meldung über die Leitstelle erhalten: „Sturmschaden/Baum auf der K1907 in Lippoldsweiler/Sechselberg unterhalb Naturfreundehaus; hochzu gestreut; ein Löschfahrzeug max.“ Kurz nach 23 Uhr habe es dann die Rückmeldung vom Kommandanten gegeben, dass die Feuerwehr vor Ort sei und „...hier nichts mehr geht“.
Fast zeitgleich habe Ostfalk ein Anruf eines Gemeinderats erreicht, der in der Hochlage wohnt. Der habe mitgeteilt, dass oben sehr viel Schnee gefallen sei und die Straßen unbefahrbar seien. „Sofort habe ich bei unserem einzigen externen Winterdienstmitarbeiter nachgefragt, der sein eigenes Streufahrzeug fährt, und um seinen Einsatz gebeten, sofern er noch dazu in der Lage ist. Umgehende Rückmeldung: Ja, mach ich“, teilt Ostfalk mit. Der Bürgermeister weiter: „Unsere Winterdienstanweisungen sehen vor, dass die Mitarbeiter sich zwischenum 4 Uhr an Wochentagen und 5 Uhr an Wochenenden beim Bauhof zum Räum- und Streudienst einfinden müssen. Der Einsatz wird bei Bedarf bis 20 Uhr aufrechterhalten, in Ausnahmefällen auch noch länger. Um 3 Uhr morgens, vermutlich früher als in der benachbarten höhergelegenen Gemeinde, ist unser Bereitschaftsführer im Dienst und schaut, ob ein Einsatz notwendig ist.“
„Klar ist ebenso, dass wir nicht alle Straßen so optimal räumen und streuen können, dass alle Mitbürger und Gäste zufrieden sind“, sagt Ostfalk. „Ich gehe davon aus, dass der Kreis, der für die überörtlichen Kreis- und Landesstraßen zuständig ist, nicht ausreichend gut geräumt hat. Sonst wäre der Nachtbus und der Reisebus vermutlich nicht hängen geblieben“, vermutet der Bürgermeister. Üblicherweise seien die „Bergdörfer“ über die Kreisstraße und dann über die fast ebene Gemeindeverbindungsstraße von Sechselberg zu erreichen.
BKZ-Leser Klaus Grau kritisiert, dass am besagten Samstag eben die Dörfer Trailhof, Rottmannsberg und Rottmannsberger Sägmühle „aufgrund der spiegelglatten Straße nicht passier- beziehungsweise befahrbar waren“. Die Folge: „Die genannten Ortschaften waren vom Rettungsweg abgeschnitten.“ Dazu teilt die Pressestelle des Landratsamts mit: „Hilfsfristen: Es kommt immer mal wieder vor, dass es aufgrund schlechter Witterungs-/Verkehrsverhältnisse zu Verzögerung auf der Anfahrt zum Einsatz kommt. Das ist nicht gänzlich vermeidbar. (...) Nach Rücksprache mit dem Abteilungsleiter des Rettungsdiensts DRK bestehen keine Kenntnisse darüber, dass die genannten Ortschaften (...) bei einem möglichen Einsatz nicht hätten angefahren werden können.“