Eine Gefahrenkarte für Starkregen für das Weissacher Tal

Gemäß eines Leitfadens der Landesregierung lassen viele Kommunen in der Region Backnang derzeit eine Gefahrenkarte erstellen, so zum Beispiel Allmersbach im Tal, Weissach im Tal, Auenwald und Althütte. Die Karte zeigt an, in welchen Bereichen es bei Starkregenereignissen zu Überschwemmungen kommen kann. Die Bürger werden dann über Risiken informiert.

Eine Gefahrenkarte für Starkregen für das Weissacher Tal

Die blauen und roten Bereiche markieren, wo Allmersbach überflutet wäre, wenn es zu einem extremen Starkregenereignis – einem Jahrhundertereignis – kommen würde. Fotos: Alexander Becher

Von Anja La Roche

Allmersbach im Tal. Durch den Ort Allmersbach verläuft auch der Erlenbach. Derzeit gleicht er mehr einem Rinnsal. Wenn aber bei einem Wolkenbruch große Wassermassen in kurzer Zeit vom Himmel regnen, könnte sich das schnell ändern. Dann besteht die Gefahr, dass das Wasser übers Ufer tritt und die Keller der Anwohner volllaufen oder im allerschlimmsten Fall sogar Menschen ertrinken.

Was die Situation an dieser Stelle verschärft ist, dass der Erlenbach wie in den meisten Orten unterirdisch weitergeleitet wird. „In Ortsmitten gibt es keine freien Bäche mehr, das war früher eine super Sache, weil es Platz gespart hat“, erklärt Cornelia Wöhrle vom Zweckverband Hochwasserschutz Weissacher Tal. Angesichts der immer häufiger auftretenden Starkregenereignisse sind die Dolen jedoch zum Problem geworden. Denn sie können nur eine begrenzte Menge Wasser weiterleiten, was bei heftigem Regen im Zweifel nicht ausreicht.

Da kommen Kevin Knoche und Mehari Haile vom Stuttgarter Ingenieurbüro Klinger und Partner ins Spiel. Die Ingenieure haben Umwelttechnik und Siedlungswasserwirtschaft studiert und wurden gemeinsam von den Kommunen Allmersbach im Tal, Weissach im Tal, Auenwald und Althütte beauftragt, eine Gefahrenkarte für Starkregen zu modellieren sowie ein Konzept vorzulegen, das mögliche Verbesserungen vorschlägt.

Die Ortsdurchfahrt stand unter Wasser

Mit einem Maßstab messen die Experten aus Stuttgart die Höhe der Verdolung am Erlenbach nach und schauen sich die Begebenheiten vor Ort an. Solche Informationen sowie auch Erfahrungsberichte von den Anwohnern helfen ihnen, das Modell zu verfeinern und zu validieren. Als Risikobereich ist etwa die Ortsdurchfahrt in Allmersbach auf der Karte zu erkennen. Und tatsächlich stand diese erst im Oktober 2021 unter Wasser, wie Bürgermeisterin Patrizia Rall den Ingenieuren erzählt. „Das Modell hat natürlich bestimmte Unsicherheiten, aber in der Tendenz stimmt es“, sagt Knoche.

Die digitale Karte basiert auf Daten, welche die Landesregierung zur Verfügung stellt. Mithilfe von Flugzeugen und Sensoren wurde die Topografie des Landes genauestens erfasst. Hinzu kommen Kennwerte zur Berechnung des Wasserabflusses auf der in Ortschaften vielerorts versiegelten Oberfläche. Mit diesen Informationen lässt sich eine Gefahrenkarte für jede Region erstellen. Die Ingenieure fügen noch die Details hinzu wie Häusergrundrisse, Dolen und Mauern, die naturgemäß Einfluss darauf nehmen, wohin das Wasser fließt.

Über 0,5 Meter Überflutung ist rot

Auf der digitalen Karte sind die Flächen farbig markiert, welche im Falle einer bestimmten Regenstärke überflutet würden. Die blaue Farbe markiert dabei eine Überflutungstiefe unter 0,5 Meter, die rote markiert eine Überflutungstiefe über 0,5 Meter.

Eine rote Stelle auf der Karte kann dabei beispielsweise auch die Garageneinfahrt an einem Haus sein oder eine Straßenunterführung. Die Ingenieure schauen sich dann vor Ort an, ob es sich tatsächlich um ein Risiko handelt. Wird die Unterführung etwa von einer Mauer umrahmt, die den Zufluss von Wasser begrenzt, können Knoche und Haile davon ausgehen, dass der Durchgang in der Realität etwas weniger volllaufen würde, und dies entsprechend im Modell anpassen.

Indem die Verwaltungen der vier Kommunen die Ingenieure mit der Analyse beauftragt haben, setzen sie um, was die Landesregierung in ihrem Leitfaden für kommunales Starkregenrisikomanagement empfiehlt (siehe Infotext). Das Organisatorische übernehmen dabei Wöhrle und ihre Kollegen vom Zweckverband Hochwasserschutz Weissacher Tal. Althütte ist zwar nicht Teil des Zweckverbands, kooperiert aber in dieser Sache mit den anderen drei Kommunen. „Es macht Sinn, dass die Gemeinden sich in dieser Sache zusammenschließen. Das Wasser macht ja nicht an den Gemarkungsgrenzen halt“, sagt Wöhrle. Besonders gefährdet sei dabei Weissach im Tal, weil die Gemeinde etwas tiefer liege.

Auch private Grundstücke werden inspiziert

Bei ihren Rundgängen kommt es auch vor, dass Knoche und Haile private Grundstücke betreten müssen. „Wir führen deshalb immer ein Schreiben der Gemeinden mit, das uns legitimiert, und fragen die Bewohner an, bevor wir ein privates Grundstück betreten“, erklärt Kevin Knoche.

Sollte sich herausstellen, dass etwa ein Lichtschacht am Haus zu tief liegt und Gefahr läuft, bei Starkregen vollzulaufen, werden die Eigentümer informiert. „Dass wir die Bürger mitnehmen ist wichtig, weil das nicht nur ein öffentliches Thema ist, sondern auch ein privates“, sagt Bürgermeisterin Patrizia Rall. Vorausgesetzt die Ingenieure sind bis dahin mit ihrer Arbeit fertig, plant die Verwaltung im Herbst eine Informationsveranstaltung für die Einwohner.

Darüber hinaus können die Kommunen durch das Modell auch Feuerwehr und Rettungsdienst über Risikobereiche informieren. So können die Einsatzkräfte künftig bei Starkregen zuerst die Häuser, Straßen und Unterführungen anfahren, wo die Gefahr für die Bürger besonders groß ist.

In anderen Kommunen gehts auch voran

Auch andere Kommunen in der Region um Backnang sind bereits dabei, eine Starkregengefahrenkarte erstellen zu lassen. Andere wiederum planen dies zu tun. Anderweitige Bemühungen für den Hochwasser- und Starkregenschutz sind im Folgenden außer Acht gelassen:

Die Karte für Backnang und Oppenweiler, deren Konzeption gemeinsam über den Wasserverband Murrtal beauftragt wurde, soll in den kommenden Wochen fertig sein. Backnang plant Mitte Juli einen Workshop zu dem Thema für die Bürger.

Die Verwaltung von Burgstetten hat bisher noch keine Konzeption beauftragt, plant dies aber noch tun.

Sulzbach an der Murr lässt ebenfalls eine Gefahrenkarte erstellen.

Spiegelberg und Großerlach sind gemeinsam mit weiteren Kommunen im Gespräch, eine solche Gesamtanalyse in Auftrag zu geben.

Kirchberg an der Murr hat bislang noch keine solche Analyse geplant.

Die Verwaltung in Aspach konnte dazu bis Redaktionsschluss keine Antwort geben.

Leitfaden für Kommunen

Anlass Die Starkregenereignisse in den vergangenen Jahren zeigen, dass keine Region in Baden-Württemberg davor gefeit ist. Der Leitfaden „Kommunales Starkregenrisikomanagement in Baden-Württemberg“ ist eine Anleitung für Ingenieure und Kommunen, um diese Gefahr zu lokalisieren.

Förderung Wenn die Kommunen den Leitfaden befolgen, können sie für die Analyse und die Erstellung eines Handlungskonzepts durch ein beauftragtes Ingenieurbüro eine Förderung von bis zu 70 Prozent erhalten. Die Kosten für anschließende Schutzmaßnahmen seien nicht mehr von der Förderung gedeckt, sagt Claudia Wöhrle.

Qualitätscheck Ob die Methodik von den Verwaltungen und Ingenieuren korrekt umgesetzt wurde, überprüft die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg.