Der Bedarf an rollatorgerechten Wohnungen wird laut IG Bau steigen. Foto: IG Bau
Rems-Murr. In 20 Jahren werden im Rems-Murr-Kreis rund 112.600 Menschen zur Altersgruppe 67 plus gehören – gut 27.700 mehr als heute. Darauf hat die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) hingewiesen und befürchtet durch die kommende Rentnergeneration der Babyboomer einen zunehmenden Mangel an altersgerechten Wohnungen. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf neueste Zahlen, die das Pestel-Institut bundesweit für Städte und Kreise ermittelt hat. Die Wissenschaftler haben die Bevölkerungsentwicklung im Rahmen einer Studie zur künftigen Wohnsituation von Senioren für den Bundesverband des Deutschen Baustofffachhandels (BDB) untersucht.
„In den kommenden Jahren werden im Rems-Murr-Kreis immer mehr ältere Menschen eine barrierearme Wohnung brauchen – ohne Treppenstufen, dafür mit bodengleicher Dusche und genügend Platz für das Rangieren mit Rollator und Rollstuhl“, so Jürgen Ziegler von der IG Bau. Die Zahlen müssten den Wohnungsbaupolitikern schon jetzt Kopfzerbrechen bereiten: Nach Angaben des Pestel-Instituts benötigen bereits heute mehr als 14.300 Haushalte im Rems-Murr-Kreis eine Seniorenwohnung, weil in ihnen Menschen im Rentenalter leben, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
Viele barrierefreie Wohnungen werden fehlen
In 20 Jahren werden im Rems-Murr-Kreis nach Berechnungen der Wissenschaftler über 17.900 Wohnungen gebraucht, in denen sich Menschen mit einem Rollator oder Rollstuhl gut und selbstständig bewegen können. „Damit herrscht auch jetzt schon ein massiver Mangel an Seniorenwohnungen. Und demnächst gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Dann steuern wir sehenden Auges auf eine ‚graue Wohnungsnot‘ zu“, mahnt der stellvertretende Bezirksvorsitzende der IG Bau Nordwürttemberg.
Neben dem Mangel an altersgerechten Wohnungen befürchtet die IG Bau auch eine zunehmende Altersarmut durchs Wohnen. So drohten bei der Generation der Boomer künftig zwei Dinge „fatal aufeinanderzutreffen“: erstens die Gefahr eines sinkenden Rentenniveaus und zweitens steigende Kosten fürs Wohnen. Mieter seien hier genauso betroffen wie Menschen mit Wohneigentum, wenn beim Einfamilienhaus oder bei der Eigentumswohnung Sanierungen fällig würden.
Für viele Menschen wird es finanziell eng
„Wenn die Wohnkosten weiter in dem Tempo der letzten Jahre steigen, werden viele Senioren, die damit heute längst noch nicht rechnen, ihren Konsum einschränken müssen. Ältere Menschen werden die hohen Mietpreise oft kaum noch bezahlen können“, so Ziegler. Für viele würde es dann finanziell richtig eng werden. Deshalb würden auch im Kreis künftig deutlich mehr Menschen als heute auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben.
Um den Wohnungsmarkt für die kommende Rentnergeneration besser vorzubereiten, fordert die Gewerkschaft die Schaffung von mehr preiswertem, vor allem aber auch altersgerechtem Wohnraum. Der stellvertretende Bezirksvorsitzende der IG Bau Nordwürttemberg sagt dazu: „Deshalb brauchen wir auch für den heimischen Wohnungsmarkt klare finanzielle Anreize. Angesichts der drohenden Wohnungsnot ist deutlich mehr Geld für den Neubau von Seniorenwohnungen, aber auch für die altersgerechte Sanierung bestehender Wohnungen erforderlich.“ Hier seien alle gefordert – Kommunen, Land und Bund.
Die Fördergelder reichen nicht
Das Bundesbauministerium stelle in diesem Jahr einen Fördertopf von 75 Millionen Euro über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für den altersgerechten Umbau von Wohnungen zur Verfügung. „Das Geld wird dringend gebraucht. Aber es reicht bei Weitem nicht. Das hat das letzte Jahr gezeigt. Da gab es exakt die gleiche Fördersumme. Und der Topf war ruckzuck ‚leergefördert‘: Schon nach sechs Wochen war kein einziger Fördereuro mehr da. Da muss mehr passieren“, fordert der stellvertretende IG Bau-Bezirksvorsitzende Ziegler.
Zusätzlich schlägt die Gewerkschaft eine Selbstverpflichtung für große Wohnungskonzerne vor. Jürgen Ziegler sagt dazu: „Mit Blick auf den eklatanten Mangel an Seniorenwohnungen sollten sich die Wohnungsunternehmen verpflichten, einen bestimmten Anteil frei werdender Wohnungen altersgerecht umzubauen.“ Dieser sollte bei mindestens 20 Prozent liegen. pm