Sascha Gabriel von der Firma Georg Schmidt Gastronomie nutzt in der Gewerblichen Schule in Backnang das Mehrweggeschirr der Firma Recup für Kunden, die ihr Essen woanders als in der Mensa zu sich nehmen möchten. Foto: Alexander Becher
Von Bernhard Romanowski
Rems-Murr. Mit einer Mehrwegpflicht für bestimmte Betriebe reagiert man nun in Berlin auf die Berge an Verpackungsmüll, die alljährlich in Deutschland entstehen. Die Bundeshauptstadt ist vom Rems-Murr-Kreis aus gesehen weit weg, aber auch hier macht man sich schon seit vielen Jahren Gedanken zum Thema Müllvermeidung. „Seit Anfang 2020 haben wir gemeinsam mit unserem Umweltamt und der Abfallwirtschaft Rems-Murr verstärkt überlegt, wie ein vernünftiges Mehrwegpfandsystem im Bereich Gastronomie aussehen kann“, erklärt Daniel Hoefer von der Wirtschaftsförderung des Kreises.
Dazu gab es auch schon zwei Infoveranstaltungen: einmal für sogenannte Multiplikatoren, also Vertreter der Handwerksinnungen, Umweltverbände und des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), und ein weiteres Mal für Gastronomen. „Mit sehr guter Resonanz“, wie Hoefer berichtet. Bei diesen Treffen stellte sich das Unternehmen Recup mit Sitz in München vor, mit dem der Kreis zusammenarbeitet, um ein einheitliches Mehrwegsystem für Geschirr zu etablieren (wir berichteten).
Teilnehmende Betriebe zahlen eine Nutzungsgebühr an Recup für dessen Tassen, Teller und Schüsseln (Rebowl), die unter anderem den Austausch defekter und abgenutzter Behältnisse beinhaltet. Die Kunden der einzelnen Betriebe zahlen fünf Euro pro Kunststoffgefäß und können es in jedem teilnehmenden Betrieb wieder gegen ihr Pfand zurückgeben. Im Rems-Murr-Kreis nehmen indessen noch nicht überragend viele Betriebe daran teil. Etwas über 50 sind es derzeit. Aber Hoefer ist sehr zuversichtlich, dass die Zahl noch steigt.
Thema Mehrweg soll gestärkt werden
Um die Nutzung anzukurbeln, indem auch das Bewusstsein der Bürger für das Thema Mehrweg gestärkt wird, konzipieren die Akteure im Landratsamt gerade eine Werbekampagne, im Zuge deren man im Herbst mit verschiedenen Aktionen auf die Straße gehen will, wie Hoefer schildert. Den Betrieben im Kreis ein einheitliches System anzubieten sei insofern eine gute Herangehensweise, da viele Firmen sich zu dem Thema noch keine konkreten Gedanken gemacht hätten und dankbar für verlässliche Informationen seien, so Hoefer.
Sascha Gabriel hat mittlerweile schon reichlich Erfahrungen mit den Produkten der Firma Recup gemacht. Er ist für das Unternehmen Georg Schmidt Gastronomie als Abteilungsleiter Schulgastronomie und als Betriebsleiter für den Cateringservice in der Gewerblichen Schule in Backnang tätig. „Wir waren eine der ersten Firmen im Kreis, die mit dem Mehrweggeschirr arbeiten, und zwar schon vor Corona“, berichtet er. Von den Lehrern wird es häufig genutzt, um sich das Essen aus der Mensa mit ins Lehrerzimmer zu nehmen. Auch einige Schüler nutzen es und machen sich das Essen vom Caterer dann zu Hause in der Mikrowelle noch einmal warm, so Gabriel.
Trotz der Pfandgebühr von fünf Euro pro Tasse oder Schale fehlt aber auch schon einiges an Geschirr: Die Kunden behalten es dann einfach, wie der Betriebsleiter einräumt. Die Teilnehmergebühr am Recup-System übernimmt der Rems-Murr-Kreis für die Cateringfirma. „Jede Bowl (zu deutsch: Schale, Anm. d. Red.), die rausgeht, spart Verpackungsabfall und dient damit dem Klimaschutz“, betont Gabriel.
Einen ganz eigenen Weg geht man in der Metzgerei Hinderer in Rudersberg. Dort kommen Glasbehälter zum Einsatz, wenn die Kunden sich das Tagesessen mit nach Hause nehmen möchten. „Das wird hervorragend akzeptiert. Es hat aber mitunter auch einiges an Überzeugungsarbeit gekostet“, wie Werner Hinderer als Geschäftsbetreiber der Metzgerei berichtet, die es schon seit 1780 gibt, wie er nicht ohne Stolz anmerkt. Die fünf Euro Pfand pro Gefäß schmecken eben nicht jedem Kunden auf Anhieb. Bei einem Menü mit einem separaten Salat sind es dann schon zehn Euro zusätzlich zum Menüpreis. Da zuckte so manche Hausfrau erst einmal zurück, aber das legte sich schnell. Hinderer ist im Vorstand der Fleischerinnung Rems-Murr aktiv und hat den Kollegen auch schon seine Alternative zum Einweggeschirr ans Herz gelegt. Bei bis zu hundert Tagesessen, die im Rudersberger Laden täglich über die Theke gehen, wird mit dem Glasgeschirr natürlich eine gewaltige Menge Müll eingespart. „Das ist ja fast schon widerlich, was für Wahnsinnsmengen an Verpackungsmüll dabei zusammenkommen“, bekundet Hinderer.
Auf der Suche nach einem Mehrwegsystem
Er war schon länger auf der Suche gewesen nach einem Mehrwegsystem für sein Geschäft. Im Urlaub wurde er auf die Glasprodukte einer Firma aus Würzburg aufmerksam. „Im September 2021 haben wir das Glasgeschirr dann geordert mit dem Ziel, bis Weihnachten 70 Prozent unserer Essen darin zu verkaufen. Tatsächlich waren es dann schon 95 Prozent bis Weihnachten“, so schildert es der Metzger. Nur ein Kunde will immer noch partout kein Essen im Glas mitnehmen – er scheut das Spülen, wie Hinderer augenzwinkernd erklärt. Die Lösung mit der Firma Recup, die der Kreis propagiert, kommt für Hinderer jedenfalls nicht in Frage.
Er nennt einige Gründe. So kaufe niemand ein Essen bei ihm in Rudersberg und gebe das Geschirr nachher ganz woanders ab, was indessen bei der Recup-Lösung in jedem teilnehmenden Betrieb in ganz Deutschland möglich und dessen Stärke ist. „Das passt für uns Handwerksbetriebe hier in der Region aber nicht. Und je erfolgreicher ich bin, desto mehr verdient ein anderer mit“, so ein weiteres Gegenargument Hinderers. Und da manche Kunden direkt aus dem Mehrweggeschirr essen, fänden sich darin nicht selten Kratzer und Riefen vom Besteck, in denen sich Speisereste sammeln. „Tomatensoße sehe ich da monatelang drin. Das kriegt man beim Spülen nicht komplett wieder raus“, meint Hinderer. Er ist zudem der Auffassung: „Wenn der Landkreis das Umweltbewusstsein voranbringen will, sollte er unsere Lösung unterstützen und nicht nur ein bestimmtes System befürworten.“
Von Bernhard Romanowski
Ein bisschen merkt man Werner Hinderer schon an, dass er in seiner Ablehnung der vom Rems-Murr-Kreis favorisierten Mehrweglösung auch einige Vorurteile pflegt: Hier die grundehrlichen und tatkräftig um Nachhaltigkeit bemühten Handwerksbetriebe mit ihren unmittelbaren Erfahrungen von der Kundenfront, dort die praxisfernen Anzugträger aus dem Kreishaus, die mit weltfremden Lösungen durchs Land reiten. Ob die große Lösung des Kreises die bessere ist oder die von Hinderer vertretene kleinteiligere Variante, darüber kann man vortrefflich streiten. Vielleicht belebt Konkurrenz auch hier das Geschäft, wie es oft heißt. Am Ende sollte aber jedenfalls der Umweltschutz siegen – und damit wir alle.
b.romanowski@bkz.de
Ü 80 Ab 2023 müssen alle Betriebe mit gastronomischem Angebot wie Restaurants, Lieferdienste, Bäckereien, Cafés und Metzgereien, die mehr als 80 Quadratmeter Verkaufsfläche und mehr als fünf Mitarbeiter haben, neben dem Einweggeschirr auch eine Mehrweglösung anbieten.
Deutlicher Hinweis Eine Ausnahme soll es für kleine Betriebe geben wie etwa Imbissbuden. „Sie sollen ihrer Kundschaft Speisen und Getränke auch in mitgebrachte Behälter abfüllen können. Auf diese Möglichkeit sollen sie ihre Kundschaft deutlich hinweisen“, liest man auf der Homepage der Bundesregierung.