Alle Balken wachsen, doch den größten Zuwachs gibt es bei den Schulden. Um alle Großprojekte finanzieren zu können, will die Stadt im kommenden Jahr Kredite in Höhe von 23,8 Millionen aufnehmen.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Was haben der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow, der französische Philosoph Voltaire und Seeräuber Jack Sparrow aus dem Film „Fluch der Karibik“ gemeinsam? Sie alle wurden am Donnerstagabend im Backnanger Gemeinderat in den Reden zum Haushalt 2023 zitiert. So unterschiedlich wie die Zitatgeber waren auch die Schwerpunkte, die die Sprecherinnen und Sprecher der sechs Fraktionen in ihren Stellungnahmen setzten. Deren Länge richtete sich übrigens nach der Größe der Fraktion: Pro Mitglied gab’s genau zweieinhalb Minuten Redezeit.
Um den städtischen Haushalt ging es dabei nur am Rande. Es ist aber davon auszugehen, dass die große Mehrheit des Gemeinderats dem Zahlenwerk zustimmen wird. Gerade in schwierigen Zeiten sei es wichtig zu investieren, meinte etwa die CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Ulfert. Auch der Chef der SPD-Fraktion Heinz Franke sah „einen ordentlichen finanziellen Spielraum“, um die geplanten Großprojekte wie den Neubau der Karl-Euerle-Halle oder den neuen Fußgängersteg am Backnanger Bahnhof zu stemmen. „Hoffen wir, dass uns die galoppierende Inflation und die Energiekrise nicht ausbremsen“, sagte Franke.
Lediglich AfD-Sprecher Steffen Degler kündigte an, den Haushaltsplan abzulehnen. Mit Blick auf die geplante Kreditaufnahme in Höhe von 23,8 Millionen Euro warf er der Verwaltung „ausufernde Verschwendung von Steuergeldern“ vor.
Klinghoffer wirft OB Friedrich„Placebo-Politik“ vor
Neben den Finanzen gab es noch etliche andere Streit- und Kritikpunkte in der ungewöhnlich lebhaften Debatte. Zum Beispiel beim Thema Klimaschutz. Während es den Grünen damit nicht schnell genug geht, warf Charlotte Klinghoffer (Bürgerforum/FDP) OB Maximilian Friedrich vor, er verbreite Utopien. Das Ziel einer klimaneutralen Stadt sei ein „Hirngespinst“ der Verwaltung, das am Ende der kleine Hausbesitzer bezahlen solle. Einen Zeitpunkt für die Klimaneutralität zu beschließen, „ohne zu wissen, wie das finanziell und organisatorisch umzusetzen ist – das ist reinste Placebo-Politik“, wetterte Klinghoffer. Ute Ulfert forderte derweil, die Bevölkerung besser über die Themen Klimaschutz und Energieversorgung zu informieren: „Nur wenn die Bürger die Veränderungsprozesse verstehen, werden sie mitmachen.“
Willy Härtner forderte mehr Tempo bei den Planungsprozessen
Kritische Töne gegenüber Oberbürgermeister und Verwaltung waren auch bei anderen Themen zu hören. So forderte etwa Grünen-Fraktionschef Willy Härtner mehr Tempo bei den Planungsprozessen. Dass zwischen dem verheerenden Murr-Hochwasser 2011 und dem Spatenstich für das Rückhaltebecken in Oppenweiler vor wenigen Wochen elf Jahre vergangen seien, sei ein Trauerspiel. Härtner appellierte an den OB: „Herr Friedrich, bitte setzen Sie sich für eine Beschleunigung der Planungen ein, damit wir beim Windkraftausbau und anderer regenerativer Energien in Backnang nicht genauso lange warten müssen.“
Auch für Heinz Franke mahlen die Mühlen der Verwaltung bisweilen zu langsam. Die Stadt solle doch bitte auch die Projekte voranbringen, „die längst in der Pipeline sind“, forderte der SPD-Fraktionschef. Als Beispiel nannte Franke die Pläne für ein neues Innenstadtkonzept. „Arbeitskreise alleine reichen halt nicht.“
Forderung nach mehr Transparenz in der Kommunalpolitik
Verbesserungspotenzial sehen einige Stadträte auch noch beim Bürgerservice und in Sachen Transparenz. So wünschte sich Ute Ulfert den Ausbau digitaler Dienstleistungen und die Einführung eines wirksamen Beschwerdemanagements. Willy Härtner monierte, dass der Gemeinderat von der Verwaltung zu wenig informiert werde. Außerdem forderte er, nicht öffentliche Sitzungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. „Die Bevölkerung soll nicht den Eindruck bekommen, dass hinter verschlossenen Türen gemauschelt wird.“
Zusammen mit ihren Reden reichten die Fraktionen insgesamt 49 Anträge ein, die teilweise direkten Einfluss auf den kommenden Haushalt haben. So fordert etwa die CDU-Fraktion, die Mittel für die Erhaltung von Gehwegen und Straßen von 280000 auf 500000 Euro zu erhöhen, die Grünen wollen derweil das Budget für den Ausbau der Radwege von 125000 auf 150000 Euro aufstocken. Über diese Anträge wird der Gemeinderat noch entscheiden müssen, ehe der Haushalt für 2023 in zwei Wochen verabschiedet wird.