dpa/lsw Stuttgart. Das könnte Signalwirkung für den Bund haben: Wird der Südwesten künftig wie schon Rheinland-Pfalz von einer Ampel regiert? Der grüne Wahlsieger Kretschmann lotet das nun aus. Doch davor steht noch der alte Koalitionspartner auf der Matte.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann verlässt die erste Fraktionssitzung von B90/Grüne im Landtag. Foto: Marijan Murat/dpa
Drei Tage nach der Landtagswahl beginnen die Grünen in Baden-Württemberg die Sondierungsgespräche für die Bildung einer neuen Regierung. Zuerst treffen sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann und andere Spitzen-Grüne am Mittwoch (10.30 Uhr) mit der CDU, die bei der Wahl am Sonntag weit hinter der Ökopartei gelandet war. Die Union um Parteichef und Innenminister Thomas Strobl will Grün-Schwarz - wenn möglich - fortsetzen.
Am frühen Nachmittag (14.00 Uhr) wollen die Grünen mit der SPD die Chancen für eine Ampel mit der FDP ausloten. Anschließend ist das Gespräch mit den Liberalen geplant. Sozialdemokraten und FDP sehen die CDU als abgewählt an und streben in die Regierung. Sowohl eine grün-schwarze Koalition als auch eine Ampel hätten im neuen Landtag in Stuttgart eine stabile Mehrheit.
Lavieren bei „Lanz“: Könnte sein, muss aber nicht
Am Dienstagabend versuchte Moderator Markus Lanz in der gleichnamigen ZDF-Sendung aus Kretschmann herauszukitzeln, mit wem er denn lieber regieren würde. Zunächst sagte Kretschmann nur: „Wir sind nicht festgelegt.“ Es hänge davon ab, was die Sondierungsgespräche von diesem Mittwoch an ergeben. Doch dann wurde es doch noch interessant.
Warum er denn die Koalition mit der CDU nicht einfach fortsetze - „oder war es so schlimm?“, fragte Lanz. „Schlimm war es natürlich nicht. Es war nicht immer ganz einfach“, antwortete Kretschmann. Dann setzte er noch nach: „„Nicht schlimm“ ist noch nicht der Maßstab für politisches Handeln.“ Ob er denn ein Ampelbündnis bevorzuge? Darauf Kretschmann: „Erlebnispsychologisch wäre es sicher interessant. Das ist aber auch nicht Maßstab für solch' eine Entscheidung.“
Aber könne es nicht ein Vorteil sein, mal mit zwei kleinen Partnern zusammenzuarbeiten anstatt mit nur einem großen, der annähernd so stark ist wie die Grünen? Kretschmann: „Das könnte so sein, muss aber nicht so sein. Die Kleinen können sich ja auch gegen den Großen zusammenschließen.“ Das könne man schon bei dem antiken griechischen Philosophen Plato nachlesen.
Kretschmann hält CDU für eine „ganz wichtige Volkspartei“
Lanz zitierte einen baden-württembergischen CDU-Strategen, der vor der Landtagswahl gesagt hatte: „Wenn Kretschmann die CDU beerdigen kann, wird er das tun.“ Darauf sagte der Grünen-Regierungschef: „Das sehen sie mal ganz falsch. Die CDU ist eine ganz wichtige Volkspartei, die die soziale Marktwirtschaft und die Westbindung begründet hat. Die gerade eine Kanzlerin stellt, die unser Land gut geführt hat viele Jahre lang.“ Er fügte hinzu: „Warum soll ich mir wünschen können, dass diese Partei kleingemacht wird. Das ist jetzt nicht meine Absicht.“ Er mache sie nicht klein. „Ich versuche, die Grünen größer zu machen.“
Rülkes rote Linien
Am Dienstag hatten erfahrene Abgeordnete am Rande der ersten Grünen-Fraktionssitzung erklärt, der Reiz, nach fünf Jahren mit der CDU noch mal etwas Neues zu probieren, sei groß. Aber man sei sich unsicher, wie verlässlich die FDP sei. Die Chancen stünden 50 zu 50. Bei den Sondierungsgesprächen über eine Ampel wird es entscheidend auch darum gehen, ob Hans-Ulrich Rülke nach zehn Jahren Opposition und teilweise brachialer Kritik an der Ökopartei einen Draht zu den Grünen findet.
Die Liberalen stärkten ihrem Spitzenkandidaten Rülke nach dem guten Wahlergebnis vom Sonntag den Rücken und bestätigten den 59-jährigen Pforzheimer als Fraktionschef. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Ampel klappt. Aber: „Es gibt natürlich rote Linien für uns“, sagte Rülke, ohne konkret zu werden. Dagegen erklärte FDP-Landeschef Michael Theurer, man werde über alles reden. „Ich werde nicht über rote Linien sprechen.“
Rülke zählte die Punkte auf, die den Liberalen wichtig seien. So lege die FDP Wert auf eine Wasserstoffstrategie des Landes, sie wollten den Verbrennermotor umweltfreundlich machen statt ihn zu verbieten. Rülke forderte zudem neue Impulse bei der Digitalisierung, einen Ausbau der Breitbandversorgung im ländlichen Raum sowie leistungsfähige Endgeräte für Schüler. Zudem wolle die FDP weg von der Fokussierung auf die Gemeinschaftsschulen.
Man werde über alles reden und sei kompromissbereit, sagte Rülke. Man mache ja eine Koalition, keine Fusion. Zur persönlichen Ebene sagte er: „Ich glaube nicht, dass es in der persönlichen Sphäre unüberwindliche Hindernisse gibt - weder in Richtung Grüne noch in Richtung SPD.“
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