Kulttrainer träumt vom Finale

Ganz Heidenheim feiert nach dem Sensationssieg gegen Bayer Leverkusen seine Pokalhelden

Trainer Frank Schmidt ging nach dem Sieg über Bayer Leverkusen erst mal mit den Hunden Gassi – und darf sich nun mit dem 1. FC Heidenheim auf das Viertelfinale freuen. „Unglaublich“, sagt der Coach, „so ist der Pokal.“

Heidenheim /DPA - „Alter Schwede!“, brüllte Frank Schmidt voller Inbrunst. Seiner ­Erleichterung ließ der Kultcoach des 1. FC Heidenheim nach der Pokal-Überraschung gegen Favorit Bayer Leverkusen freien Lauf, noch an der Seitenlinie hüpfte er freudig mit seinem Trainerstab in einem kleinen Kreis. „Unglaublich, das ist DFB-Pokal“, sagte Schmidt in der ersten Euphorie am Spielfeldrand nach dem kaum für möglich gehaltenen 2:1-Erfolg über den Europa-League-Starter. Der Zweitligist von der Ostalb steht zum zweiten Mal im Viertelfinale des DFB-Pokals und darf nach dem Coup sogar vom Endspiel in Berlin träumen.

Während er seinen Spielern einen spaßigen Party-Abend genehmigte, freute sich Langzeit-Trainer Schmidt nach emotionalen Stunden schon auf etwas Ruhe in seiner Heimatstadt. „Vielleicht gehe ich mit den Hunden noch eine Runde Gassi und komme da noch etwas runter“, sagte der Trainer. Auf der Pressekonferenz vermittelte er mit ganz breitem Grinsen noch den fröhlichen Lebemann, der wiederholt von der besonderen „Emotionalität“ im Stadion an diesem Abend schwärmte.

Seit seinem Amtsantritt 2007 hat Schmidt in Heidenheim viel erlebt, ein solch umjubelter Favoritensturz ist aber auch für ihn neu. Neben ihm saß Peter Bosz, der enttäuscht die großen Leistungsschwankungen seiner Bayer-Profis erklären und Begriffe wie Mentalität definieren musste. Schmidt sagte Sätze wie: „Wir wollten diszipliniert spielen und sachlich. Dann sollten die Emotionen im Lauf des Spiels kommen.“ All das ging auf, demnach konnte der 45-Jährige zufrieden bilanzieren: „Manchmal kann Fußball auch einfach sein.“

Am Dienstagabend war Fußball so einfach, dass Zweitliga-Spieler wie Nikola Dovedan oder Maurice Multhaup alle Pokal-Träume des Millionenensembles aus Leverkusen beendeten. „Das ist einfach ein geiles Gefühl“, sagte Multhaup, der erst noch frei stehend die Latte getroffen hatte und später aus spitzem Winkel das Spiel entschied. Bayer-Stars wie Torschütze Julian Brandt oder Karim Bellarabi, beide ihrerseits Nationalspieler, gingen geknickt vom Platz, nur drei Tage nach dem furiosen 3:1 gegen den FC Bayern kehrte beim Team von Trainer Bosz Ernüchterung ein.

Der Zweitliga-Sechste aus Heidenheim, den nur drei Punkte von einem Aufstiegsplatz trennen, unterstrich mit Leidenschaft, Emotionen und Raffinesse, was auch ein unterklassiger Gegner im Wettbewerb mit „den eigenen Gesetzen“ ausrichten kann. „So ein Spiel habe ich noch nicht erlebt. Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen sprachlos“, sagte Verteidiger Norman Theuerkauf.

Auf der Ostalb, auf der sonst Ruhe, Konstanz und Beschaulichkeit vorherrschen, war für einen Abend ausgelassene Feierei mit 11 400 Zuschauern angesagt. Und das alles ohne „Mister 1. FC Heidenheim“ Marc Schnatterer, der nach einer Fußverletzung 90 Minuten auf der Bank saß. „Er ist noch nicht bei 100 Prozent. Ich musste im Sinne der letzten zehn Minuten anders entscheiden. Das Schöne ist: Wir freuen uns über eine weitere Runde, und dann ist er bei 100 Prozent“, sagte Schmidt über den Dauerbrenner, der seit 2008 in Heidenheim spielt.

Von einem fulminanten Einzug ins Pokal-Endspiel im Berliner Olympiastadion trennen den 1. FC Heidenheim nun nur noch zwei Spiele. Neben der Schmidt-Elf sind in Paderborn und dem Hamburger SV weitere Zweitligisten vertreten. Gegner-Wünsche äußerte der Trainer nicht: „Wir wünschen uns ein Heimspiel und nehmen es, wie es kommt.“ Am 2. oder 3. April wartet in der 50 000-Einwohner-Stadt an der Brenz so oder so der nächste Fußball-Feiertag.