Sein Büro im Backnanger Rathaus hat der OB neu eingerichtet, neben dem Schreibtisch steht nun auch ein Hundekörbchen. Nur die Wände sind noch etwas kahl.
Das OB-Büro im Rathaus sieht heute anders aus als zu Frank Noppers Zeiten. Was haben Sie alles verändert?
Als Erstes habe ich ein Notebook reingestellt, damit ich auch von unterwegs aus arbeiten kann. Und dann stand schon längere Zeit eine neue Büroausstattung an. Mein vorheriger Schreibtisch war aus dem Jahre 1986, den hatte damals Martin Dietrich für Hannes Rieckhoff beschafft. Auch die Wandfarbe ist neu: Früher war sie gelb, jetzt ist es weiß. Ansonsten bin ich noch nicht wirklich dazu gekommen, mein Büro einzurichten. Bis auf ein paar persönliche Fotos von meiner Familie auf dem Schreibtisch hängt noch kein einziges Bild.
Neu ist auch das Hundekörbchen neben Ihrem Schreibtisch.
Ja, aber das ist bis jetzt nur vorbereitet. In Berglen hatte ich meine Vierbeiner regelmäßig bei der Arbeit dabei, in Backnang bis jetzt noch nicht. Ich vermute, dass das auch erst passieren wird, wenn unser privater Umzug erfolgt ist.
Sie haben im Wahlkampf gesagt, es sei für Sie ein Traum, in Ihrer Geburtsstadt Backnang Oberbürgermeister zu werden. Hand aufs Herz: Ein Traumjob ist diese Position aber nicht immer, oder?
Ein Wahlamt ist generell sehr herausfordernd. Da gibt es unglaublich schöne Seiten, aber man braucht auch ein breites Kreuz. Ich empfinde es aber immer noch als Riesenehre, diese Aufgabe machen zu dürfen. Ich komme jeden Tag mit einem besonderen Gefühl in diese Stadt. Da hängen einfach viele Erinnerungen dran, allein wenn ich morgens auf der Marktstraße unterwegs bin. Das gemeinsame Einkaufen auf dem Wochenmarkt mit meinen Eltern ist eine meiner ersten Kindheitserinnerungen.
Auf Ihren Wahlplakaten stand „Klimaneutrale Stadt bis 2035“. Als das Thema dann in den Gemeinderat kam, hieß es nur noch „bis 20XX“. Stehen Sie noch zu Ihrem Wahlkampfversprechen?
Ja, ich stehe sehr deutlich dazu. Ich habe ja auch in meiner Haushaltsrede noch mal betont, dass es mir sehr wichtig ist, dass wir dieses Ziel bis im Jahr 2035 erreichen. Ich finde, es ist aber der ehrlichere Weg, unserem Gemeinderat erst einmal die kompletten Daten und Fakten zur Verfügung zu stellen, um dann zu entscheiden. Es wäre viel einfacher gewesen, so wie manch andere Kommune es macht, gleich ein Zieljahr beschließen zu lassen. Wir wollen trotzdem den anderen Weg gehen.
Hat es die Stadt denn überhaupt selbst in der Hand, bis wann ein solches Ziel erreicht wird? Der größte Teil der CO2-Emissionen wird ja nicht von der Stadt, sondern von ihren Bewohnern und Firmen verursacht.
Sie haben recht, wir haben es nur zum Teil selber in der Hand. Wobei auch die bundes- und landesweiten Vorgaben ihren Teil dazu beitragen werden. Ich bin überzeugt, dass durch verschiedene Förderprogramme Anreize gesetzt werden, beispielsweise in den Gebäudebestand zu investieren, und dass auf der anderen Seite auch die CO2-Bepreisung sukzessive eine Umstellung des Verhaltens erfordern wird. Aber klar ist: Es geht nur mit der Bürgerschaft.
Grundsätzlich ist fast jeder für Klimaschutz, solange es für ihn selbst nicht teurer oder unbequemer wird. Aber das wird kaum funktionieren. Sind Sie auch bereit für unpopuläre Maßnahmen, zum Beispiel eine Citymaut?
Es gibt ja bereits eine Initiative des Landes Baden-Württemberg für einen Mobilitätspass, der Rems-Murr-Kreis ist dabei Teil der Modellregion Stuttgart. Dabei soll untersucht werden, was es bedeuten würde, eine Mobilitätsabgabe zu erheben, die jeder bezahlen muss. Welche Erträge könnten daraus resultieren und was könnte man damit finanzieren? Ich finde das einen spannenden Gedankengang. Gleichzeitig bin ich der Meinung, wenn das Land eine solche Maut einführen möchte, dann muss es einheitliche Gebietskulissen geben. Es würde keinen Sinn machen, wenn Backnang, Winnenden und Waiblingen so eine Abgabe einführen würden, das Umland aber nicht.
Die Fraktionen von Bürgerforum und AfD haben in ihren Haushaltsreden bereits davor gewarnt, dass der Weg zur Klimaneutralität für Immobilienbesitzer in Backnang mit gewaltigen Kosten verbunden wäre. Haben sie recht?
Sicherlich wird es mit Kosten verbunden sein. Es bleibt abzuwarten, welche Fördermöglichkeiten für Immobilienbesitzer es von Bundes- und Landesseite geben wird. Andererseits bietet dieser Wandel auch große Chancen. Bisher kommt ja ein ganz erheblicher Anteil unserer Strom- und Energieerzeugung aus konventionellen Energieträgern wie Öl oder Gas. Dadurch fließt ganz viel unserer Kaufkraft in andere Länder. Je mehr wir es schaffen, dass wir vor Ort Energie erzeugen, zum Beispiel durch heimische Holzpellets, desto mehr Kaufkraft bleibt auch bei uns vor Ort.
Backnang wird in den nächsten Jahren weiter wachsen: Die Bebauung der Oberen Walke beginnt in Kürze, mit dem IBA-Gelände kommt ein weiteres großes Quartier hinzu. Viele Straßen sind aber schon heute überlastet. Droht der Stadt der Verkehrsinfarkt?
Das hängt auch mit dem Mobilitätsverhalten zusammen. Umso mehr Menschen nicht den Pkw wählen, sondern den Bus, das Fahrrad oder zu Fuß gehen, umso eher wird die vorhandene Infrastruktur nicht zusätzlich belastet. Bisher war es immer so, dass mehr Einwohner auch mehr Pkw bedeutet haben, es gibt aber sehr viele Hinweise darauf, dass sich das Mobilitätsverhalten auch bei uns in Backnang ändern wird. Darüber hinaus bin ich zuversichtlich, dass wir Verkehre aus der Innenstadt auf die B14 verlagern können, wenn es uns gelingt, den vierspurigen Ausbau weiter voranzutreiben.
Ihr Vorgänger Frank Nopper hat immer davon gesprochen, dass die Bundesstraße bis 2026 vierspurig in Backnang-West ankommen soll, inzwischen ist von 2030 die Rede, doch auch dieses Datum scheint fraglich angesichts der vielen noch ungelösten Probleme. Muss man befürchten, dass der Ausbau am Ende gar nicht kommt?
Das Zieljahr 2026 wurde stets vom Regierungspräsidium benannt. Die Signale, die wir aus dem Regierungspräsidium erhalten haben, sind so, dass Teilbereiche, in denen schon heute Baurecht herrscht, vorgezogen werden können. Das würde insbesondere den Bereich zwischen Backnang-Mitte und Backnang-West betreffen. Aber generell gilt: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Ich möchte mich auf jeden Fall dafür einsetzen, dass Verbesserungen auch für die südlichen Stadtteile eintreten, und das kann nur gelingen mit einer leistungsfähigen Anschlussstelle Backnang-Süd.
Würde ein vierspurig ausgebauter Teilabschnitt überhaupt etwas bringen, wenn es davor und dahinter weiterhin zweispurige Passagen gibt?
Es würde zumindest die Leistungsfähigkeit auf diesen Teilabschnitten erhöhen. Außerdem würde es dadurch sehr viel wahrscheinlicher, dass die Gesamtmaßnahme in die Umsetzung kommt. Bevor wir auf den Sankt-Nimmerleins-Tag warten, sollten wir lieber die Bereiche umsetzen, bei denen keine Hinderungsgründe bestehen.
Sorgen macht vielen auch die Zukunft der Innenstadt. Drei Lockdowns haben bei den Händlern Spuren hinterlassen. Was kann die Stadt tun, um zu verhindern, dass weitere Geschäfte schließen?
Bereits vor meinem Amtsantritt wurde die „Offensive Innenstadt“ beschlossen, ein Maßnahmenkatalog, der eine knappe halbe Million Euro umfasst. Ein weiterer wichtiger Punkt ist in meinen Augen die Steigerung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. Wenn Sie mit Ihrer Familie im Sommer unter einem schönen alten Baum ein Eis essen und einen Kaffee trinken – dieses Gefühl können Sie nicht online substituieren. Deshalb muss die Stadt eine hohe Aufenthalts- und Lebensqualität haben. Das steht eigentlich über allem. Die ersten Umfrageergebnisse im Rahmen des Einzelhandelskonzepts stimmen uns positiv.
Im Wahlkampf haben Sie auch versprochen, die Verwaltung bürgernäher und digitaler zu machen. Sie haben damals gesagt, Digitalisierung beschränke sich in Backnang bisher darauf, dass man sich auf der städtischen Homepage Formulare als PDF herunterladen und ausdrucken kann. Sind Sie da inzwischen schon weitergekommen?
Die Homepage, die ich zum damaligen Zeitpunkt kritisiert habe, hat einen umfangreichen Relaunch hinter sich. Sie ist jetzt deutlich übersichtlicher und hat deutlich mehr Angebote. Aber wir sind – das kann man ganz offen bekennen – noch nicht an dem Punkt, wo wir hinwollen. Was den Bürgerservice angeht, haben wir bereits reagiert. Wir hatten da zum Teil relativ lange Wartezeiten von drei Wochen und mehr. Der Gemeinderat hat deshalb dankenswerterweise zugestimmt, zwei weitere Stellen im Bürgerservice zu schaffen. Wir wollen aber dahin, dass gerade einfache Vorgänge wie die Passausstellung oder Auskünfte für Bauherren und Architekten durchgängig digital werden. Ein Beispiel hierfür ist die digitale Bauakte, die wir nächstes Jahr einführen werden.
Im kommenden Juni soll das zweimal verschobene 50. Straßenfest stattfinden. Ein neues Eventteam im Kulturamt hat schon im Herbst mit den Vorbereitungen begonnen. Die Pandemie ist aber noch nicht vorbei. Glauben Sie wirklich, dass in sechs Monaten ein solches Massenevent stattfinden kann?
Unser klares Ziel ist es, das Straßenfest, wenn irgendwie denkbar, so zu feiern, wie es in der Vergangenheit Usus war. Was dafür spricht, ist das Datum Ende Juni. Im Sommer ist das Infektionsrisiko sicherlich ein anderes als im Winter. Wir planen aber nicht nur im klassischen Format, sondern auch immer mit einem Plan B.
Das heißt, ein Jubiläumsstraßenfest auf einem eingezäunten Gelände mit 2-G-Kontrollen ist für Sie denkbar?
Ich denke, wir müssen am Ende des Tages abwägen: Wollen wir dauerhaft im Status quo verharren und uns quasi damit abfinden, dass gar keine größeren Veranstaltungen mehr umsetzbar sind? Oder finden wir Mittel und Wege, wie man dennoch Veranstaltungen hinbekommt, an denen eine Vielzahl an Menschen teilnehmen kann? Unser Gänsemarkt im Oktober war ja auch sehr gut besucht und hat sich nicht erkennbar auf das Infektionsgeschehen ausgewirkt. Ich gebe Ihnen recht, dass ein Straßenfest momentan schwer vorstellbar ist. Aber das sollte uns nicht entmutigen, daran festzuhalten, zweigleisig zu planen.
Beruflich sind Sie nun Backnanger, privat wohnen Sie aber noch immer in Berglen. Wann machen Sie Ihre Ankündigung wahr und ziehen mit Ihrer Familie nach Backnang um?
Auch hier gilt Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Ich habe ja ganz klar erklärt, dass wir umziehen werden. Hätte ich nur für meine Frau, meine kleine Tochter und für mich ein Haus gesucht, wären wir schon fündig geworden. Da meine Schwiegereltern uns aber begleiten werden, ist es wahrscheinlich, dass wir noch einmal bauen werden. Dafür brauchen wir das passende Grundstück und sind bereits in guten Gesprächen.
Das Interview führte Kornelius Fritz.