Kommentar: Merz setzt Vertrauen aufs Spiel
Von Thomas Heimbach
Eigentlich spricht Friedrich Merz eine Selbstverständlichkeit aus: Die im Koalitionsvertrag verabredete Senkung der Einkommenssteuer sei „nicht fix“, sagte der CDU-Chef der „Bild am Sonntag“. Union und SPD hatten versprochen, insbesondere kleine und mittlere Einkommen ab Mitte der Legislatur zu entlasten.
Selbstverständlich ist das, weil während einer Regierungszeit unvorhergesehene Dinge passieren können. Wenn sich die Wirklichkeit ändert, muss sich die Politik daran anpassen. Allein in den vergangenen zwei Wochen gab es große wirtschaftliche Turbulenzen, ausgelöst durch die Zoll-Auseinandersetzung mit den USA.
Dennoch sind Merz‘ Äußerung unklug. Denn der kommende Kanzler bietet Anlass, an seinem Wort zu zweifeln – wieder einmal. Zur Erinnerung: Im Wahlkampf hatte Merz den Eindruck erweckt, er sei der Bewahrer der Schuldenbremse. Nach der Wahl reformierte er jene Schuldenbremse im Eiltempo. Zusätzlich brachte er einen schuldenfinanzierten Ausgabentopf in Höhe von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur auf den Weg.
Wenn Merz nun weniger als eine Woche nach Vorstellung des gemeinsamen Koalitionsvertrags dessen Inhalt in Frage stellt, säht er erneut Zweifel an seiner Verlässlichkeit. Denn auch wenn eine Regierung flexibel entscheiden muss, so darf sie auch nicht ohne Not ihre Positionen in Frage stellen. Doch genau das hat Merz getan.