Gutes Klima für eine Steuerreform

Ausgerechnet der Klimaschutz eröffnet der Koalition die Chance, in der Frage zusammenzukommen

Von Christopher Ziedler

Regierung - Die Skepsis gegen eine Kohlendioxid-Abgabe ist groß in der Union. Dennoch ist die Option noch nicht endgültig vom Tisch, weil sie die Möglichkeit böte, mit dem Koalitionspartner SPD in Gespräche über einen größeren Systemumbau zu treten.

Es ist schon erstaunlich: Die Regierungsparteien in Berlin sprechen plötzlich vermehrt über eine Steuerreform – im Koalitionsvertrag vom Anfang des vergangenen Jahres steht davon noch kein Wort. Entlastet hat die große Koalition die Steuerzahler bereits, indem sie die Grundfreibeträge erhöht und die sogenannte kalte Progression eingeschränkt hat. Fest zugesagt, aber noch nicht umgesetzt, ist zudem eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent derer, die ihn bezahlen. Ein echter Umbau des Systems oder eine Entlastung in großem Stil, den der Begriff Reform meint, war aber bisher nicht geplant. Doch die Rahmenbedingungen haben sich geändert.

Die Union fordert seit Jahresanfang eine größere Steuerentlastung. Die Bundestagsfraktion fordert nicht nur das vollständige Aus für den Soli, sondern auch eine „Modernisierung des Unternehmensteuerrechts“, weil Mitbewerber auf dem Weltmarkt wie Frankreich oder die USA ihre Abgabenpolitik bereits angepasst und die Konjunkturaussichten sich zuletzt eingetrübt haben. „Die Welt um uns herum verändert sich, und die Wirtschaftsprognosen sind ein Weckruf“, sagt der für Haushalt und Finanzen zuständige Fraktionsvize Andreas Jung. „Um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, brauchen wir eine Reform der Unternehmensteuern mit echter Entlastung – gerade für die Personengesellschaften.“

Abgeblockt wurden solche Initiativen bisher vom Koalitionspartner SPD und deren Finanzminister Olaf Scholz. Er verwies bisher stets auf den Finanzierungsbedarf anderer Projekte – etwa der Steigerung der Verteidigungsausgaben, für die die Union eintritt. Dass die Steuereinnahmen nicht mehr so sprudeln und der Schätzerkreis an diesem Donnerstag wohl bekannt geben wird, dass bis 2023 mit 75 Milliarden Euro weniger zu rechnen ist als bisher angenommen, stärkt die SPD-Skepsis gegenüber Steuersenkungen noch.

Ausgerechnet der Klimaschutz eröffnet der Koalition nun die Möglichkeit, in der Frage zusammenzukommen. Da Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD kürzlich ihre Forderung nach einer CO2-Steuer mit der Erwartung verknüpfte, Geringverdiener müssten im Gegenzug entlastet werden, steht plötzlich die sozialdemokratische Bereitschaft im Raum, unter ökologischen Vorzeichen steuerpolitisch gesprächsbereit zu sein. „Für die SPD ist eine sozial verträgliche Ausgestaltung einer möglichen CO2-Steuer wesentlich“, sagt der haushaltspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs: „Natürlich kann man gerne auch über eine Steuerreformreden, solangees nicht zu Mindereinnahmen kommt.“Auch im Finanzministerium heißt es hinter vorgehaltener Hand, dass beim Thema Steuern und CO2etwas kommen müsse.

Zwar gibt es in der Union weiter große Skepsis gegenüber einer Abgabe. Entsprechend ging die Tendenz in der jüngsten CDU-Bundesvorstandssitzung in Richtung eines ausgeweiteten EU-Zertifikatehandels mit CO2-Verschmutzungsrechten als besserer Alternative. Es gibt aber auch andere Stimmen. Eine Abgabe böte der Union, so schrieb der CDU-Abgeordnete Armin Schuster auf Twitter, „eine Chance, endlich die große Steuerreform liefern zu können, die wir schon oft versprochen haben!“Auch Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer will trotz der Vorbehalte, so heißt es, diese noch keinesfalls kategorisch ausschließen.

Bundesvize Thomas Strobl arbeitet zusammen mit seinem niedersächsischen Kollegen Bernd Althusmann an einem CDU-Positionspapier, dass „Klima- und Wirtschaftskompetenz in Einklang bringen“ soll. Es ist die womöglich größte Herausforderung dieser Wahlperiode.

christopher.ziedler@stzn.de