„Ich brauche keine Einarbeitungszeit“

Den 21. Februar hat Patrizia Rall fett notiert. Sie hofft auf die Gunst der Wähler, um bei der Bürgermeisterwahl in Allmersbach im Tal die meisten Stimmen auf sich vereinigen zu können. Das Verwaltungsgeschäft kennt sie als Hauptamtsleiterin bestens.

„Ich brauche keine Einarbeitungszeit“

Patrizia Rall hat den Chefsessel im Allmersbacher Rathaus im Blick. Die Rudersbergerin setzt nicht allein aufs Prinzip Hoffnung, sondern vor allem auf ihre fachliche Qualifikation. Foto: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

ALLMERSBACH IM TAL. Von jugendlichem Leichtsinn kann keine Rede sein, von Altersstarrsinn erst recht nicht Die 31-Jährige hat sich ihre Entscheidung gut überlegt. Patrizia Rall ist als Hauptamtsleiterin der Gemeinde Allmersbach im Tal kein unbeschriebenes Blatt, nun strebt sie sozusagen noch höhere Weihen an. Sie hofft, am 21. Februar in der Gunst der Wähler vorne zu liegen und zur Bürgermeisterin von Allmersbach und Heutensbach gewählt zu werden.

An dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle ändert sich vorerst nichts, sollte sie als neuer Schultes auserkoren werden. Den Weg von ihrer Wohnung in Rudersberg zum Allmersbacher Rathaus kennt sie freilich, sie arbeitet dort seit fünf Jahren. Wobei sie schon angekündigt hat, dass sie gerne in die Gemeinde Allmersbach ziehe, wenn die Wahl auf sie fällt.

Auch fachlich weiß die studierte Verwaltungsexpertin mit ihrer dafür klassischen Ausbildung im gehobenen Dienst bestens, wo es langgeht. Bei der Arbeit als Leiterin des Hauptamts und der Tätigkeit als Bürgermeister gebe es viele Schnittpunkte, sagt sie. „Ich kenne die Aufgabenverteilung und die Schwerpunkte in der Verwaltungsarbeit in Allmersbach. Ich springe also nicht ins kalte Wasser, brauche keine Einarbeitungszeit und kann sofort loslegen.“

Dem Tennissport ist Patrizia Rall schon seit Kindertagen verbunden.

Sehr wohl ist ihr bewusst, dass dann auch eine Menge mehr Termine am Abend und am Wochenende auf sie zukommen: „Der Kontakt zu den Menschen ist mir wichtig. Durch die Gespräche erfährt man mehr über sie und die Themen, die sie bewegen.“ Sollten sich die Bürger für sie entscheiden, will sie eine Bürgersprechstunde sowohl in Allmersbach wie auch eine für die Anliegen der Bürger in Heutensbach einführen. Auch eine gute Vernetzung im Rems-Murr-Kreis ist durch ihre Arbeit im Allmersbacher Hauptamt bereits gegeben. Sie kennt die Akteure von zahlreichen geschäftlichen Terminen. Nicht zuletzt für Allmersbach im Tal, de flächenmäßig kleinsten Gemeinde im Kreisgebiet, liege die Zukunft in der interkommunalen Zusammenarbeit. Bei vielen Themen, die heutzutage auf der Agenda stehen, sei eine Kooperation der einzelnen Kommunen miteinander schlicht angeraten und einfach sinnvoll. Rall weiß aber eben auch: „Jede Kommune hat ihre spezifischen Belange und Eigenheiten.“

Sie ist stark in der Region rund um ihren Wohnort verwurzelt. In Rudersberg wurde sie geboren, dort ist sie auch aufgewachsen. Bei den Landfrauen Rudersberg ist sie eine der beiden Vorsitzenden. Über ihre Mutter kam sie seinerzeit in Kontakt mit der Gruppierung, die von manchen als eine etwas verstaubte Angelegenheit betrachtet werde – ganz zu Unrecht, wie Rall betont: „Wir sind eine Bildungsinstitution, bei der viel geboten wird, und zwar generationsübergreifend und zu den verschiedensten Themen.“

Auch schon seit Kindertagen ist Tennis ihre Passion. Wenn sie beim TC Geradstetten nicht gerade die gelbe Filzkugel übers Netz donnert, ist sie als stellvertretende Vorsitzende für die Bereiche Finanzen und Mitgliederverwaltung des Vereins zuständig. Das würde sie als sportlichen Ausgleich auch gerne beibehalten, wenn sie den Job als Schultes antreten sollte. Wobei sie auch die soziale Komponente des Vereinslebens nicht außer Acht lässt: „In unserem Tennisverein sind über die Jahre viele echte Freundschaften entstanden. Dieses Miteinander ist ein wichtiger Teil meines Lebens.“ Im Übrigen stehen auch Langlauf sowie Lesen und Reisen bei ihr hoch im Kurs als Freizeitbeschäftigungen. Aber wie kam sie denn nun eigentlich zu der Entscheidung, für das Amt als oberste Bürgerin der Doppelortgemeinde zu kandidieren? Über Nacht sei der Entschluss tatsächlich nicht gefallen, sagt sie. Nach den arbeitsintensiven Monaten des Pandemiejahrs 2020, in denen die Verwaltungsmitarbeiter der Kommunen im Rems-Murr-Kreis für die Nachverfolgung der Coronakontaktpersonen eingesetzt und entsprechend beschäftigt waren, herrschte auch im Allmersbacher Rathaus Hochbetrieb.

Erst zu Weihnachten und zum Jahreswechsel hin kehrte Ruhe ein, die auch Rall die innere Muße verschaffte, sich über ein paar Dinge klar zu werden. Sie spricht von einem „inneren Prozess“, der sich vollzog. Gespräche mit der Familie und im Freundeskreis bestätigten sie in ihrem Ansinnen. Auch von Kollegen und Mitgliedern des Allmersbacher Gemeinderats kamen motivierende Worte, den Schritt zu wagen, wie Rall berichtet. Vorwürfe, mit ihren 31 Jahren sei sie zu jung für das Amt, kamen bislang nicht. Sie habe die 30 überschritten und könne die Lebenserfahrung und eine gewisse Reife vorweisen, die es braucht, um gewissenhaft den Posten auszufüllen, ist sie sich sicher. Auch der Umstand, dass sie eine Frau ist, sei noch von niemandem thematisiert worden.

Es komme ohnehin nicht aufs Geschlecht, sondern darauf an, was man kann und leistet, so Rall. Zuletzt noch sei sie spontan von einer älteren Dame aus der Gemeinde angesprochen und ermuntert worden, ihren Weg zu gehen. Darüber hat sie sich sehr gefreut. Allenfalls die Tatsache, dass sie keiner Partei angehört, war schon einmal Thema. Wo sie denn politisch stehe, wurde sie gefragt. Eine trennscharfe ideologische Verortung ist ihr fremd, betont sie. Soziale Punkte seien ihr genauso wichtig wie etwa die Förderung der Wirtschaft. Sie gehe eher sachbezogen ans Werk, sagt sie und gibt zu verstehen, dass eine Bürgermeisterwahl eine Personenwahl sei, dass also auch mehr die persönliche Herangehensweise als die parteipolitische Zuordnung dabei im Vordergrund stehe: „Ich gehe offen auf die Menschen und die anstehenden Aufgaben zu und packe die Dinger wertfrei an.“ Und da das Stichwort Wirtschaft schon fiel: In diesem Bereich sieht Rall die Gemeinde nicht zuletzt durch die Arbeit von Amtsinhaber Ralf Wörner gut aufgestellt. Das möchte sie im Fall ihrer Wahl fortsetzen und, wo es möglich ist, noch optimieren, um den Firmen, die bereits vor Ort sind, und jenen, die sich in Allmersbach ansiedeln wollen, mit Blick auf die soziale Sicherheit der Beschäftigten ein gutes Entwicklungspotenzial zu schaffen. Den politischen Sprachduktus beherrscht sie also offenkundig, sie kann aber auch konkreter werden.

Auch die Aufwertung der Heutensbacher Ortsmitte steht auf ihrer Agenda.

Nach den guten Erfahrungen bei der Umgestaltung im Ortsteil Allmersbach will Rall gerne ein Sanierungsprogramm für die Heutensbacher Ortsmitte auflegen, um den Bereich entsprechend aufzuwerten. Auch die Wohnraumentwicklung in der Gemeinde sei weiterhin ein wichtiges Thema. Hier gebe es großen Bedarf, wie die vielen Anfragen zeigen, weiß sie als Hauptamtsleiterin. Dazu will sie ein Konzept mit Beteiligung der Bürgerschaft entwickeln. Und wie geht sie den Wahlkampf an? Die Plakate seien zwar in der Mache, sagt sie. Aber sie setze eben auch auf den persönlichen Austausch. Von Haustür zu Haustür zu gehen, ist coronabedingt derzeit nicht möglich. Also will sie über den Messaging-Dienst WhatsApp und per Telefon Sprechstunden anbieten und will per Videokonferenz mit den Vereinen kommunizieren. Familienangehörige und Freunde stehen ihr mit Rat und Tat zur Seite, sind von ihr auch schon fürs Plakataufhängen und Austragen der Wahlflyer verhaftet, verrät sie lachend.

Zur Person

Patrizia Rall ist 31 Jahre alt. Geboren und aufgewachsen ist sie in Rudersberg.

2009 bis 2013: Studium Public Management (Bachelor of Arts)

2013 bis 2015 war sie die persönliche Referentin des Göppinger Oberbürgermeisters; ab 2014 hat Patrizia Rall zusätzlich die Geschäftsstelle des Jugendgemeinderats betreut.

Seit 2015 ist sie als Hauptamtsleiterin in Allmersbach im Tal tätig.

Als Hobbys nennt Patrizia Rall Tennis, Lesen, Langlauf und Reisen. Die 31-Jährige ist stellvertretende Vorsitzende des TC Geradstetten und Teil des Vorsitzendenduos der Landfrauen Rudersberg.

Rall wohnt im Rudersberger Ortsteil Oberndorf. Im Fall, dass sie zur Bürgermeisterin gewählt werden würde, würde sie gerne in die Gemeinde Allmersbach im Tal ziehen.

Patrizia Rall ist ledig, ungebunden und hat keine Kinder. Ihre Website:
www.patrizia-rall.de