„Harmonisch wie in einer funktionierenden Ehe“

Wir haben Grüne aus der Region gefragt, ob sie sich Annalena Baerbock oder Robert Habeck als Kanzlerkandidaten wünschen.

„Harmonisch wie in einer funktionierenden Ehe“

Von Bernhard Romanowski

BACKNANG. Nordisch kühl und sachlich ruhig – diese Eigenschaften sieht Willy Härtner bei Robert Habeck gegeben, und das gefällt dem Fraktionsvorsitzenden der Backnanger Grünen. „Ich finde Habeck vom Standing her besser, und er hat bessere Chancen, ein gutes Ergebnis für die Partei einzufahren“, so Härtners Einschätzung. Im Backnanger Ortsverband der Grünen favorisiere man eher Annalena Baerbock, mutmaßt Härtner und wirft sogleich seinen empathischen Blick auf die amtierende Kanzlerin.

Deren Last sei nämlich enorm. So wundert es Härtner, dass noch niemand die Idee aufgebracht hat, den Kanzlerposten doppelt zu besetzen. Wie genau das laufen sollte, müsste man noch aushecken, aber grundsätzlich würden Baerbock und Habeck das hinbekommen. Härtner: „Sie verstehen sich ja gut. Da herrscht Harmonie wie in einer funktionierenden Ehe. Also ich wäre für Doppelspitze.“

Deutschland sei durchaus bereit für eine grüne Kanzlerschaft, meint der Backnanger. Die Grünen in Baden-Württemberg mit Winfried Kretschmann hätten gezeigt, dass sie regieren können. Härtner sieht durchaus deutschlandweit ein gestiegenes Wählerpotenzial für seine Partei, zumal die CDU gerade „unwahrscheinlich schwach“ sei. Allerdings hätte er sich zur Auswahl zwischen Habeck und Baerbock eher eine Abstimmung aller grünen Parteimitglieder gewünscht: „Ich hätte gerne eine E-Mail bekommen mit einem Code zur Abstimmung. Technisch ist das ja möglich heute. Um möglichst 100 Prozent Rückhalt aus der Gesamtmannschaft zu erhalten, hätte das eher meinem grünen Urgefühl entsprochen.“

Man habe es mit zwei profilierten und inhaltlich starken Persönlichkeiten zu tun, so äußert sich Ralf Nentwich zu der Kanzlerfrage der Grünen. „Ich traue es beiden zu. Beide können Kanzler“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Backnang. Eine persönliche Präferenz habe er allerdings nicht, so der Murrhardter weiter. Er kommt lieber darauf zu sprechen, dass es ein klares Verfahren gebe, aus dem heraus dann eine der beiden Personen ins Rennen um die Kanzlerkandidatur gehe. Nentwich: „Nicht wie bei der CDU, wo am Ende einer k.o. in der Ecke liegt“. Die Grünen haben ihm zufolge mit ihren Konzepten etwa zur Familienpolitik und zur Transformation der Wirtschaft eine klare Roadmap, also einen politischen Handlungsplan, für den Habeck und Baerbock stehen. Nentwich: „Beide bieten eine gute Kombi und stehen für Inhalt und Kompetenz. Das nehmen die Bürger genau wahr.“

Brigitte Seiz aus Fellbach attestiert der grünen Doppelspitze derweil: „Sie genießen beide sehr viel Sympathie. Sie arbeiten gut zusammen und legen ein professionelles Auftreten an den Tag.“ Seiz leitet den Rems-Murr-Kreisverband der Grünen und bekennt: „Ich würde mir beide in der Position wünschen, weil wir in der Politik wie in allen Bereichen des Lebens beide Geschlechter brauchen.“ Wichtig seien eben die Inhalte. Auch hier könne bei beiden die gleiche Linie beobachtet werden. Ein wichtiger Unterschied von Bündnis 90/Die Grünen zu anderen Parteien sei bei beiden stark ausgeprägt: „Sie können beide gut zuhören und sich auf ihr Gegenüber einlassen.“ Die Stärke des Zuhörens sei gerade heutzutage sehr wichtig. „Die Bürger wollen teilhaben an den Entscheidungen und wollen gehört werden. Wir brauchen keine Profilierungssucht und keine Hahnenkämpfe wie derzeit bei der CDU“, keilt Seiz aus. Die Frage bei den Grünen sei derzeit nicht, wer dem anderen was wegnimmt, sondern wer dem andern den Vortritt lässt. Eine persönliche Präferenz habe sie nicht, sagt Seiz: „Beide bringen viel mit. Beide haben Familie und stehen mitten im Leben.“ Die fehlende Regierungserfahrung von Baerbock sieht die Fellbacher Grüne nicht als ausschlaggebendes Argument an. Seiz war laut eigener Aussage vor dem Ruhestand als Logistikmanagerin in einem großen Molkereiunternehmen tätig. Bei Gesprächen mit Führungskräften habe sie nicht nur die fachliche Eignung, sondern immer auch deren soziale und methodische Kompetenz in Betracht gezogen. Bei der Kanzlerschaft komme es nicht auf fachliche Spezialisierung, sondern auf bestimmte Fähigkeiten an, die unabhängig von der Erfahrung für eine Eignung der Person sprechen. „Man kann nie so dumm denken, wie es dann oft kommt“, umschreibt sie die Unwägbarkeiten im politischen Geschäft. Im Übrigen habe Habeck ebenfalls keine Regierungserfahrung auf Bundesebene.

Auch im Rems-Murr-Kreisverband der Grünen herrscht laut Seiz „die einhellige Meinung, dass man es beiden zutraut“. Eine eindeutige Präferenz für einen von beiden gebe es nicht. Wobei es freilich auch Leute gebe, die mit beiden Kandidaten nichts anfangen können. „Ich bin eine große Verfechterin der Streitkultur, aber nicht in der Art der CDU, die nur die Politikverdrossenheit der Bürger wachsen lässt“, kann sich Seiz einen weiteren Seitenhieb gegen die Christdemokraten nicht verkneifen, die derzeit mit der Frage beschäftigt sind, ob sie Armin Laschet oder Markus Söder zu ihrem Kanzlerkandidaten küren.

„Es sind zwei wunderbare und kompetente Kandidaten, die durch Fachlichkeit und Professionalität glänzen. So eine Auswahl hat man nicht alle Tage“, sagt Christine Besa, die der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Rems-Murr-Kreistag vorsitzt. Dass sie die Frage, wer denn nun in das Rennen um die Kanzlerschaft geht, unaufgeregt untereinander klären, sei ein großer Schatz. Auch die grüne Basis stehe hinter Baerbock und Habeck. „Aber wer mich kennt, weiß, dass ich mich gerne für Frauen einsetze, aber auch nur, wenn sie gut sind. Für mich persönlich sollte Baerbock Kanzlerkandidatin werden“, so Besa. Die Grüne aus Leutenbach sieht ihre Parteikollegin Baerbock nicht allein deshalb geeignet für den Posten, weil die gebürtige Hannoveranerin eine Frau und jung ist, sondern weil sie alles mitbringe dafür, da sie die politische Arbeit in Berlin kenne und wisse, wie man Netzwerke bilde. Dass Baerbock keine Regierungserfahrung hat, wie Habeck sie als ehemaliger Minister und stellvertretender Ministerpräsident Schleswig Holsteins aufweist, sieht die Fraktionssprecherin der Kreisgrünen nicht als Manko. Der Grüne aus Norddeutschland möge vielleicht insbesondere auf Wechselwähler den ruhigeren und gesetzteren Eindruck machen. „Aber Annalena Baerbock bringt die Themen klar rüber, und was Habeck kann, das kann sie auch“, so Besas Meinung.

Ihr ist zudem wichtig, dass der Anteil von 41,1 Prozent Frauen bei den 15000 baden-württembergischen Grünen aus dem Bundesland auf die ganze Republik ausstrahlt. Auf die Frage, ob Deutschland bereit sei für eine grüne Kanzlerin, erklärt Besa: „Wir Grüne machen Deutschland ein Angebot, dann kann Deutschland entscheiden.“

„Harmonisch wie in einer funktionierenden Ehe“

Willy Härtner. Foto: E.Layher

„Harmonisch wie in einer funktionierenden Ehe“

Christine Besa. Foto: privat

„Harmonisch wie in einer funktionierenden Ehe“

Ralf Nentwich. Foto: privat

„Harmonisch wie in einer funktionierenden Ehe“

Brigitte Seiz. Foto: privat